CDU-Chef ist Kanzlerkandidat - Die Kanzler-Regeln: Will Merz wirklich an die Macht, muss er diese 5 Punkte beachten

Der Ort der Veranstaltung ist die erste Botschaft: Nicht vor der Bundespressekonferenz, sondern in der Bayerischen Landesvertretung, da, wo Markus Söder in Berlin das Hausrecht hat, gibt er am Dienstagmittag den Weg frei für den neben ihm stehenden Friedrich Merz als Kanzlerkandidat der Union: „Die K-Frage ist entschieden, Friedrich Merz macht’s, ich bin damit fein.“

Und Merz nickt, er und die Union wollen „Verantwortung übernehmen“ als in vielen Teilen Deutschlands „letzte verbliebene Volkspartei der Mitte“, sagt er. Hendrik Wüst, der nordrhein-westfälische Ministerpräsidenten und in Umfragen populäre, aber zugleich unwahrscheinlichste potenzielle Bewerber für das Kanzleramt, war bereits am Vortag zur Seite getreten.

CSU-Chef Söder muss erneut verzichten

Der CSU-Chef musste also erneut verzichten, so wie vor knapp vier Jahren gegen Armin Laschet, aber diesmal wollte er protokollarisch deutlich machen, dass der CDU-Vorsitzende die Salbung gewissermaßen von ihm erhält. Oder doch zumindest auf bajuwarischem Territorium in der deutschen Hauptstadt – ein CDU-Kandidat von CSU-Gnaden.

Friedrich Merz, 68, muss noch von den Parteigremien und -tagen der Union bestätigt werden, beginnend mit den Präsidien von CDU und CSU am Montag. Aber ab sofort ist er der Bannerträger einer von der Bevölkerungsmehrheit erhofften Wende im kriselnden Ampelland.

Deutsche Wirtschaft in der Krise

Ganze Wirtschaftsbranchen in der Krise, von Auto über Chemie bis Bau, die Bürokratie des allgegenwärtigen Staates weitet sich trotz gegenteiliger Versprechen aus, die Energie zu teuer, die Abgaben zu hoch, die innere Sicherheit bröselt wie Brücken über der Elbe, die Bundeswehr darbt, die Schulbildung ist miserabel, die Infrastruktur zerfällt, die Bahn hat ihre Fahrpläne eingetauscht gegen grobe Schätzwerte.

Merz, der ernste, mitunter stocksteife, Sauerländer, ist jetzt der Kandidat, der das aus Unions-Sicht nun richten soll. Worauf muss Merz jetzt achten?

Erstens: Wenig spricht dafür, dass Merz nicht Kanzler wird

Jetzt, wo Merz sich entschlossen hat, Kanzlerkandidat zu werden, und Söder wie zuvor schon NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst den Weg freigegeben haben, ist kaum zu erwarten, dass er nicht auch Kanzler wird. Die Union ging kurz nach der Bundestagswahl 2021 in nahezu allen Umfragen in Führung und hat ihren Vorsprung vor der zweitplatzierten AfD seit dem Merz-Klartext in der Migrationspolitik gar ausgebaut.

Theoretische Disruptionen gibt es immer, von einer gesundheitlichen Krise über den plötzlich enthüllten Riesenskandal bis zur höheren Gewalt ist alles denkbar – aber das gilt nicht nur für Merz, sondern für jeden anderen ebenso, der gern antreten würde oder, wie Olaf Scholz, sein Amt verteidigen möchte. Und zwar hatten auch 2021 die wenigsten auf Scholz gesetzt (während der Sozialdemokrat selbst die ganze Zeit optimistisch war und sich gute Chancen ausrechnete), doch das Amt hat ihn seitdem entzaubert, die Menschen trauen Scholz derzeit nicht mehr die Rettung zu.

Zweitens: Der Sieg muss klarer ausfallen, als es die aktuellen Umfragen signalisieren

Zwar hat die Union seit Solingen stärker zugelegt als die AfD – zweifellos wegen der wiederholten Forderung von Merz nach einer signifikanten Reduzierung der Zuwanderung. Aber mit den 33 (laut INSA) bzw. 34 Prozent (laut GMS), die CDU/CSU in den jüngsten Umfragen zugemessen werden, bliebe der Union keine andere politisch durchsetzbare Option als eine Koalition mit der SPD.

