Jahrelanger Leidensweg - „Riesige Narbe mitten im Gesicht“: Mpox-Infektion hat Mark entstellt
Einen, den es besonders hart getroffen hat, nennen wir Mark. Er ist Patient von Christoph Boesecke, Oberarzt der Infektiologie am Universitätsklinikum Bonn. Boesecke darf seine Geschichte mit Ärzten und Journalisten teilen. Seinen echten Namen möchte Mark nicht nennen.
Affenpocken sahen erst aus wie ein gewöhnlicher Pickel
Bei ihm fängt Mpox auf der Nasenspitze an. Im Sommer 2022. Damals ist die Infektionswelle in Deutschland auf ihrem Höhepunkt. Was zuerst wie ein gewöhnlicher Pickel aussieht, wird mit der Zeit immer größer. „Als ich das erste Mal zum Arzt ging, sagte man mir, es wäre nur ein Sonnenbrand“, berichtet Mark rückblickend. Eine Woche später hat sich die Stelle deutlich vergrößert, die Haut wird schwarz, krustig und schmerzt.
Der nächste Arzt diagnostiziert Windpocken. Mark bekommt ein Medikament verschrieben. Doch die Pocken breiten sich auf seinen gesamten Körper aus, befallen seinen Genitalbereich. Mark geht erneut zu seinem Hausarzt, dann zu einem Dermatologen, schließlich fährt er ins Krankenhaus und lässt sich stationär aufnehmen.
"Das Schlimmste an der Erkrankung waren die Schmerzen"
Dort verbringt er zehn Tage. Die Ärzte stellen endlich die richtige Diagnose: Mpox. Mark wird an die Uniklinik Bonn verlegt, wo er auf Christoph Boesecke trifft. Der Oberarzt begleitet den Patienten bei seinem Heilungsprozess. Mark bekommt das anti-virale Medikament Tecovirimat zweimal täglich für sieben Tage. Für die Behandlung von Mpox ist es damals noch nicht zugelassen, wird aber im Einzelfall genehmigt.
„Das Schlimmste an der Erkrankung waren die Schmerzen“, erinnert sich Mark. Damit ist er nicht allein. Christoph Boesecke berichtet von Patienten, die ins Krankenhaus kommen, weil ihnen kein Schmerzmittel aus der Apotheke mehr hilft. Bei manchen Patienten führt ein Pockenbefall am After zu „unerträglichen Schmerzen, die teils mit opiathaltigen Mitteln therapiert werden mussten. Das ist normalerweise die Endtherapie bei schwersten Krebsschmerzen“, sagt Boesecke.
Bis April 2024 werden in Deutschland 3.841 Fälle von Affenpocken dokumentiert, die meisten davon im Zeitraum von Mai 2022 bis Ende September 2022. Am stärksten trifft es die USA und Brasilien mit jeweils über 10.000 bestätigten Fällen. Auch China ist damals stark betroffen. Aus vielen Ländern gibt es keine offiziellen Daten.
„Mein Sexleben ist momentan nicht existent"
Aktuell werden hierzulande nur noch vereinzelte Fälle gemeldet. Doch die Betroffenen von damals leiden noch heute unter den Folgen. Die Infektion habe sein Leben stark verändert, sagt Mark heute. „Ich bin mit Narben und Flecken übersät. Meine Nase hat wieder Haut, aber ich habe jetzt eine riesige Narbe mitten im Gesicht.“ Zweimal ließ er sich bereits Hämorrhoiden und Fissuren entfernen. „Außerdem habe ich starke Vernarbungen im Genitalbereich, die korrigiert werden müssen, was natürlich auch mein Sexleben momentan nicht existent macht.“
Aus dem offenen, selbstbewussten Mark sei ein zurückgezogener Mark geworden, der am liebsten lange Kleidung trägt, die einen Teil der Spuren verdeckt. Der kaum neue Leute kennenlernt, genau darauf achtet, wen er anfasst, wen er umarmt. Der schlecht schläft, jeden Morgen gegen 4.30 Uhr wach wird. Und der einen Waschzwang entwickelt hat. „Psychisch geht es mir mit all dem nicht so gut“, sagt er.
Mpox-Viren werden über Kontakt von Haut oder Schleimhaut mit Körperflüssigkeit und Pocken übertragen
Nach der Behandlung im Krankenhaus muss Mark noch drei Wochen zuhause in Isolation verbringen. Freunde und Familie sind besorgt. Die meisten fragten zuerst nach seinem Wohlbefinden, und gleich darauf: „Wo hast du dir das denn eingefangen?“
Mpox findet 2022 in vielen Medien statt. Wem die Krankheit bis dato noch kein Begriff war, der erfährt nun: Das Virus wird über direkten Kontakt von Haut oder Schleimhaut mit Körperflüssigkeiten oder den typischen Pocken übertragen. Die meisten Fälle gehen auf sexuelle Kontakte zurück, häufig unter Männern. Mpox wird wie andere sexuell übertragbare Krankheiten zum Stigma, Patienten schämen sich.
„Betroffen waren häufig jüngere Männer, die sonst als gesund galten, die sich auf einmal drei Wochen in Quarantäne begeben sollten", berichtet Christoph Boesecke. "Damals kannte man noch maximal zwei Wochen von Corona. Wenn Leute auf einmal drei Wochen am Stück krank geschrieben sind, war relativ einfach über Google herauszufinden, warum derjenige gerade nicht zur Arbeit kommen konnte. Da ist der Weg zum Stigma nicht weit.“ Der Oberarzt betont: „Das ist eine virale Infektion, die uns alle betreffen kann. Prinzipiell kann sich jeder anstecken.“
Zwei Impfdosen schützen vor Infektion und schwerem Krankheitsverlauf
Die meisten Betroffenen erkranken nicht so schwer wie Mark. Häufig treten nur ein bis zwei Pusteln im Genitalbereich auf, die rasch von allein abheilen. Je besser das Immunsystem, desto höher die Chance, dass die Erkrankung harmlos verläuft, erklärt Boesecke. Ein sehr geringer Anteil der Patienten – unter ein Prozent – verstirbt an der Infektion oder Folgeproblemen. Dazu zählen vor allem Patienten mit einem sehr schlechten Immunsystem, entweder aufgrund einer nicht entdeckten HIV-Infektion oder einer laufenden Chemotherapie.
„Mpox werden bleiben und in unserem Behandlungsalltag als weitere sexuell übertragbare Erkrankung eine Rolle spielen“, sagt Boesecke. Zum Schutz gibt es die Impfstoffe Jynneos und Imvanex. Eine vorbeugende Impfung mit einem der Stoffe empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) für Personen mit erhöhtem Infektionsrisiko: Männer ab 18 Jahren, die Sex mit Männern haben und dabei häufig die Partner wechseln. Die STIKO empfiehlt ebenfalls nach dem engem Körperkontakt mit einer infizierten Person eine zeitnahe Impfung.
Etwa zwei Wochen nach der ersten Impfdosis ist das Risiko für eine Erkrankung deutlich reduziert. Für die Grundimmunisierung ist eine zweite Dosis im Abstand von mindestens 28 Tagen erforderlich. Wer in der Vergangenheit bereits gegen Pocken geimpft wurde, benötigt nur eine Impfdosis. Grundsätzlich ist der Impfstoff für alle Arztpraxen verfügbar. Patienten müssen das Geld für die Impfung zwar vorstrecken, die meisten gesetzlichen Krankenkassen erstatten die Kosten aber im Nachhinein.