Schmetterlinge im Bauch: „Berlin“, das Spin-off zum Netflix-Erfolg „Haus des Geldes“, erzählt viel von der Liebe

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Wenn der Gefühlshaushalt durcheinandergerät, hilft auch die beste Vorbereitung auf den Raubzug nicht: Andrés de Fonollosa (Pedro Alonso), genannt „Berlin“ bereitet seine Band auf den Einbruch vor. © TAMARA ARRANZ/NETFLIX

Netflix' neues Spin-off „Berlin“ markiert den Versuch, auf den Erfolg von „Haus des Geldes“ aufzubauen. Die Reaktionen sind aber gemischt. Der Grund: der Beziehungsstatus der acht Folgen ist kompliziert.

Bereits der Blick auf die Titel der Episoden hätte die Alarmglocken so sehr schrillen lassen müssen, wie wenn sich in „Haus des Geldes“ ein Unbefugter der Kommandozentrale des Professors näherte: Die Folgen von „Berlin“, dem aktuellen Spin-off zu jener international erfolgreichen Netflix-Serie, tragen Namen wie „Die Energie der Liebe“, „Die Embryo-Pokerkarte“, „After Love“, „Die Nacht der Zitronen“ oder „Die letzte Jungfrau des Westens“. So könnte indes auch die romantische Achterbahnfahrt sonntags um 20.15 Uhr im ZDF oder eine der pubertären Pennäler-Komödien heißen. Es geht hier aber um die von Fans heftig ersehnte und am längsten erwartete neue Produktion des Streamingdienstes.

„Berlin“ erzählt die Geschichte von Andrés de Fonollosa aus „Haus des Geldes“

Seit wenigen Tage sind die acht Kapitel von „Berlin“ freigeschaltet – und die Enttäuschung ist bereits jetzt bei vielen Menschen groß. Die spanische Serie „Haus des Geldes“ (2017-2021) schlug weltweit ein. Mit ihr wurde das „Heist“-Genre – Gaunergeschichten blicken auf eine lange Tradition in Kino und Fernsehen zurück – neu definiert: mit einem verzwickten Drehbuch, hohem Erzähltempo, einer spannenden Dramaturgie und einer präzisen sowie emotionalen Figurenzeichnung.

„Berlin“ trägt den Tarnnamen von Andrés de Fonollosa und erzählt dessen Vorgeschichte. Der Charakter, gespielt von Pedro Alonso, ist der Bruder des Professors und leitet in „Haus des Geldes“ den Überfall im Gebäude der spanischen Banknotendruckerei. Am Ende der zweiten Staffel opfert sich der Schwerkranke für den Erfolg der Truppe und taucht fortan lediglich in Rückblenden auf. Man kann darüber trefflich streiten, ob Berlin tatsächlich der beste der von Álex Pina erdachten Charaktere für ein Spin-off ist. Spannend hätte es allemal werden können, weil diese Figur bereits in der Originalserie seine dunkle Seite mitunter nur schwer kaschieren kann.

Szene aus dem „Haus des Geldes“-Spin-off „Berlin“
Ganz Paris träumt von der Liebe: Andrés de Fonollosa (Pedro Alonso) lässt sich nur allzu gerne von Camille (Samantha Siqueiros) ablenken. © TAMARA ARRANZ/NETFLIX

In „Berlin“, dessen Geschichte Pina mit Esther Martínez Lobato ersonnen hat, treffen wir de Fonollosa nun vor den Madrider Ereignissen in Paris, wo er mit seiner Bande Juwelen im Wert von 44 Millionen Euro aus dem Tresor eines Auktionshauses stehlen möchte.

Noch ist unklar, ob Netflix eine zweite Staffel von „Berlin“ in Auftrag gibt

Natürlich werden hier Motive und Momente aus „Haus des Geldes“ variiert: Wie kommt die Truppe rein, wie wieder raus aus dem hochgesicherten Gebäude? Was braucht es, damit der Plan funktioniert? Das hätte ein unterhaltsamer Krimi werden können. Doch leider funkt nicht nur bei Andrés de Fonollosa die Liebe dazwischen. Die Macher haben in den Bäuchen aller (wirklich: aller) wichtigen Figuren Schmetterlinge freigelassen – und das tut den zwischen 40 und 60 Minuten langen Filmen gar nicht gut. Der Plan, der Raub – all das rückt in den Hintergrund, um Platz zu machen für Ringelpiez mit Anfassen unter den Räuberinnen und Räubern. Oder zumindest für ihren Wunsch danach. Oder dafür, warum er oder sie nicht bereit dafür ist. Oder noch nicht. Beziehungsstatus: Es ist kompliziert.

So viel Liebe in der Stadt der Liebe ermüdet indes – und macht „Berlin“ zur Mogelpackung. Dagegen helfen weder das starke Ensemble mit frischen Gesichtern noch die schönen Kulissen oder die erlesene Ausstattung. Der Gefühlshaushalt der Serie ist aus den Fugen – ein Blick auf die Unterhose von Bruce (Joel Sánchez) bestätigt es: Die ist vom (fiktiven) Hersteller „Lobo“, was im Spanischen „Wolf“ bedeutet. Diesen erweckt der Gutgebaute in der von Michelle Jenner herrlich gespielten Keila. Das Wort erinnert aber auch an die Lobotomie – und dabei geht nun mal ein Teil des Hirns flöten.

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