Neue Kämpfe bei Kursk: Putin bangt um wichtige Gas-Pipeline nach Europa

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Die Kämpfe im Grenzgebiet Kursk breiten sich aus: Ukrainische Truppen greifen auch Russlands Wirtschaft an. Eine wichtige Pipeline gerät wohl ins Visier.

Kursk – Über das Gebiet Kursk wurde Berichten zufolge ein Ausnahmezustand verhängt: Tausende Menschen sind dort auf der Flucht und der Vormarsch der ukrainischen Truppen scheint bislang nicht gestoppt. Bei Vorstößen über die Stadt Sudscha haben die ukrainischen Truppen offenbar auch eine Messtation der wichtigen Gaspipeline Richtung Westeuropa teilweise unter ihre Kontrolle gebracht. Bei Sudscha liegt die letzte Gasstation, über die weiter Gas aus Russland über die Ukraine nach Europa fließt.

Kämpfe in Kursk – wichtige Gaspipeline teilweise unter Kontrolle ukrainischer Truppen

Von Sudscha aus führt der Transit durch die Ukraine und weiter in die Slowakei und nach Österreich. 2023 wurden auf diesem Wege trotz des laufenden Krieges 14,6 Milliarden Kubikmeter Erdgas in die Europäische Union transportiert. Nach russischer Darstellung läuft der Gastransit derzeit trotz der Kämpfe weiter – auch wenn ein leichter Rückgang festzustellen ist: Der russische Gasexport durch das von der Ukraine angegriffene Grenzgebiet Kursk läuft nach Angaben des Konzerns Gazprom weitgehend normal.

Bei Vorstößen über die Stadt Sudscha haben die ukrainischen Truppen offenbar auch eine Messtation der wichtigen Gaspipeline Richtung Westeuropas teilweise unter ihre Kontrolle gebracht © Grigory Sysoev/dpa/Depositphotos/imago

Es werde mit der Durchleitung von etwa 37,3 Millionen Kubikmeter Erdgas gerechnet, teilte das Unternehmen in Moskau am Donnerstag, 8. August, mit. Dies seien fünf Prozent weniger als am Vortag, meldete die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass.

Außerdem berichtet die Kyivpost, dass die Menge am Donnerstag zwölf Prozent unter der üblichen Menge an Wochentagen lag. Der russische Energiekonzern versicherte allerdings am selben Tag, die Leitung bleibe offen. Gazprom-Vertreter Sergej Kuprijanow hat laut Interfax noch nicht offiziell angegeben, ob der Rückgang auf die ukrainische Offensive zurückzuführen ist. Unterdessen sprachen russische Militärblogger mit Kontakten zur Armee von deutlichen Erfolgen der Ukraine. „Sudscha ist vollständig verloren“, erklärte der Militärblogger Juri Podoljaka auf seinem Kanal im Onlinedienst Telegram. Die Stadt sei „voll von ukrainischen Soldaten“. 

Ukrainische Truppen greifen wohl auch die Energie-Infrastruktur in Kursk an

„Die Verlagerung des Krieges auf das Territorium der Russischen Föderation ist eine strategische Aufgabe für die Ukraine“, kommentiert der Polittechnologe Taras Sagorodni in einem Beitrag für das ukrainische Nachrichtenportal nv.ua. „Wir müssen den Feind und vor allem sein Energiesystem so weit wie möglich destabilisieren.“ Und da passe es gut, dass sich ausgerechnet in Sudscha der einzige Zulauf für russisches Gas in die Ukrai­ne befinde.

Nun gelte es, die russische Energieinfrastruktur zu zerstören. Je mehr man Russland destabilisieren könne, umso besser für die Ukraine, so Sagorodni. Offiziell hält sich die Ukraine weiter bedeckt zu dem Vorstoß auf gegnerisches Gebiet, der am Dienstag (6. August) begonnen hat. 

Gas-Pipeline im Visier? Messstationen von Sudscha wohl teilweise unter ukrainische Kontrolle

Die Gasübergabe- und Messstationen von Sudscha in der russischen Region Kursk sind der einzige Einspeisepunkt für russisches Erdgas in das ukrainische Gastransportsystem für den Weitertransport nach Europa. Die Rohre in Sudscha transportieren sibirisches Methan durch die Ukraine und weiter in die Slowakei und nach Österreich. Trotz des Krieges wird laut dem RND über die Rohrleitung etwa die Hälfte der verbliebenen russischen Gasexporte nach Europa abgewickelt.

Im Mai 2022, zu Beginn der russischen Invasion in der Ukraine, stellte der ukrainische Transitbetreiber Reuters zufolge den Gastransport über eine alternative Zweigleitung durch den Transitpunkt Sokhranivka nahe der Region Luhansk im Osten ein.

Wichtige Pipeline transportiert russisches Gas nach Europa – wegen eines Vertrags vor dem Ukraine-Krieg

Doch wie kommt es, dass trotz Ukraine-Kriegs russisches Gas über die Ukraine nach Europa fließt? Hintergrund ist ein Gas-Transitvertrag zwischen dem ukrainischen Energiekonzern Naftogaz und dem russischen Energieriesen Gazprom. Diese wurde noch vor dem Ukraine-Krieg ausgehandelt. Ende 2024 soll der Transitvertrag auslaufen und die Ukraine hat bislang kein Interesse gezeigt, das Abkommen zu verlängern oder zu erneuern.

Allerdings gibt es offenbar Gespräche, Gaslieferungen über die Ukraine zu ermöglichen. Zur Diskussion steht der Vorschlag, russisches Gas durch Gas aus Aserbaidschan zu ersetzen. Bereits im Juni berichtete Politico, dass europäische Vertreter laut Aussage eines hohen Beamten aus Aserbaidschan auf das Land mit dem Vorstoß zugekommen sind.

Wenn es nach Präsident Wolodymyr Selenskyj geht, wäre der Umstieg auf Gas aus Aserbaidschan zumindest ein Weg, Europa weiterhin über die Ukraine mit Gas zu versorgen. Die Ukraine wolle ihre Rolle als Transitland aufrechterhalten und ihre westlichen Nachbarn bei der Gewährleistung der Energiesicherheit unterstützen, so der Präsident Anfang Juli 2024 gegenüber Bloomberg TV. (bohy mit Material der dpa und AFP)

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