„Jede Krankheit vermeiden“: Dorfoberhaupt in Italien verbietet seinen Bewohnern das Krankwerden

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Ein Bürgermeister in Italien ergreift drastische Maßnahmen: Er verbietet seinen Einwohnern, krank zu werden. Die Aktion hat einen bedauerlichen Hintergrund.

Belcastro – Krank ist wohl niemand gerne. Und wenn man seinem Körper befehlen könnte, nicht mehr krank zu werden, würden die meisten das wahrscheinlich nur zu gerne tun. Ähnlich wie ein Bürgermeister in Italien, der den Bürgern in seiner Gemeinde jetzt per Erlass verboten hat, krank zu werden. Nanu, da greift aber jemand gehörig in die Privatsphäre seiner Bürger ein, oder? Tatsächlich hat der ungewöhnliche Erlass einen ernsten Hintergrund.

Bürgermeister Antonio Torchia hat in seinem Dorf Belcastro im Süden Italiens ein deutliches Machtwort gesprochen: Er wies die Bevölkerung schriftlich an, „jede Krankheit zu vermeiden, die einen medizinischen Eingriff erfordert, insbesondere in Notfällen, und sich so viel wie möglich auszuruhen“. Der Grund: Die 1300-Seelen-Gemeinde findet keinen Arzt mehr und ist praktisch „ohne Gesundheitsversorgung“. Denn auch einen ärztlichen Bereitschaftsdienst gibt es nicht, von „chronischer und schluckaufartiger Schließung“ ist die Rede, was sich „nachteilig auf die Sicherheit der Bürger“ auswirkt.

Bürgermeister Antonio Torchia kritisiert mit seinem Krankheits-Verbot ein grundlegendes Problem in der Gemeinde Belcastro. © Stadt Belcastro

Italien-Bürgermeister verbietet Kranksein als „ironische Provokation“

Das nächste Krankenhaus ist 45 Kilometer entfernt und sei durch Geschwindigkeitsbegrenzungen von 30 km/h auf den Landstraßen nur langsam zu erreichen. Zudem fänden die Notfälle meist in den Nachtstunden an Vorfeiertagen und Feiertagen statt. Und die Bevölkerung ist alt: Sie bestehe „zu etwa 50 Prozent aus älteren Menschen über 65 Jahren“, wie italienische Medien aus dem Schreiben zitieren. Das ist in vielen Dörfern im Land inzwischen typisch. Italien gehört zu den Ländern, die besonders unter Überalterung leiden. Daher sah sich der Bürgermeister offenbar gezwungen, „eine dringende und unaufschiebbare Vorsichtsmaßnahme zu ergreifen“ – keine kranken Bürger, kein Problem mit der fehlenden Gesundheitsversorgung.

Ziel der Verordnung ist auch, dass Unfälle – häuslich wie draußen – vermieden werden: „Daher ist es ratsam, nicht zu oft auszugehen, nicht zu reisen und keinen Sport zu treiben, sondern so lange wie möglich in Ruhe zu bleiben“. Die Verordnung soll so lange in Kraft sein, bis ein medizinischer Dienst täglich vollständig besetzt ist.

Dorf in Italien ohne medizinische Versorgung: Bürgermeister will zur Staatsanwaltschaft

Bürgermeister Torchia versteht seinen Erlass „natürlich als ironische Provokation“, um auf das Problem aufmerksam zu machen – durchaus mit Erfolg. „Ich muss sagen, dass meine Anordnung mehr Wirkung zeigt als die Dutzende Briefen, die ich bisher an die Gesundheitsbehörde der Provinz und an die Präfektur geschickt habe“, sagte Torchia. Das Thema wird zudem von zahlreichen Medien national wie außerhalb Italiens aufgegriffen.

„Wenn es nicht bald Neuigkeiten gibt, werde ich mich in den nächsten Tagen an die Staatsanwaltschaft von Catanzaro wenden, um eine Anzeige wegen Unterbrechung eines öffentlichen Dienstes zu erstatten“, zitiert die Zeitung La Repubblica den Bürgermeister. Jetzt hoffe er, dass sowohl in der Politik als auch im Gesundheitswesen das Gewissen wachgerüttelt sei. (ial/dpa)

Ebenfalls in Süditalien ist ein Bürgermeister für seine Gemeinde eingestanden, in der ein Politiker ein Verbot für Küsse und Umarumungen gefordert hatte.

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