Esken raus, junge Riege rein: SPD-Chefin überrascht bei Unterzeichnung des Koalitionsvertrags

  1. Startseite
  2. Politik

Kommentare

Rund um die Unterzeichnung des Koalitionsvertrags steht Saskia Esken als große Verliererin da. Doch die Noch-Parteichefin war erstaunlich entspannt.

Berlin – CDU, CSU und SPD haben den vorletzten Schritt zur neuen Regierung gemacht: Die vier Parteichefs haben den Koalitionsvertrag unter dem Motto „Verantwortung für Deutschland“ unterzeichnet. Die fototrächtige Formsache im Berliner Gasometer hatte wegen der kurz zuvor bekannt gewordenen Minister-Liste der SPD einige Brisanz. Denn: Co-Parteichefin Saskia Esken unterschrieb den Vertrag einer Regierung, der sie selbst nicht angehören wird. Esken wollte dem Vernehmen nach gerne Ministerin werden, konnte sich aber nicht gegen ihren Amtskollegen Lars Klingbeil durchsetzen. Umso erstaunlicher, dass Esken alles andere als bedrückt wirkte.

SPD-Chefin Saskia Esken verliert - und steht trotzdem mit einem Lächeln da

Sie lächelte in Kameras, machte Witze und gab sich rund um die Unterzeichnung sehr entspannt. Esken betonte, dass die Zusammenstellung des Kabinetts mit seiner „unterschiedlichen Repräsentanz“, also der Mischung aus Erfahrung und neuen Gesichtern, sie „wirklich freue“. Gute Miene zum bösen Spiel dürften manche denken. Doch Esken wirkte während ihrer Rede, aber auch abseits der TV-Kameras, gelöst und locker. Auch, wenn ihr Ministerambitionen dahin sind. Die Entscheidung ist gefällt, die Anspannung der letzten Wochen dürfte (im Positiven wie im Negativen) von ihr gefallen sein.

Erstaunlich entspannt: SPD-Chefin Saskia Esken kurz nach Bekanntwerden ihrer Nicht-Nominierung als Ministerin beim Unterzeichnen des Koalitionsvertrags.
Erstaunlich entspannt: SPD-Chefin Saskia Esken kurz nach Bekanntwerden ihrer Nicht-Nominierung als Ministerin beim Unterzeichnen des Koalitionsvertrags. © Peter Sieben

Über ihre Person verlor die Parteichefin kein Wort. Stattdessen rückte sie zum Ende der Veranstaltung das Herzensthema der SPD in den Fokus: den Kampf gegen Rechts. Der neuen Regierung komme nach der Einstufung des Verfassungsschutzes der AfD als rechtsextremistisch die Aufgabe zu, „diesem rechten Spuk ein Ende zu setzen“.

Esken von Klingbeil abgesägt?

Schon seit Wochen wurde öffentlich über Eskens Zukunft spekuliert. Neben Olaf Scholz ist besonders Esken das Gesicht des SPD-Niedergangs – obwohl ihr Co-Parteichef Lars Klingbeil qua gleichwertigem Posten den Absturz der ehemaligen Volkspartei genauso zu verantworten hat. Klingbeil hat sich nach innen wie außen jedoch gut aufgestellt, geht nach der Wahlniederlage als starker Mann der deutschen Sozialdemokratie hervor. Esken dagegen geht – wohl eher unfreiwillig – von der Bühne der tonangebenden SPD-Gesichter der nächsten Regierung.

Neuer Newsletter „Unterm Strich“

Was? Exklusive Einblicke in den Politik-Betrieb, Interviews und Analysen – von unseren Experten der Agenda-Redaktion von IPPEN.MEDIA
Wann? Jeden Freitag
Für wen? Alle, die sich für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft interessieren
Wo? Direkt in ihrem E-Mail-Postfach
Wie? Nach einer kurzen Registrierung bei unserem Medien-Login USER.ID hier kostenlos für den Newsletter anmelden

Viele im politischen Berlin betrachten Eskens Nicht-Nominierung als ein Absägen durch Klingbeil. Besonders brisant ist die Entscheidung, weil die nun bekanntgegebenen Ministerinnen und Minister teilweise nicht auf der Hand lagen und parteiintern wohl kaum Ansprüche auf Posten stellen konnten. Esken, die zeitweise für das Bauministerium im Gespräch war und zuletzt für sich als Entwicklungsministerin warb, hat gegen Newcomerinnen wie die 35-jährige Reem Alabali-Radovan (Entwicklung) und die 37-jährige Verena Hubertz (Bau) den Kürzeren gezogen.

Kabinett Merz: Neue Gesichter bei SPD-Ministerposten

Der Verdacht: Klingbeil wollte seine Co-Chefin unbedingt von einer weiteren Entscheidungsposition fernhalten und beförderte dafür neue Gesichter in die Ministerriege. Neben den Emporkömmlingen rund um Alabali-Radovan, Hubertz und die künftige Justizministerin Stefanie Hubig, bisher Bildungsministerin in Rheinland-Pfalz, sind aber auch ein paar bekannte Gesichter dabei.

Der beliebte Boris Pistorius bleibt Verteidigungsminister, die ehemalige Bundestagspräsidentin Bärbel Bas wird Arbeits- und Sozialministerin und der bisherige Ostbeauftragte Carsten Schneider übernimmt das Umweltressort. Klingbeil steht als Finanzminister und Vizekanzler schon länger fest. Damit hat sich der niedersächsische Sozialdemokrat eine pragmatische SPD-Truppe zusammengestellt. Friedrich Merz dürfte das freuen.

Obwohl sie die SPD gemeinsam und auf dem Papier ebenbürtig führen, gilt Lars Klingbeil seit Wochen als starker Mann der Partei – und Saskia Esken als außen vor. Nun ist es offiziell: Esken wird kein Teil der künftigen Bundesregierung sein.
Obwohl sie die SPD gemeinsam und auf dem Papier ebenbürtig führen, gilt Lars Klingbeil seit Wochen als starker Mann der Partei – und Saskia Esken als außen vor. Nun ist es offiziell: Esken wird kein Teil der künftigen Bundesregierung sein. © IMAGO/FRANK TURETZEK

Für Esken bleibt mit Merz Kanzlerwahl und dem Antritt der neuen Bundesregierung formal erstmal alles beim Alten. Sie bleibt Co-Parteichefin, Teil des Kabinetts ist sie nicht. Doch schon seit Wochen gilt es als offenes Geheimnis, dass Klingbeil Esken nicht nur aus der Regierung, sondern auch aus der Parteispitze haben will. Beim SPD-Parteitag im Juni kann ein neuer Bundesvorstand gewählt werden, Bärbel Bas gilt als aussichtsreiche Kandidatin. Eskens Rückhalt in der Partei war schon mal größer.

Auch interessant

Kommentare