Nicht Israel, sondern die Hisbollah stürzt den Libanon ins Elend

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Wieder erlebt der Nahe Osten eine Explosion der Gewalt. Der Krieg hat den Libanon erreicht. Dort wächst die Verzweiflung und die Wut – aber nicht nur auf Israel. Ein Kommentar von Georg Anastasiadis.

Fast 10.000 Raketen und Drohnen hat die libanesische Terrororganisation Hisbollah seit dem Hamas-Massaker am 7. Oktober auf Israel abgefeuert. Fast noch mehr als die Mördertrupps der Hamas stellt Irans Schattenarmee im Norden eine existenzielle Bedrohung für das Überleben des Judenstaates dar. Das sollten jene, die sich jetzt über Israels hartes Vorgehen im Libanon empören, nicht vergessen.

Konflikt mit Israel: Auch viele Libanesen sind bloß Geiseln in den Fängen der Hisbollah

Die Regierung in Jerusalem hat sich entschlossen, das Momentum der Überraschung zu seinen Gunsten umzukehren und die Hamas-Kriegserklärung aus dem vergangenen Jahr zu nutzen, um seinen Todfeinden an allen Fronten entgegenzutreten und den Ring des Terrors zu sprengen, den die Mullahs im Iran seit Jahren immer enger um Israel herum gezogen haben. Ob man das im Berliner Außenministerium von Annalena Baerbock wohl versteht, die sich gerade dabei erwischen ließ, wie sie mit Israelhassern tafelte, um, wie es später ziemlich gewunden hieß, das Gespräch mit denen zu suchen, die „in Teilen oder auch fundamental anderer Meinung sind“?

Angehörige stehen während eines Trauerzuges neben den Särgen von Hisbollah-Mitgliedern, die bei einem israelischen Luftangriff getötet wurden. © Montage: Mohammed Zaatari/dpa/AP

Was man hierzulande ebenso gern vergisst, ist, dass die Hisbollah auch vielen Libanesen selbst tief verhasst ist, weil sie den Staat seit vielen Jahren aushöhlt und zerstört. So ging nicht nur die verheerende Explosion im Hafen von Beirut im Sommer 2020 mit 200 Toten auf ihr Konto, weil sie dort ein Waffenlager unterhielt. Viele Libanesen sind auch nicht einverstanden damit, dass sie als Geiseln der Hisbollah und des Iran zum Kriegsziel Israels gemacht wurden. Die größte libanesische Zeitung An-Nahar forderte Hisbollah-Chef Nasrallah jetzt in einem flammenden Kommentar auf, seinen „Krieg im Süden“ gegen Israel sofort zu beenden: „90 Prozent der Libanesen fordern das mit Nachdruck von dir, Herr Nasrallah.“ Genau in diese Schwachstelle trifft Israels Premier Netanjahu, wenn er den Libanesen zuruft, er wolle keinen Krieg gegen ihr Land.

Das Kalkül Netanjahus ist riskant, doch eine Bodenoffensive Israels wäre noch riskanter

An einem mit hohen Opfern und Risiken verbundenen umfassenden Bodenkrieg dürfte Israel nach dem kräftezehrenden Einsatz in Gaza tatsächlich wenig Interesse haben. Die Netanjahu-Regierung in Jerusalem zielt vielmehr darauf, die Hisbollah militärisch zu demoralisieren, politisch zu isolieren und zur Einstellung ihrer Angriffe zu bewegen. Die vom Geheimdienst Mossad hollywoodreif zur Explosion gebrachten Funkgeräte von Hisbollah-Kämpfern waren nur ein Vorgeschmack auf die gewaltige technologische und militärische Übermacht, mit der Israel seinen Feinden begegnet. Nasrallah muss sich entscheiden, ob er Krieg will – auch um den Preis der Vernichtung seiner Organisation. (Georg.Anastasiadis@merkur.de)

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