Was für ihn ein "Unding" ist - Kalifatsdemo, Schüsse, Gewalt: Jetzt zieht Hamburgs neuer Polizei-Chef seine Bilanz
In Falk Schnabels vorheriger Berufsstation Köln versetzten kürzlich mehrere Bombenanschläge die Menschen in Angst und Schrecken. Mutmaßliche Hintermänner: die niederländische Drogenmafia. Die ist auch im Hamburger Hafen aktiv und kürzlich kam es binnen weniger Tage auf Hamburgs Straßen mehrfach zu Schüssen mit einem Toten und mehreren Verletzten.
Braut sich da etwas zusammen? „Natürlich haben wir uns das auch gefragt“, sagt der Polizeipräsident. „Aber in Nordrhein-Westfalen besteht eine besondere Problematik durch die Nähe zu den Niederlanden. Bisher gibt es keine Hinweise, dass in Hamburg neue Strukturen entstehen.“
Für Unbeteiligte bestehe ohnehin keine Gefahr: „Die Schussabgaben spielen sich innerhalb der Szene ab.“
Ermittler dürfen Bilder nicht mit Social Media vergleichen: "Das ist ein Unding"
Trotzdem: Im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität müsse Deutschland viel mehr aufrüsten. Bisher profitieren deutsche Ermittler davon, dass ihre Kollegen in anderen europäischen Ländern mehr technische und rechtliche Möglichkeiten haben und ihre Informationen aus geknackten Chats freundlicherweise teilen.
In Deutschland hingegen legt der Datenschutz den Beamten weiterhin enge Fesseln an: „Wenn eine Kamera ein Verbrechen aufzeichnet, können wir zwar ein Foto des Täters in die Öffentlichkeitsfahndung geben, wir dürfen ihn aber nicht mit öffentlich zugänglichen Fotos in den sozialen Medien vergleichen. Das ist ein Unding.“
Mehr aus dem Bereich Aus aller Welt
Schnabel, ein besonnener Typ, klingt richtig sauer.

Der größte Unterschied zu Köln und Münster: „Die Versammlungslage“, sagt der Polizeipräsident: „In Hamburg gibt es fast 3000 angemeldete Versammlungen im Jahr. Wer sich engagieren will, hat an jedem Wochenende locker 20 Demonstrationen oder Kundgebungen zur Auswahl.“
Dabei waren es in Schnabels erstem Jahr auch noch besonders viele, aufgrund der vielen weltpolitischen Konflikte: Die Personalstunden für die Begleitung von Versammlungen und Aufzügen haben sich im Zeitraum Januar bis September von 49.000 (2023) auf 105.000 mehr als verdoppelt.
Polizei muss auch Kalifatsdemos schützen
Darunter auch Veranstaltungen wie die Kalifatsdemos auf dem Steindamm, die die Polizei schützen muss, auch wenn die Forderungen schwer erträglich sind. Verfassungsfeindliche Parolen vor den Augen und Ohren der Polizei.
Wie es den Beamten dabei geht? „Die demokratische Resilienz ist groß“, sagt Schnabel.
„Bei Verstößen gegen die Auflagen schreiten sie ein, schützen aber alles, was von der Meinungsfreiheit gedeckt ist.“
„Quattrostreifen“ vom Hamburger Hauptbahnhof sind ein „Exportschlager“
Die meisten Menschen wüssten das: „Die Bürger vertrauen darauf, dass ihre Polizei zulässt, was ein Rechtsstaat zulassen muss und nicht mehr.“
Überhaupt ist der Polizeipräsident, von Haus aus Staatsanwalt, voll des Lobes über Hamburg, das pro Einwohner mehr Polizisten beschäftigt als andere Großstädte – und was die Straftaten pro Kopf betrifft, hinter viel kleineren Städten wie Trier oder Hannover liege.
Die „Quattrostreifen“ vom Hauptbahnhof, bestehend aus Polizisten und Securitykräften von Bahn und Hochbahn, seien ein „Exportschlager“, den etwa Bremen und Hannover nachahmen wollen. „Es war ein intensives Jahr“ so sein Fazit. „Im Rückblick aber auch ein schönes Jahr.“
Spontane Gespräche mit Beamten auf der Straße, die keine Ahnung hatten, dass da der oberste Chef vor ihnen stand, die Besuche in Revieren, wo der noch neue Präsident unbekannterweise auch mal rüde ins Wartezimmer geschickt wurde. Hamburg, sagt er, sei Heimat geworden. Mehr noch: „Ich bin ein glücklicher Barmbeker.“
Von Stephanie Lamprecht
Das Original zu diesem Beitrag "Drogen, Schüsse, Kalifatdemo: Was den Polizei-Chef in Hamburg überrascht hat" stammt von Hamburger Morgenpost.