Eine Koalition mit der AfD hat die Union dezidiert ausgeschlossen, für das BSW gilt das auf Bundesebene ebenfalls und mit den Grünen würde es nicht reichen. Zwar ist eine Koalition mit den Sozialdemokraten ohnehin die wahrscheinlichste Lösung, aber die Druckmittel der Union in den Koalitionsverhandlungen wären gering, wenn es keine rechnerische Alternative zu Schwarz-Rot geben sollte. Darum wird die Union bestrebt sein müssen, ihr Ergebnis noch um einige Punkte höher ausfallen zu lassen – und darf eine Koalition mit den Grünen nicht vorab kategorisch ausschließen.

Drittens: Merz muss seine Kernkompetenzen in den Vordergrund stellen, nämlich Wirtschaft und Migration

Hier werden nach allen Umfragen die Wahlen entschieden. In einer INSA-Umfrage für „Bild“ liegt der Unions-Kandidat auf diesen Feldern gegenüber dem SPD-Kanzler mit 41 zu 20 beziehungsweise 40 zu 19 Prozent klar vorne. Auf beiden Feldern muss Merz sich (und die Union) weiterhin auch von Angela Merkel absetzen – in der Wirtschaft, weil die Kanzlerin vage Ideen von einer grünen Transformation ohne solide Überprüfung der Auswirkungen auf Jobs und Wohlstand verfolgte.

In der Energiefrage, weil sie Deutschland abhängig machte von Gas aus Russland und dann aus Kohle und Atomkraft zur selben Zeit aussteigen wollte. Und in der Migration, nicht etwa, weil sie in einer sehr konkreten Situation 2015 syrische Flüchtlinge aus Ungarn einreisen ließ, sondern weil sie eine einmalige humanitäre Geste zur Wir-schaffen-das-Normalität für illegale Einreisen verstetigte. Merz kann die Abkehr von diesen politischen Irrwegen als einziger Spitzenpolitiker der Union glaubwürdig tun, weil er 2002 den Machtkampf gegen Merkel verloren hatte und dann während ihrer gesamten Kanzlerschaft außerhalb des Bundestags geblieben war.

Viertens: Merz muss Merz sein – und darf sich nicht maskieren

Der gelernte Jurist, der in der freien Wirtschaft als Deutschland-Aufsichtsratschef des US-Vermögensverwalters Blackrock selbst vermögend wurde, sollte mit seinen Erfolgen außerhalb der Politik nicht verdruckst umgehen, weil ihm der eine oder andere seinen Reichtum neiden könnte. Im Gegenteil: Wer auf ehrlichem Weg durch seine harte Arbeit zum Millionär wurde, wird selbst von den tendenziell neidischen Deutschen eher bewundert als abgelehnt.

Nach dem Muster: „Nein, ich bin nicht von Politik abhängig. Denn, ja, ich habe viel Geld auf dem Bankkonto, ja ich habe ein Privatflugzeug – und obwohl ich längst das Leben genießen könnte, steige ich in den Ring, um nicht nur Kanzler zu werden, sondern als Kanzler Deutschland wieder auf die Erfolgsspur zu bringen!“

Fünftens: Merz muss nicht so unterhaltsam wie Söder werden und nicht so freundlich lächeln wie Wüst

Natürlich soll er sich bemühen um die Milieus, in denen er derzeit schwächer abschneidet, etwa bei Frauen. Aber in Deutschlands tiefster Krise seit 1949 werden die Wähler letztlich nach anderen Kriterien entscheiden, vor allem nach dem Kriterium der zugemessenen Kompetenz. Der Ausdauersportler Merz hat Hartnäckigkeit bewiesen, auch nach Merkels Rücktritt vom Parteivorsitz 2018, als er drei Anläufe unternahm, um diesen Posten zu übernehmen.

Diese Beharrlichkeit muss Friedrich Merz an den Tag legen, wenn er Regierungschef werden will.