Aus Hadorf zu den Olympischen Spielen 2024: Ein Besuch auf der Anlage von Springreiter Max Kühner
Nach 28 Jahren haben sich Österreichs Springreiter wieder für Olympia qualifiziert. Darunter Max Kühner aus Hadorf. Sein Erfolgsrezept beinhaltet Spezialzutaten.
Hadorf – Ein gutes Pferd springt nicht höher, als es muss. Das ist für Max Kühner nicht nur ein Sprichwort, sondern auch die perfekte Beschreibung für sein aktuelles Top-Pferd, „Elektric Blue P“. „Genialer, schlauer Minimalist.“ Das sind die drei Worte, mit denen er seinen Sportpartner beschreibt. Seit zehn Jahren ist der 13-jährige Wallach schon auf Kühners Reitanlage in Hadorf zu Hause.
Max Kühner aus Hadorf (Starnberg) löst mit Österreich das Olympia-Ticket
Was für ein eingespieltes Team die beiden sind, konnten sie zuletzt bei der Europameisterschaft in Mailand unter Beweis stellen. Im Herbst vergangenen Jahres legten sie nicht nur eine schnelle Nullrunde hin, sondern sicherten damit auch die EM-Bronzemedaille und somit das Olympia-Ticket für die österreichische Mannschaft – erstmals seit 1996.
„Sich als Team für die Olympischen Spiele in Paris zu qualifizieren, war für uns Österreicher sicherlich ein großes Ziel. Das war jetzt nicht wirklich erwartet“, erzählt Kühner.
Max Kühner lebt Tür an Tür mit seinen hochklassigen Pferden
Der 50-Jährige sitzt auf einem Sessel in seinem Wohnhaus auf der Anlage nordwestlich von Starnberg. Im Wohnraum stapeln sich die Kartons, die Kühners bekommen eine neue Küche. Der Weg zu den Ställen aber ist freigeräumt, der ist schließlich hochfrequentiert. Nur eine Tür trennt Max Kühner von seinen Pferden, die er mehrmals täglich aufsucht, wenn er gerade zu Hause in Hadorf ist.
Dass er mit seinen Pferden nicht für Deutschland, sondern für das Nachbarland startet, hat einen ganz einfachen Grund. 2015 nahm Kühner die österreichische Staatsbürgerschaft an, um es sich sportlich „ein bisschen einfacher zu machen“, wie er zugibt.
Finale Nominierung für Olympia 2024 in Paris steht für Kühner noch aus
Da Österreich vergleichsweise kein „Pferdeland“ sei, sei es dort aber schwieriger, ein gutes Team auf die Beine zu stellen. Mit Gerfried Puck, Katharina Romberg und Alessandra Reich konnte er sich in Mailand für Olympia qualifizieren. Eine Nominierung durch den Österreichischen Pferdesportverband (OEPS) steht noch aus. „Ich gehe fest davon aus, dass wir antreten“, sagt Kühner.
Fest steht: Nur drei Reiterinnen und Reiter können in Paris an den Start gehen. Der oder die Vierte ist Ersatz, ein Streichergebnis gibt es nicht. Max Kühner selbst ist aktuell auf Rang neun der Weltrangliste zu finden und nimmt wie zwei Teamkollegen neben der Mannschaftswertung auch am Einzelwettkampf teil. Zum Vergleich: Gerfried Puck liegt als zweitbester Österreicher auf Rang 77.
Vier Olympia-taugliche Pferde im Stall: Kühner hat die Qual der Wahl
Mit welchem Pferd er im Schlosspark von Versailles antreten wird, steht derzeit noch nicht fest. Denn Kühner befindet sich in einer „glücklichen Lage“, wie er sagt: „Ich hab’ ein paar mehr Pferde, die dieses Level springen können, allen voran natürlich ,Elektric Blue P“. Neben diesem kommen noch „EIC Up too Jacco Blue“, „EIC Cooley Jump the Q“ und „EIC Julius Caesar“ für Olympia infrage. „Wenn Blue sich nicht so gut anfühlt, dann wird er auch nicht in irgendwas reingepusht. Wenn Cooley super drauf ist oder Jacco, dann ist vielleicht ihre Zeit gekommen“, sagt Kühner.

Damit ein Springpferd in Paris teilnehmen darf, muss es gewisse Kriterien erfüllen. Diese enthalten neben einem Mindestalter von neun Jahren bestimmte Vorgaben, welche Wettbewerbe zuvor absolviert worden sein müssen.
Max Kühner gewinnt ausgerechnet in Starnbergs Partnerstadt Dinard
Mit seinem irischen Wallach Cooley entschied Kühner im Dezember den „Longines Christmas Cracker“ in London für sich. Mit Blue gewann er den mit 500 000 Euro dotierten „Rolex Grand Prix“ – ausgerechnet im französischen Dinard, der Partnerstadt von Starnberg. Seine Ziele für Olympia hat der Springreiter schon gesteckt: „Ich will mit meinem Pferd zusammen einen guten Job machen.“
Damit das gelingt, hat jedes potenzielle Pferd einen eigenen Trainingsplan, um zum Zeitpunkt der Olympischen Spiele „top in Schuss“ zu sein. „Blue hat jetzt erst mal bis April Pause, damit er noch mal regeneriert, runterkommt und dann frisch erholt in Saint-Tropez anfängt. Jedes Pferd möchte unterschiedlich trainiert werden“, betont Kühner, der seit mehr als 40 Jahren im Sattel sitzt.
