Pferde-Närrin und psychisch labil: Das ist über Tatverdächtige im Fall Fabian bekannt

  • Im Video oben: Frau im Mordfall Fabian festgenommen

Ein Dorf, zwei Straßen: Der winzige Ort Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern war im Aufruhr, als am Donnerstag Dutzende Polizisten anrückten und zwei Häuser in ihrer Nachbarschaft durchsuchten. Die Ermittler verdächtigen Gina H., Fabian (8) ermordet zu haben. Im Ort erhärtet sich damit eine Vermutung, die bereits seit Wochen die Runde macht. „Jeder kann an fünf Fingern abzählen, was passiert ist“, sagt ein Anwohner am Freitagvormittag zu FOCUS online.

Er wundert sich, dass der Einsatz erst jetzt, Wochen nach dem Leichenfund am 14. Oktober, erfolgte. „Das hätte schon eher passieren können, müssen“, sagt der Anwohner. Denn die dunkle Vorgeschichte zu der Tat ist in Reimershagen längst bekannt. FOCUS online sprach mit einigen Anwohnern und Bekannten der Tatverdächtigen. Zusammen mit den bekannten Fakten und Recherchen im Internet ergibt sich ein Bild. Klar ist aber auch: Für Gina H. gilt die Unschuldsvermutung bis zu einer eventuell folgenden rechtskräftigen Verurteilung.

Mordfall Fabian: Nachbarn hatten früh Verdacht

Stutzig wurden die Nachbarn schon, als sie hörten, dass Gina H. den toten Jungen wenige Tage nach seinem Verschwinden an einem Tümpel bei Klein Upahl gefunden habe. Der Ort liegt rund 13 Kilometer von Reimershagen entfernt. „Da rennt kein Mensch einfach so lang. Gina geht überall lang, aber nicht da“, sagt ein Nachbar, der sie bereits seit mehreren Jahren kennt. Zudem habe er sie am Wochenende der Tat nicht im Dorf gesehen, ein Freund habe sich in der Zeit um ihre Pferde gekümmert.

Bekannt war außerdem, dass Fabian der Sohn von Ginas Ex-Freund ist. Der Vater soll sein Kind an Besuchswochenenden oft mitgebracht haben – Gina hat selbst ein Kind in dem Alter von Fabian. Nach Informationen von FOCUS online hat ihn das Jugendamt nach der Festnahme in Obhut genommen.

Anwohner sahen die beiden – Fabian und Gina H.s Sohn - oft zusammen spielen. „Er war oft hier“, heißt es in Reimershagen übereinstimmend. Umso bedrückender ist jetzt die Stimmung, da der Verdacht sich durch die Verhaftung erhärtet. Allein beim Gedanken daran schießen selbst gestandenen Männern die Tränen in die Augen. Vorverurteilen wollte man sie ja auch nicht. „Sie ist frei rumgelaufen und war Zeugin – ich möchte keinem was unterstellen“, sagt ein Anwohner.

Zwei weitere Teile des Puzzles sind der Bruch zwischen Gina und Fabians Vater und die psychische Verfassung der Endzwanzigerin. Rund vier Jahre waren die beiden zusammen. Über den Vater Fabians, Matthias R., sprechen die Reimershagener voller Hochachtung. „Ein richtig cooler Typ, sehr fleißig. Er war Tag und Nacht hier, hat die Ställe gebaut“, sagt ein Anwohner, ein anderer bestätigt: „Der hat hier geschafft wie ein Berserker.“

Doch immer wieder sollen sich er und Gina H. gestritten haben. „Sie hatte öfter Ausraster und ihn beschimpft. Wir haben alle gesagt: 'Was lässt der sich das gefallen?'“, sagt ein Nachbar. Im Spätsommer zog R. dann offenbar doch die Reißleine: „Von einem Tag auf den anderen hat er seine Traktoren mitgenommen.“

Gina H. hatte wohl psychische Probleme

Für Gina, die nach schwieriger Kindheit bei den Großeltern in Reimershagen aufwuchs und dort noch immer lebte, war das offenbar ein herber Rückschlag. Im Vorjahr hatte sie ihren Vater verloren. Nachbarn berichten übereinstimmend von psychischen Notlagen nach der Trennung. „Nun stehe ich wieder alleine da und habe alles verloren. Erst meine geliebte Tiffy (ihr Pferd, Anm. der Redaktion), dann meinen Papa und jetzt noch meinen einzigen Anker, den ich hatte“, schrieb sie selbst auf Instagram. In diesem Zuge offenbarte sie, auch durch bizarre Fotos von Wunden an Armen, eine psychische Vorbelastung und emotionale Instabilität. Gina H. soll allgemein sehr freizügig Einblicke in ihr Leben gegeben haben, inzwischen ist ihr Instagram-Account nicht mehr öffentlich.

