USA führt neue Hinrichtungsform ein – Anwälte des ersten Todeskandidaten ziehen vor Obersten Gerichtshof
Erstmals seit 40 Jahren soll in den USA eine neue Hinrichtungsmethode zum Einsatz kommen. Der Tod durch Stickstoff ist unerprobt und umstritten. Anwälte wenden sich nun an den Obersten Gerichtshof.
Washington, D.C. – Am Donnerstag (25. Januar) soll Kenneth Eugene Smith im US-Bundesstaat Alabama hingerichtet werden. Erstmals soll dabei eine neue Methode zum Einsatz kommen: Über eine Gesichtsmaske soll dem Mann Stickstoff zugeführt werden, der Tod durch Ersticken eintreten. Laut den Anwälten des Mannes gibt es zu viele offene Fragen, sie wandten sich nun an den Supreme Court, den Obersten Gerichtshof der USA. Das geht aus Dokumenten hervor, die der Supreme Court am Freitag veröffentlichte.
Umstrittene Hinrichtung mit Stickstoff in den USA geplant: Viele Fragen offen
Die offenen Fragen der Anwälte drehen sich um die Stickstoffhypoxie, eine „Hinrichtungsmethode, die noch nie von einem Staat oder der Bundesregierung getestet wurde“, hieß es in dem Gesuch der Anwälte. Der Richter Austin Huffaker hatte am 10. Januar eine Entscheidung für Stickstoff als neue Hinrichtungsmethode getroffen. Die Anwälte Smiths hätten nicht zeigen können, dass die Erstickung durch Stickstoff eine „graumsame und ungewöhnliche“ Strafe darstelle, hieß es unter anderem in der Begründung. Zum ersten Mal seit über 40 Jahren wurde damit der Weg für eine neue Hinrichtungsart in den USA frei.
Dem Todeskandidaten wird dabei der reine Stickstoff per Maske über Mund und Nase zugeführt, wodurch der Tod durch Sauerstoffmangel eintritt. Das Gas werde entweder 15 Minuten lang verabreicht oder bis fünf Minuten, nachdem der Herzstillstand festgestellt wurde – je nachdem, was länger dauere, hieß es in dem geplanten Prozedere. Innerhalb von Sekunden solle der Sauerstoffentzug zur Bewusstlosigkeit und innerhalb von Minuten zum Tod führen, glaubt der Generalstaatsanwalt von Alabama, Steve Marshall.
Zweiter Hinrichtungsversuch an Todeskandidaten – Anwälte wenden sich in Gesuch an Gerichtshof
Smiths Anwälte sehen indes zahlreiche Probleme mit der unerprobten Methode. In ihrem Gesuch an das höchste Gericht der USA argumentieren sie auch mit dem achten Zusatzartikel der US-Verfassung, der „grausame und ungewöhnliche Strafen“ verbietet. Ihrer Meinung nach könnte die Maske nicht luftdicht sein und so den Todeskampf verlängern. Das Gas könnte außerdem Übelkeit auslösen, wodurch der Todeskandidat an seinem Erbrochenen ersticken könnte. Zudem könne der Mandant mit der Maske nicht beten oder seine letzten Worte sprechen. Letzteres soll Smith nun offenbar möglich sein: Eine Änderung sieht vor, dass der spirituelle Beistand hinzugezogen wird, bevor dem Mann die Maske aufgesetzt wird.
Die Petition der Anwälte Smiths wirft auch wichtige Fragen hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit auf. Bereits am 17. November 2022 hatte es einen Versuch gegeben, Smith mit einer Giftspritze hinzurichten, dieser war aber gescheitert. Damals gab es Probleme, die Infusion in Smiths Vene einzuführen. Insgesamt habe der Mann mehrere Stunden lang auf einer Trage festgeschnallt ausgeharrt, in Unwissenheit, ob die Hinrichtung stattfinden würde oder nicht. Laut Gefängnisärzten zeigte Smith daraufhin Symptome eines schweren Traumas, etwa Angstzustände und Depressionen. Geprüft werden soll laut Smiths Anwälten vom Obersten Gericht daher, ob ein zweiter Hinrichtungsversuch zulässig ist, da der erste bereits scheiterte. Ob sich der Supreme Court der Sache annimmt, ist völlig unklar. Smith war wegen des Auftragsmordes an Elizabeth Sennett 1988 zum Tode verurteilt worden.
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UN-Menschenrechtsbüro schaltet sich ein: Methode sonst nur bei Tieren in Anwendung
In den Fall schaltete sich nun auch das UN-Menschenrechtsbüro ein. Wie die Sprecherin der UN-Kommissarin für Menschenrechte Ravina Shamdasani in einer Mitteilung vom Dienstag mitteilen ließ, sei bislang kein solcher Fall bekannt. Die Hinrichtungsmethode käme vielmehr bei Tieren zur Anwendung, hieß es. Bei großen Tieren werde laut der Veterinärvereinigung AVMA der USA empfohlen, ein Beruhigungsmittel zu verabreichen, bevor sie mit Stickstoff eingeschläfert werden. Die Erstickung durch Stickstoffgas könne nach internationalem Recht Folter oder anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe gleichkommen, so die Mitteilung weiter.
Es gebe zudem keine wissenschaftlichen Beweise, dass die Inhalation von reinem Stickstoff keine schwerwiegenden Leiden verursache. „Das UN-Menschenrechtsbüro fordert die Behörden des Bundesstaates Alabama auf, die für den 25. bis 26. Januar geplante Hinrichtung von Smith zu stoppen“, so die Forderung. Die Todesstrafe stehe allgemein im Widerspruch zum Grundrecht auf Leben, betonten die Menschenrechtler. „Es gibt keine Beweise dafür, dass es Kriminalität abschreckt, und es birgt ein inakzeptables Risiko für die Hinrichtung unschuldiger Menschen“, so das UN-Menschenrechtsbüro weiter.
Jede Hinrichtung in den USA kostet laut Death Penalty Information Center durchschnittlich 20 Millionen US-Dollar (etwa 18 Millionen Euro). Eine lebenslange Gefängnisstrafe kommt den Staat im Vergleich deutlich günstiger. Im vergangenen Jahr wurden in den USA 24 Menschen hingerichtet. Die Zahl ist rückläufig, es fehlt Fachpersonal für die Durchführung der Injektion, aber auch das Gift für die Spritze. Viele europäische und US-amerikanische Pharmaunternehmen weigern sich, die für die Giftinjektionen benötigten Medikamente herzustellen und zu liefern. Weltweit ist die Zahl der Hinrichtungen indes laut Amnesty International auf dem höchsten Stand seit fünf Jahren.