Dieser Mann will Energiekosten komplett abschaffen – doch in Deutschland hakt es an einer Stelle
Ein Leben ohne Sorge um die Energiekosten: Das verspricht Greg Jackson mit seiner Firma. Millionen Menschen hat der CEO für seine Ideen begeistern können – in Deutschland hakt es aber an einer entscheidenden Stelle.
London – Ein Leben ohne Energiekosten? Nach Ansicht von Greg Jackson, dem Gründer und CEO des größten Energieanbieters in Großbritannien, ist das möglich. Mit seiner Firma Octopus Energy will er auch in Deutschland groß werden, doch es hakt an der Digitalisierung.
Im Interview mit IPPEN.MEDIA erzählt Jackson von seiner Idee des „Null-Rechnungen-Hauses“, von den Wärmepumpen, die er zu erstaunlich niedrigen Preisen verkauft und von dem Potenzial erneuerbarer Energien auch für die Industrie.
Wärmepumpen oder Wasserstoff fürs Heizen? „Das ist verrückt“
Greg Jackson, mit Octopus Energy sind Sie heute der größte Energieanbieter in Großbritannien, nach gerade mal neun Jahren. Sie gelten als Pionier in der Erneuerbaren-Branche, als lautstarker Verfechter der grünen Transformation. Sie bieten aber auch Gasverträge an. Wie passt das zusammen?
Ja, das ist richtig. In Großbritannien heizen die meisten Menschen mit Gas und da ist es üblich, einen Strom- und Gastarif als ein Paket abzuschließen. Vor ein paar Jahren, als wir noch nicht richtig groß waren, aber gerade im Aufwind, da dämmerte mir genau das - und Gas ist keine saubere Energie. Also war ich kurz davor zu sagen: Wir sollten aufhören, Gas zu verkaufen! Aber wenn wir aufhören, Gas zu verkaufen, wird es halt jemand anderes verkaufen. Es macht überhaupt keinen Unterschied. Wenn wir also wirklich etwas verändern wollen, müssen wir herausfinden, wie wir ganz vom Gas wegkommen. Also habe ich recherchiert und habe Wärmepumpen mit Wasserstoff verglichen, das waren die beiden Optionen für das Heizen der Zukunft, die sich mir präsentierten. Und naja, wir müssen da jetzt nicht ins Detail gehen, aber es genügt zu sagen, dass gemäß den Gesetzen der Physik und der Wirtschaft wir unsere Häuser nicht mit Wasserstoff heizen werden. Das ist verrückt.
Also haben Sie sich für Wärmepumpen entschieden.
Genau, ich hab dann gelernt, dass Wärmepumpen definitiv die Zukunft sind. Aber Wärmepumpen waren zu teuer, um mit ruhigem Gewissen jedem Haushalt das empfehlen zu können. Also schauten wir uns die Kosten an, die auf drei Ebenen anfallen: die Kosten für die Hardware, die Installationskosten und die Betriebskosten. In Großbritannien kostet ein Gasheizkessel vielleicht 3.000 Pfund (ca. 3.600 Euro). Und damals kostete eine Wärmepumpe möglicherweise 15.000 Pfund (ca. 18.000 Euro), und die Betriebskosten einer Wärmepumpe waren auch höher als Gas. So wird sich keiner für eine Wärmepumpe entscheiden, also müssen die Kosten runter.
Eine Wärmepumpe für 13.000 Euro: Soll 2025 auch nach Deutschland kommen
Seit zwei Jahren bieten Sie jetzt eine eigene Wärmepumpe an, die aktuell etwa 11.000 Pfund (ca. 13.200 Euro) kosten. Was haben Sie anders gemacht, als andere Anbieter?
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Wir begannen damit, verschiedene Wärmepumpen von verschiedenen Herstellern zu zerlegen, jedes Teil zu wiegen und herauszufinden, wie viel Metall darin steckt, was kosten die einzelnen Teile auf dem Markt, immer mit der Frage im Hinterkopf: Wie billig kann man das machen? Und wir fanden heraus, dass allein die Hardware vielleicht 3.500 Pfund (4.200 Euro) kostet. Man könnte das im Laufe der Zeit wahrscheinlich auf 1.000 Pfund (1.200 Euro) reduzieren, indem man hochskaliert.
Bei der Installation stellten wir fest, dass sie oft sehr lange dauerte, weil jeder Auftrag anders war. Das macht die Arbeitskosten sehr teuer. Unsere Überlegung war also: Wenn wir die Installation von Wärmepumpen zunächst auf die gängigsten Haustypen standardisieren könnten, würde das die Arbeitskosten drücken, da die Handwerker schon vorher wissen, worauf sie sich einlassen. Aus diesem Grund bauten wir zwei Häuser in Slough: Eines moderner und eines älter, um die grundlegenden Bedingungen zu simulieren, denen man bei einer Installation begegnet. Diese beiden Häuser repräsentieren etwa 40 Prozent aller Häuser im Vereinigten Königreich. Und daran schulen wir unsere Handwerker und testen die Geräte.