Zur beruflichen Situation gibt es widersprüchliche Angaben. Die "Bild" berichtet, Gina H. sei Vertriebspartnerin bei einem Unternehmen für Medizintechnik für Pferde – ihrer großen Leidenschaft. Sie kümmerte sich um mehrere Tiere auf einer Koppel gleich gegenüber dem Wohnhaus der Großeltern und startete bei Reitturnieren in der Region. Mehrere Anwohner berichten wiederum, sie habe wegen ihrer psychischen Erkrankung bereits Erwerbsminderungsrente bezogen.

Im September versuchte sie wohl außerdem, einen Wallach zu verkaufen. „Er muss dringend gefördert werden und braucht eine Aufgabe, die ich ihm momentan nicht geben kann“, schrieb Gina H. in einem Kleinanzeigen-Portal.

Enge Beziehungen pflegte sie zu ihren Nachbarn offenbar nicht, grüßte aber stets. Ein Anwohner, dessen Grundstück am Donnerstag ebenfalls durchsucht wurde, soll ihr nach der Trennung mit den Pferden geholfen haben.

Sie steht im Fall Fabian unter Tatverdacht - Gina H. mit ihren Pferden privat

Gina H. über Fabian: "War seine Ziehmama"

Die "Bild" sprach außerdem im Oktober mit Familienmitgliedern und Gina H. selbst. „Gina hat bis heute noch nicht darüber gesprochen“, sagte ihre Großmutter dem Blatt: Sie hat nur gesagt, dass Fabian etwas ganz Schlimmes, Fürchterliches passiert ist. Sie hat gesagt: ‚Oma, wenn du das wüsstest. Ich kann dir das alles gar nicht schildern. Das ist sowas Schlimmes, sowas hast du in deinem Leben auch nicht erlebt.‘“

Gina H. wird mit der Aussage zitiert: „Fabian war wie ein eigenes Kind für mich. Ich war vier Jahre lang seine Ziehmama sozusagen. Ich habe ihn geliebt wie mein eigenes Kind. Dieses Bild, wie er da lag, werde ich nie mehr los. Er sah schlimm aus.“ Sie habe mit der Polizei kooperiert, ihr Auto freiwillig untersuchen lassen und ihr Smartphone übergeben: „Das würde ich wohl nicht machen, wenn ich etwas damit zu tun hätte.“

Warum war Gina H. in Klein Upahl?

Bekannt ist inzwischen, dass Fabians Leiche Brandspuren aufgewiesen hat. „Da kriegt man Gänsehaut“, sagt ein Nachbar. Noch immer ist der genaue Tathergang nicht bekannt – ebenso wenig, was Gina H. bei ihrem Spaziergang bei Klein Upahl tat, bei dem sie die Leiche gefunden haben will.

Obwohl sich die Indizien zu verdichten scheinen, halten einige Nachbarn an der Unschuldsvermutung fest. „Noch ist nicht bewiesen, wer der Täter ist“, betont einer. „Es würde mich für die Großmutter und das Kind freuen, wenn sie es nicht war“, sagt Nachbarin Dagmar A. Sie habe immer einen guten Eindruck von Gina H. gehabt, beschreibt sie als „feine Lady“, die sich gerne „extra aufgehübscht“ habe. Andere Anwohner sind angesichts der Indizien skeptischer: „So viele Zufälle kann es nicht geben.“ So manchen beschleicht außerdem noch weiteres Unbehagen. „Das war sie nicht alleine, sie muss jemanden dabei gehabt haben“, so die Vermutung.

An einem kleinen Tümpel bei Klein Upahl wurde der Leichnam von Fabian entdeckt
An einem kleinen Tümpel bei Klein Upahl wurde der Leichnam von Fabian entdeckt picture alliance/dpa | Bernd Wüstneck

Sie leiden an Suizidgedanken? Eine Anlaufstelle für alle Menschen in psychischer Not ist die Telefonseelsorge mit den deutschlandweiten Telefonnummern 08001110-111 oder -222.

Wenn Sie sich Hilfe suchen möchten und nach einem ambulanten Therapieplatz suchen, können Sie bei der 116117 anrufen. Dort werden Ihnen Anspechpartner und Termine vermittelt. 

Die Internetplattform „Freunde fürs Leben“ gibt Hilfestellung bei drohendem Suizid. Die AGUS ist eine bundesweite Selbsthilfeorganisation für Trauernde, die einen nahestehenden Menschen durch Suizid verloren haben. Weitere Informationen finden Sie auch bei der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention. Ein Verzeichnis von Beratungsstellen finden Sie hier: Suizidprophylaxe.de.