Sommerferien zu lang für heutige Eltern? „Da geht mir echt der Hut hoch“

  1. Startseite
  2. Deutschland

Kommentare

Ein Facebook-Post zeigt: Berufstätige Eltern stoßen während der Sommerpause an ihre Grenzen bei der Kinderbetreuung. Sollten die Ferien verkürzt werden?

München – Der letzte Schultag ist da, die Kinder sind aus dem Häuschen – sechs Wochen Freiheit. Für berufstätige Eltern jedoch beginnt jetzt das große Organisieren: „Wie machen wir das bloß mit den Sommerferien?“ Plötzlich prallen Wunsch und Wirklichkeit aufeinander. Während die einen den Kinderschwarm beneiden, müssen andere jonglieren, planen, improvisieren – und manchmal einfach nur schlucken. Die Diskussion flammt regelmäßig wieder auf und füllt soziale Medien mit hitzigen Kommentaren: Sind unsere Sommerferien noch zeitgemäß?

Das Grundproblem – Lange Ferienzeiten treffen auf nur 30 Tage Urlaubsanspruch

Für viele Kinder sind die Sommerferien das Paradies, für Eltern hingegen eine knifflige Rechenaufgabe – mit oft viel zu wenig Tagen auf der Habenseite. Denn während Schüler bundesweit 75 bis 85 Ferientage im Jahr haben, stehen Eltern im Schnitt 30 Urlaubstage zur Verfügung.

Auf Facebook fragt die Augsburger Allgemeine bei Eltern nach: Wie händeln sie die Kinderbetreuung? Eine Mutter bringt es auf den Punkt: „Für 24/7 Alleinerziehende PLUS keine Verwandtschaft da: alleine zu Hause lassen! Die Dauer der Ferien hat schon lange nichts mehr mit der Realität von berufstätigen Eltern gemeinsam“. Andere berichten, sie müssten Homeoffice, Überstundenabbau und die Unterstützung von Großeltern kombinieren, um überhaupt über die Runden zu kommen. Wer darauf nicht zurückgreifen kann, steht vor einem Problem.

„Früher ging’s doch auch!“ – Stimmen der Gelassenheit

Natürlich gibt es auch jene, die auf die „gute alte Zeit“ pochen: „Warum macht man sich da jetzt Gedanken, früher war das auch so und da sind keine Diskussionen gewesen“, kommentiert ein Nutzer. Andere greifen die heutige Elterngeneration mit noch schärferen Tönen an: „Da geht mir echt der Hut hoch bei solchen Diskussionen. Fragt mal die, die es bis jetzt geschafft haben, das zu managen! Die jetzige Generation ist nicht mehr fähig, sogar überfordert, wenn sie ihre Kinder länger wie ein Wochenende betreuen müssen.“

Doch dieser Blickwinkel blendet gerne aus, dass sich die Lebens- und Arbeitswirklichkeit in den letzten Jahrzehnten drastisch gewandelt hat. Großeltern sind heute teilweise selbst noch berufstätig, wohnen oft nicht mehr um die Ecke. Flexible Arbeitsmodelle und Teilzeitstellen gibt es längst nicht für jeden. Doch kann man Sommerferien einfach so kürzen und ein Jahrhunderte altes Modell umstürzen?

Ein Blick in die Geschichte: Warum sind Sommerferien so lang?

Die historischen Wurzeln der Sommerferien liegen laut br.de weit zurück. Bereits vor 200 Jahren hatten Schulkinder Ferien, die sich stark an religiösen Feiertagen und an den Erfordernissen der Landwirtschaft orientierten. Kinder mussten ihren Eltern oft während der Erntezeit helfen, weswegen zusätzliche freie Tage im Sommer oder Herbst beschlossen wurden. Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts werden die Ferien von den Bundesländern gestaffelt, um Verkehrsstaus und Engpässe in Urlaubsregionen zu vermeiden.

Ferien geschrieben auf einer Tafel
Die Sommerferien sind für Eltern eine logistische Herausforderung. © Hanno Bode/IMAGO

Auch aus gesundheitlicher Rücksicht auf die Schüler begann man, Schulferien auszudehnen und bestimmte Zeiträume zu bündeln. Schüler stünden während des Schuljahres unter großem Leistungs- und Termindruck. Eine längere Auszeit sei wichtig, um abzuschalten, Stress abzubauen und neue Energie zu tanken, betont die Erziehungswissenschaftlerin Daniela Albert auf family.de. Kinder könnten nur dann nachhaltig lernen, wenn sie ausreichend Erholungsphasen haben – zu kurze Ferien könnten zu Überlastung und Motivationsproblemen führen. Ferien böten zudem Freiräume für Selbstbestimmung, soziale Erfahrungen, Reisen und eigene Projekte.

Sozialverband Deutschland kann Kritik der Eltern nachvollziehen

Unter dem Facebook-Post der Augsburger Allgemeinen fordern viele Eltern konkrete Verbesserungen. Summer Camps wie in anderen Ländern, in denen die Kinder den Großteil der Ferien verbringen können, werden als Lösung genannt. In den USA dauern diese Feriencamps zwei bis acht Wochen, in denen Kindern laut americamp.co.uk eine breite Palette an Aktivitäten offensteht. Die Camps werden meist von gemeinnützigen Organisationen (wie YMCA), privaten Trägern oder Schulen veranstaltet. Ähnliche Programme gibt es zwar auch in Deutschland. Doch hier fehlt laut Facebook-Kommentare diese feste kulturelle Erwartung, das Ferienlager als Standardbetreuung während der Ferien zu nutzen.  Anders als in den USA können hierzulande Summer Camps oft auch nicht steuerlich abgesetzt werden.

Auch über kostenfreie und wohnortnahe Ferienbetreuung wird auf Facebook diskutiert. Schließlich werde „für jeden, der ins Land kommt, (…) (der) Kindergarten bezahlt – aber für unsere Leute gibt’s nichts. „Es braucht einen Rechtsanspruch auf Ferienbetreuung, familienfreundliche Arbeitszeiten und mehr Ganztagsangebote. Politik und Kommunen müssen jetzt handeln“, heißt es in einer Pressemeldung des Sozialverbands Deutschland. Doch auch die Politik ist aktuell in der (langen) Sommerpause. (jaka)

Auch interessant

Kommentare