Ab 50 Millionen Franken - Milliarden an Erbschaftssteuer? Schweizer Superreiche zittern vor Volksabstimmung
Bislang hatten dezidiert linke Vorstellungen bei Volksabstimmungen in der Schweiz wenig Aussichten auf Erfolg. Doch das ist seit kurzem anders: Über die eidgenössische Volksinitiative „Für ein besseres Leben im Alter“ wurde im März abgestimmt. Inhalt der Initiative war eine Art Urlaubsgeld für Rentner, sie sollten eine 13. Rente pro Jahr überwiesen bekommen. Die Vorlage wurde vom Volk gutgeheißen, seither brütet die Regierung in Bern darüber, wie sie die 13. Rente aus dem Bundeshaushalt bezahlen soll.
Im Kanton Nidwalden beginnt der Exodus der Betuchten bereits
Weil die Schweizer also nicht mehr zuverlässig konservativ abstimmen, kommen die Schwerreichen angesichts der nun angeschobenen Volksabstimmung nicht nur ins Grübeln, sondern sie handeln: Wie die Finanzdirektorin des Innerschweizer Kantons Nidwalden Michèle Blöchlinger gegenüber einer Zeitung sagte, habe es bereits erste Wegzüge von Millionären aus dem Kanton gegeben. „Wie viele davon ausschließlich auf die Erbschaftssteuer-Initiative zurückzuführen sind, entzieht sich unserer Kenntnis.“
Aber: Reiche Nidwaldner hätten bereits „die Absichten geäußert, wegzuziehen“. Der Kanton sei mit ihnen im Gespräch, um sie davon abzuhalten. Da die Initiative noch nicht angenommen wurde und ihre Umsetzung noch unklar ist, sagt Blöchlinger: „Wir appellieren an die Steuerkunden, mit dem Wegzug zuzuwarten.“ Nirgends im Nachbarland gibt es eine so hohe Dichte von Vermögenden wie im bislang steuergünstigen Kanton Nidwalden, wo Millionäre bislang mit der jeweiligen Steuerverwaltung ihre Zahlungen aushandeln können. Auf 10.000 Nidwaldner kommen 22 Superreiche, die über ein Vermögen von mehr als 50 Millionen Franken verfügen. Sogar im Steuerparadies Zug ist die Dichte mit 19 besonders Vermögenden pro 10.000 Einwohner geringer.
Deswegen haben eidgenössische Unternehmergrößen wie der Chef des Eisenbahnbauers Stadler Peter Spuhler bereits ihren Wegzug angekündigt. Spuler sagte: „Zuerst möchte ich festhalten, dass das für mich nicht eine Erbschaftssteuer-Initiative ist, sondern eine Enteignungsinitiative. Es wäre eine Katastrophe für die Schweiz, wenn sie angenommen würde.“ Der 65-Jährige verfügt über ein geschätztes Vermögen von 3,75 Milliarden Franken, weshalb eine Annahme für ihn besonders starke Auswirkungen hätte. So müssten seine Nachkommen „auf einen Schlag 1,5 bis zwei Milliarden Franken abliefern“. Auch Unternehmerin Magdalena Martullo-Blocher, die den Spezialchemie-Konzern Ems in zweiter Generation leitet und deren Vermögen auf rund 6,7 Milliarden Franken geschätzt wird, sagt „Der Wegzug ist eine echte Option.“
Erben, eine „Spermienlotterie“, sagen die Linken
Die Debatte im Nachbarland stößt hierzulande auf reges Interesse. Finanzminister Christian Lindner plädiert immer wieder für höhere Freibeträge für Erben. 400.000 Euro dürfen Kinder von Verstorbenen derzeit erben, ohne dafür Steuern zu zahlen. Seit 2009 wurde der Betrag nicht mehr angehoben. Zu lang, findet Finanzminister Christian Lindner und verweist auf die gestiegenen Immobilienpreise.
SPD-Chef Lars Klingbeil setzte sich ebenfalls für höhere Freibeträge beim Vererben von Immobilien ein, aber auch für eine höhere Belastung großer Erbschaften. Viele Reiche würden gerne abgeben, meinte er. „Und wenn wir garantieren, dass wir das Geld beispielsweise eins zu eins in die Bildung stecken, dann ist das ein kleiner Schritt, wenn man Millionen Erbschaften ein bisschen höher besteuert.“ Die AfD wirbt für eine komplette Abschaffung der Erbschaftssteuer. Linken-Chefin Janine Wissler dagegen spricht sich für eine Umverteilung zugunsten von Menschen aus, die gar nichts erben. Erben sei aktuell eine „Spermienlotterie“, denn niemand könne ändern, in welche Familie er hineingeboren werde.
Neben der Diskussion um die Erbschaftsteuer gibt es eine weitere um die Vermögenssteuer, die vor rund 30 Jahren in Deutschland abgeschafft wurde. Teile von SPD, Grünen und auch das Bündnis Sahra Wagenknecht will sie wieder einführen. Im letzten Jahr der bisherigen Vermögensteuer, 1996, kassierte der Staat auf heutige Kaufkraft umgerechnet rund 7,66 Milliarden Euro. Wie viel es heute wären, lässt sich nur schätzen. Anhand historischer Daten ist davon auszugehen, dass eine Vermögensteuer von einem Prozent zwischen 0,2 und 0,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts einspielen würde. Davon geht etwa das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) aus. Das wären nach dem BIP von 2023 zwischen 8,2 und 20,6 Milliarden Euro.