Das „grundlegende Übel“ angehen – Ernährungsmediziner erklärt Königsweg zum Abnehmen
Schlaf, bewusstes Essen, Getränke und mehr: Bei IPPEN.MEDIA ordnet ein Experte ein, wie verschiedene Faktoren beim Abnehmen helfen können.
Frankfurt – Es klingt einfach, und fällt vielen doch so schwer: Abnehmen. Unzählige Diäten versprechen schnelle Ergebnisse, sodass die Kilos purzeln. Ein langfristiger Erfolg stellt sich aber nur selten ein. Nicht wenige kämpfen mit dem sogenannten Jojo-Effekt – und stehen am Ende wieder dort, wo sie begonnen haben.
„Es kann nicht die Diät sein, sondern es muss tatsächlich eine Ernährungsumstellung sein, die an das grundlegende Übel geht. Nämlich: Warum esse ich jetzt, wenn ich eigentlich gar keinen Hunger habe?“, ordnet Dr. Lutz Graumann im Gespräch mit IPPEN.MEDIA ein. Er ist Arzt für Sportmedizin, Chirotherapie und Ernährungsmedizin aus Rosenheim.
„Es gibt ganz viele Menschen, die emotionale Essstörungen haben. Andere haben Schlafstörungen. Zu viel Gewicht ist multifaktoriell“, erklärt er zu den Hintergründen, die bei Adipositas oder Übergewicht eine Rolle spielen können. Doch wie kann eine Ernährungsumstellung gelingen?
Weltadipositas-Tag
In Deutschland und weltweit nimmt die Zahl der Menschen mit Adipositas zu. Der Body Mass Index (BMI) galt lange als der ausschlaggebende Richtwert. Ab einem BMI von 25 gilt man als übergewichtig, ab 30 als adipös. Eine internationale Kommission von Fachleuten hat 2025 nun aber einen neuen Ansatz zur Definition und Diagnose von Übergewicht / Adipositas erarbeitet.
Adipositas ist ein Risikofaktor für viele Krankheiten. Dazu zählen beispielsweise Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder verschiedene Krebsarten.Der Weltadipositas-Tag findet jedes Jahr am 4. März statt.
Abnehmen: Getränke als „eine der wichtigsten Stellgrößen“ bei der Ernährungsumstellung
Zu Beginn einer Ernährungsumstellung stehe eine Ernährungsanalyse und ein Ernährungstagebuch, erklärt Dr. Graumann. Die erste Veränderung beziehe sich dann auf die Getränke, die „eine der wichtigsten Stellgrößen“ seien.
Es ist spannend, dass mittlerweile zwischen zehn und 15 Prozent der täglich zugeführten Kalorien durch Getränke in den Körper gelangen.
Das Ziel: die Getränkekalorien reduzieren. „Glaubt man Konsumenten-Statistiken, ist Kaffee das Getränke, das die westliche Bevölkerung am meisten trinkt. Gräbt man tiefer, ist es aber nicht unbedingt Kaffee, sondern es sind eigentlich Milchshakes – denn der Trend geht deutlich zu Getränken wie Cappuccino oder Latte Macchiato.“ 200 Milliliter Milch – manchmal kombiniert mit Sirup – und schon habe man die Kalorien einer Mahlzeit intus, so der Experte. Hydrations-Management ist also von Bedeutung, ergo: Wasser trinken.
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Verzicht und Light-Produkte sind der falsche Weg beim Abnehmen: Lieber eine „richtige Cola“
Gleichzeitig, betont Dr. Graumann, sei Verzicht der falsche Ansatz. Denn „immer, wenn über Verbote argumentiert wird, dann dreht sich das Gehirn fortlaufend im Kreis und ist auf der Suche nach dem verbotenen Kick“. Er tendiert eher zu einer „richtigen Cola als zu einer Cola Light“ – wenn man Appetit auf den Cola-Geschmack verspüre. Auch das hängt mit dem Gehirn zusammen. „Light-Produkte führen in der Regel nicht zur Befriedigung der Lustzentren im Gehirn. Und deshalb ist man vermutlich auch nach dem Konsum immer noch weiter auf der Suche nach etwas Befriedigendem“, erklärt der Ernährungsmediziner.
Neben den Getränken spielen auch folgende Aspekte eine Rolle bei der Umstellung der Ernährung:
- Liegen Unverträglichkeiten oder Allergien vor?
- Wie gut ist der Körper aktuell versorgt – gibt es Mangelzustände? Das lässt sich über die Blutwerte analysieren.
Wie sieht eine gute Ernährung eigentlich aus?
„Die derzeit für mich schlüssigste Definition von ausgewogener Ernährung ist eine sehr artenreiche Ernährung“, sagt Dr. Graumann im Gespräch mit unserer Redaktion. Er nehme dabei Bezug auf Tim Spector, einem Professor am King‘s College London. Der Gesundheitsexperte empfiehlt die Ernährung nach den Farben des Regenbogens. „Zwischen 25 und 30 unterschiedliche Pflanzen – das heißt: Obst, Gemüse, Kräuter, Nüsse, Samen verteilt sollte man in die Ernährung aufnehmen“, erklärt Dr. Graumann.
Darüber hinaus mache die Menge einiges aus, sagt er. „Wenngleich das Modell der Kalorie nicht super wasserdicht ist, haben wir derzeit kein Besseres.“ Energieaufnahme und Energieverbrauch sollten im Wechselspiel stehen, so der Experte.
Zu viel Kilo auf der Waage: Übergewicht oder Adipositas – Diese Rolle spielt der Schlaf
Daneben ist aber auch der Schlaf eine Stellschraube, an der hinsichtlich der Ernährung gedreht werden kann. Er hat unterschiedliche Funktionen. Erst wenn er fehlt, merken viele, wie notwendig er doch ist. Zwischen sieben und acht Stunden gilt als die optimale Schlafdauer.

„Wenn der Körper nicht ausgeschlafen ist, ist das Gehirn immer auf der Suche nach dem schnellen Kick. Dann werden einfach verfügbare Kohlenhydrate gefuttert und gesnackt – um immer wieder die Lustbefriedigung im Gehirn zu ermöglichen.“ Zu wenig Schlaf und dann nicht erholt aufwachen: Für Menschen, die abnehmen wollen, sollte das nicht zur Gewohnheit werden.
Abnehmen durch eine Ernährungsumstellung: „15 Minuten ungeteilte Aufmerksamkeit für die Mahlzeit“
Ein weiterer Aspekt in Bezug auf die Ernährung ist das bewusste Essen, erklärt Dr. Graumann. Was banal klingen mag, ist im Zeitalter digitaler Medien für viele Menschen gar nicht selbstverständlich. Sie hängen förmlich an ihrem Handy, scrollen durch Social Media – oder schauen während sie essen einen Film oder eine Serie. „15 Minuten ungeteilte Aufmerksamkeit für die Mahlzeit“, seien notwendig, betont der Ernährungsmediziner. Erst dann kann „überhaupt der erste Regelkreis für Hunger und Sättigung greifen“, ordnet er ein. Er spricht diesbezüglich den Magenfüllungsdruck und die Veränderung des Blutzuckerspiegels an.
Liege die Aufmerksamkeit nicht auf der Nahrungsaufnahme, werde zu schnell gegessen. „Und wir verlieren die Möglichkeit der natürlichen Regulation für Sättigung.“