Der dritte Punkt waren die Betriebskosten. Wir haben viel experimentiert, und es stellte sich heraus, dass ein typisches Haus die Wärme für einige Stunden halten kann – selbst ein undichtes Haus im Vereinigten Königreich. Also nutzen wir unsere Technologieplattform, um die Netzpreise vorherzusagen, und heizen das Haus, wenn grüne Energie billig ist, und reduzieren den Stromverbrauch. Statt 200 Pfund (240 Euro) mehr pro Jahr zu zahlen als bei einem Gasheizkessel, sind es nun 300 Pfund (360 Euro) weniger.
Wie viele Wärmepumpen bauen Sie denn jetzt gerade im Jahr ein?
Ich glaube, wir haben unsere erste Wärmepumpe in Großbritannien vor weniger als zwei Jahren installiert. Und jetzt sind wir der größte Installateur von Wärmepumpen im Vereinigten Königreich. Genaue Zahlen kann ich Ihnen nicht sagen. Insgesamt bewegt sich der Markt auf etwa 100.000 Wärmepumpen pro Jahr zu, das sind die offiziellen Zahlen. Unser Ziel ist, 60.000 bis 70.000 pro Jahr einzubauen.
Keine Energiekosten mehr: „Wir garantieren das für zehn Jahre“
Seit 2022 ist Octopus Energy auch in Deutschland als Stromanbieter und Wärmepumpeninstallateur aktiv. Ihre eigenen Wärmepumpen verkaufen Sie bei uns nicht. Wann soll sich das ändern?
Zunächst einmal werden wir es hier wirklich zum Laufen bringen. Das wird noch ein paar Monate dauern. Und dann freue ich mich darauf, sie nach Deutschland zu bringen, wahrscheinlich irgendwann im Jahr 2025. Aber ich kann es nicht mit Sicherheit sagen. Sobald wir ein überzeugendes Angebot haben und es zuverlässig liefern können, kann ich es kaum erwarten, es in Deutschland im großen Maßstab zu tun.
In Deutschland hat Octopus Energy dieses Jahr einen „Zero Bills Home“ (Null-Rechnungen-Haus) gestartet, also ein Zuhause, in dem keine Rechnungen fällig werden. Was hat es damit auf sich?
Das ist mein Lieblingsthema! Das sind von uns zertifizierte Häuser, bei denen wir Brief und Siegel geben, dass man nichts für Strom zahlen muss. Da sind Wärmepumpe und Batterie auf die Solaranlage und das Netz abgestimmt, sodass sie nur Strom zieht, wenn es auch wirklich günstig ist. Das können wir simulieren, indem wir die Millionen von Datenpunkte unserer bestehenden Kunden untersucht haben und ein Modell erstellt haben, wie der Verbrauch optimiert werden muss. Das Modell haben wir Bauunternehmen übergeben, und bisher 1.000 Häuser gebaut, die als „Zero Bills Homes“ zertifiziert sind. 50 Menschen sind bereits eingezogen. Wir garantieren ihnen für 10 Jahre gar keine Energiekosten. Übrigens erwarten wir das für die gesamte Lebensdauer, allerdings müssen die Geräte schon gewartet werden. Aber abgesehen davon, keine Rechnungen. Im Vereinigten Königreich wollen wir bis 2030 auf 100.000 Häuser kommen. Und wir haben das bereits in fünf anderen Ländern eingeführt, darunter Neuseeland, Deutschland und den USA.

Industrie in Europa sollte mehr in die Flexibilisierung ihres Energieverbrauchs investieren
Der Fokus war jetzt bisher auf Privathaushalte, das ist ja auch euer Hauptgeschäft. Aber um den CO₂-Ausstoß zu senken, muss auch die Industrie, die Wirtschaft ins Boot geholt werden. Haben Sie auch Industrietarife?
Ja, wir haben aktuell etwa 150.000 Industriekunden, denen wir ebenfalls einen grünen Tarif anbieten. Auch da nutzen wir unsere Technologie, um deren Bedarfe zu ermitteln. Dann versuchen wir den grünen Strom zu diesen Zeiten zur Verfügung zu stellen. Wir wollen für sie rund um die Uhr grüne Energie bereitstellen. Das Problem ist derzeit die Zeit am Abend. Wir suchen jetzt nach erneuerbaren Quellen, um diese Zeitspanne abzudecken.