Kühner setzt auf spezielle Olympia-Vorbereitung für Paris 2024
„In Saint-Tropez geht Blue erst mal nur ein Babyspringen, also 1,30 bis 1,40 Meter. Da läuft er mit null Aufwand drüber“, ergänzt der 50-Jährige. In Deutschland liegt diese Höhe zwischen der mittleren und schweren Klasse. In Paris können die Hindernisse bis zu 1,65 Meter hoch sein.
Für die Vorbereitung schaut Kühner, dass das Pferd zuvor auf vergleichbaren Plätzen läuft. Der Wallach, der mit nach Paris auf den Sandplatz kommt, wird laut Kühner nicht drei Wochen davor den „CHIO Aachen“ auf dem großen Grasplatz bestreiten.
Max Kühner verrät Spezialzutaten für sein Erfolgsrezept
„Eine Besonderheit von uns ist, dass wir die Pferde schon von ganz jung auf haben“, erklärt der Springreiter. So habe er die Chance, die Pferde lange und gut kennenzulernen. Während des Anreitens kommen die Pferde immer wieder einige Monate auf die Koppel zurück. Blue stand, bis er sieben Jahre alt war, immer mal wieder auf der Koppel.
Wenn man Geld machen will, dann muss man sich was anderes aussuchen
Ein besonderes Prinzip, wovon Max Kühner „total überzeugt“ ist: „Unsere Pferde zeichnen sich dadurch aus, dass sie relativ früh ein schweres Springen gehen, aber die machen das mit viel mehr Gelassenheit als die älteren.“ Mit seinem erst neunjährigen Wallach Julius Caesar, einem Niederländischen Warmblut, platzierte er sich im Dezember beim Weltcup im spanischen A Coruña an zweiter Stelle und kassierte 60 000 Euro.
Reitsport: Ein falscher Tritt, und alles kann vorbei sein
Doch so lukrativ sei der Reitsport nicht. „Wenn man Geld machen will, dann muss man sich was anderes aussuchen“, betont Kühner. Zum einen fließe das meiste Geld zurück in die Pferde: in Tierarztkosten, Physiotherapie, Futteranalysen, Hufschmied, Mentaltrainer und so weiter.
Zum anderen birgt der Sport ein enormes Risiko, gerade für Investoren. Ein falscher Tritt, und alles kann vorbei sein. „Ich habe Kollegen, die sind mit dem Pferd am langen Zügel Schritt geritten, und es hat sich ein Bein gebrochen“, erzählt der Springreiter und klopft dreimal auf den hölzernen Wohnzimmertisch: „Ich habe Gott sei Dank, seitdem ich mit Pferden arbeite, noch nie ein Pferd verloren.“
Ein Pferd muss immer noch ein Pferd bleiben.
Dass Kühners Pferde so wenige Verletzungen haben, hängt für den 50-Jährigen mit Glück zusammen, andererseits passe sein Team auch sehr gut auf. Dennoch kann auf der Koppel immer was passieren. Ein Risiko, das der Springreiter eingeht: „Es gibt viele, die ihre Pferde wegen der Verletzungsgefahr nicht auf die Koppel stellen, aber ich finde, ein Pferd muss immer noch ein Pferd bleiben.“
Kühner und seine Pferde: Mit Stofftieren & Co. zum Urvertrauen
Verwöhnt werden Kühners Pferde auch noch mit Stofftieren, die in den Boxen angebracht sind und sogar auf den Turnieren nicht fehlen. „Blue hat einen ziemlich großen Bären, aber er ist manchmal ein bisschen aggressiv, weshalb der Bär öfter erneuert werden muss“, sagt Kühner und lacht.
Das alles scheint sich im Parcours auszuzahlen. „Meine Pferde haben ein Urvertrauen, egal, wo ich sie hinlenke, sie springen.“
Doch laut Kühner kommt es nicht nur auf die Hilfengebung an, es gehe vor allem darum, dass „Pferd und Reiter eins sind“. Aber was heißt das eigentlich? „Es bedeutet, dass Menschen- und Pferdekörper das Gleiche vorhaben, dass es ein Entscheidungszentrum gibt, das für beide Körper arbeitet. Das, was wir im Parcours machen, passiert in einer Cloud.“
Max Kühner: Der Fahrplan bis Olympia in Paris 2024
Bevor für Paris aufgesattelt wird, müssen buchstäblich noch einige Hindernisse überwunden werden. Allein im April geht es nach Saint-Tropez, Miami, Mexico City und nach Riad zum Weltcupfinale, Anfang Mai weiter nach Shanghai. Auch im Anschluss an Olympia soll es direkt weitergehen.
Wer aus seiner Familie Max Kühner nach Paris begleiten wird, steht noch nicht fest. Auch seine zwei Töchter Jolie Marie und Grace haben inzwischen einen vollen Turnierkalender. Seine dreijährige Tochter Maxie steckt ebenfalls schon in den Reitstiefeln.
Paris 2024: Olympia-Parcours dort, wo Kühner seine Frau kennenlernte
Pferde sind für die ganze Familie der Lebensmittelpunkt. Ehefrau und Dressurreiterin Liv lernte Max Kühner in Versailles kennen, wo er bald auch um die Medaillen kämpfen wird. Er findet: „Das ist ein gutes Omen.“
Pia Maurer