Kanzler verspricht keine Leistungskürzungen – Ärzte widersprechen vehement: Realität „sieht völlig anders aus“
Der Bundeskanzler verspricht: Die Leistungen der Krankenkassen werden nicht weniger. Doch dem widersprechen jetzt Ärzte und Ärztinnen.
Berlin – Die Lage in der Gesundheitsversorgung in Deutschland liegt schon seit einer Weile im Argen. Überall besteht dringender Handlungsbedarf: Krankenhäuser rutschen in Richtung Insolvenz, Pflegekräfte fehlen an allen Ecken und Enden, darüber hinaus macht der demografische Wandel dem System zu schaffen. Krankenkassen haben bereits gewarnt: Ohne neue Maßnahmen werden die Beiträge für Krankenversicherung, Pflege und Rente massiv steigen.
In seiner Sommerkonferenz erkannte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) diese Lage an. Er machte aber auch ein Versprechen: „Was für mich nicht in Frage kommt, sage ich ganz klar: Leistungskürzungen für die Versicherten“, sagte der SPD-Politiker in Berlin. Das Wichtigste sei, immer alle Effizienzreserven zu nutzen.
Ärzte widersprechen Scholz: Leitungskürzungen der Versicherten schon jetzt da
Scholz verwies in diesem Zusammenhang etwa auf die geplante Krankenhausreform. Sie werde dafür sorgen, dass es eine hohe Zahl von Häusern für die Vor-Ort-Versorgung und von Spitzenkrankenhäusern gebe und das ganze System auch mit mehr finanzieller Effizienz betrieben werden könne.
Dem Versprechen von Scholz widersprachen nun Ärzte und Ärztinnen in der Bild-Zeitung. Nicola Buhlinger-Göpfarth, Verbandschefin der Hausärzte, stellte klar, dass die Praxen schon jetzt „massiv überlastet“ seien. „Das eine ist der Leistungskatalog, das andere die Realität in den Praxen. Schon heute fehlen bundesweit knapp 5.000 Hausärztinnen und Hausärzte“, so Buhlinger-Göpfarth. Würde da nicht bald nachgesteuert werden, käme das einer „Leistungskürzung auf Raten“ gleich.
Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), sagt in einer Mitteilung zu dem Thema: „Es ist absolut begrüßenswert, dass der Bundeskanzler den Patientinnen und Patienten verspricht, dass sie auch in Zukunft qualitativ hochwertig versorgt werden sollen. Mit Blick auf die alternde Gesellschaft ist es unabdingbar, dass das Gesundheitswesen resilient bleibt. Für unsere Patientinnen und Patienten ist dies ein wertvolles Versprechen!“
Allerdings stünden die Apotheken und Hausärzte schon jetzt unter Druck. „Schon jetzt erfahren die Menschen in manchen Landesteilen Leistungskürzungen, weil sie längere Wege zur nächsten Apotheke zurücklegen müssen“, so Hubmann.
„Erleben eine Verschlechterung der Versorgung“: Ärzte schlagen Alarm
Auch der Vorsitzende der Kassenärzte, Andreas Gassen, spricht gegenüber der Bild Klartext: „Wir begrüßen grundsätzlich die Ausführungen des Bundeskanzlers, nach denen Leistungskürzungen im Gesundheitswesen für ihn nicht infrage kommen. Die Realität sieht aber leider völlig anders aus.“ Leistungskürzungen seien „unausweichlich“, wenn nicht mehr Geld in die Gesundheitsversorgung fließt.
Auf der Social-Media-Plattform LinkedIn schreibt Moritz Völker, Vorsitzender der Jungen Ärztinnen und Ärzte im Hartmannbund: „Wir werden Leistungen kürzen, denn wir sind schon jetzt teuer, werden jährlich teurer und sehen und erleben eine Verschlechterung der Versorgung“.
Die gesetzlichen Krankenkassen hatten angesichts steigender Milliardenausgaben vor Beitragserhöhungen für die Versicherten im nächsten Jahr gewarnt. Zu rechnen sei 2025 mit einem zusätzlichen Finanzbedarf von 0,5 bis 0,6 Prozentpunkten, hieß es vom Spitzenverband. Die Pflegeversicherung erwartet für 2024 und 2025 rote Zahlen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat vor diesem Hintergrund bereits eine weitere Pflegereform noch vor der Bundestagswahl 2025 angekündigt. (mit Material von dpa)