In Deutschland wird das auch gerade diskutiert, wie man also die Industrie auf Erneuerbare umstellen kann. Viele Branchen haben Sorge, dass sie ihre Produktion nicht so einfach flexibilisieren können. Was sind da Ihre Erfahrungen aus anderen Ländern?
Ich war kürzlich in Straßburg. Und da ich habe über all diese Dinge gesprochen, und es gab einen großen Applaus, alle liebten es. Aber dann stand jeder Branchenlobbyist auf und sagte, in unserer Branche sei es nicht möglich. Und ich fragte: Ihr fordert hunderte Millionen Euro Subventionen pro Jahr. Wie viel habt ihr denn bisher in Forschung und Entwicklung investiert, um herauszufinden, wie ihr elektrifizieren könnt? Ich vergleiche das mit China, wo jedes Unternehmen, mit dem ich gesprochen habe, zwischen sieben und elf Prozent ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung investiert. Es war erstaunlich, wie viel Flexibilität die Industrie während der Gaskrise im Vereinigten Königreich fand. Sie entdeckten plötzlich, dass sie 15 bis 25 Prozent ihrer Energie einsparen konnten, während sie die Produktion aufrechterhielten.
Großbritannien nutzt Atomkraft – Deutschland in der Rezession
In Deutschland ist das aber nicht passiert, beziehungsweise hat das in eine Rezession geführt.
Wissen Sie noch, früher, als man einen HP-Drucker gekauft hat? In den frühen Versionen gab es da einen Knopf, um die aktuelle Tageszeitung auszudrucken. Das muss man sich mal vorstellen: Die Welt konnte den Gedanken nicht loswerden, dass man Nachrichten auf Papier lesen muss. Und jetzt sehen wir das Gleiche bei grüner Technologie. Erneuerbare Energien sind unglaublich günstig und werden jedes Jahr billiger. Die Projekte sind schnell und einfach umzusetzen. Das einzige Hindernis für erneuerbare Energien ist die Mentalität - und in einigen Bereichen die Regulierung. Es braucht jetzt Branchenführer, die vorangehen, und es wagen, etwas Neues zu probieren. Dazu braucht es Anreize und Maßnahmen der Regierung. Wenn Unternehmen acht Stunden am Tag kostenlosen Strom haben und zwei Stunden, in denen sie bezahlt werden, um ihn zu nutzen, werden sie denke ich schnell realisieren, wie viel sie in der Tat flexibilisieren könnten.

Großbritannien nutzt im Vergleich zu Deutschland auch Atomkraft. Spielt das in Ihrer Rechnung eine Rolle?
Nein, wir zählen Atomkraft nicht als Erneuerbare. Ich hab aber nichts gegen Atomkraft per se. Bestehende Kernkraftwerke sind meiner Meinung nach in Ordnung. Der Klimawandel ist unsere größte Bedrohung, und darauf sollten wir uns konzentrieren. Was neue Kernkraftwerke angeht, bin ich eigentlich ziemlich entspannt, außer dass jedes Projekt sehr lange dauert, um verwirklicht zu werden, und sehr teuer sein kann. Das rechnet sich aus meiner Sicht nicht, wenn man die günstigen Erneuerbaren anschaut.
Glauben Sie, dass Sie Ihren Erfolg hier in Deutschland wiederholen können?
Deutschland ist schon sehr anders. Ich denke, die Situation mit den Smart Metern ist ein großes Problem. Alles, was wir hier tun – günstigen Strom zu bieten, wenn es windig und sonnig ist, unglaublich günstiges und intelligentes Laden zu bieten, sodass unsere Kunden mit E-Autos nur zwei Pence pro Meile zahlen, das „Zero Bills Home“, die Flexibilisierung der Industrie – nichts davon ist ohne Smart Meter möglich. Ohne die kann man die Menschen nicht dazu bringen, mehr Strom zu nutzen, wenn sie am besten verfügbar sind, und man kann den Verbrauch nicht verlagern. Ich denke, das ist die größte Hürde. Nirgendwo sonst gibt es diese Einschränkungen. Um das zu verändern, muss man Smart Meter attraktiv machen. Letztes Jahr hatten wir ein Programm im Vereinigten Königreich, bei dem wir Kunden kleine Beträge Geld bezahlt haben, um zu Spitzenzeiten weniger Strom zu verbrauchen. 1,6 Millionen Haushalte haben sich dafür angemeldet, etwa 100.000 Kunden haben sich gemeldet und nach einem Smart Meter gefragt, um daran teilnehmen zu können. Das zeigt, wie wichtig es ist, Verbrauchervorteile von Smart Metern zu schaffen.