Regensburgs Oberbürgermeisterin im Interview - „Der Park war noch nie ein Ort, durch den Frauen nachts allein schlendern sollten“
FOCUS online: Frau Maltz-Schwarzfischer, wie würden Sie die aktuelle Situation in Regensburg beschreiben? Zwei mutmaßliche Vergewaltigungen, Diebstähle und Drogendelikte - die Nachrichten zum Bahnhofsviertel überschlagen sich.
Gertrud Maltz-Schwarzfischer: Solche Zustände sind wir nicht gewohnt. Die bisher ergriffenen Maßnahmen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten greifen jedoch gut und zeigen Wirkung. Die Lage rund um den Bahnhof hat sich aus meiner Sicht deutlich gebessert. Aber natürlich macht das etwas mit dem Sicherheitsgefühl der Menschen in Regensburg. Durch die Schlagzeilen haben sie das Gefühl, es gäbe hier eine No-Go-Area voller Kriminalität. Viele haben Angst, machen sich Sorgen.
Welche Maßnahmen wurden denn ergriffen?
Maltz-Schwarzfischer: Die Polizei ist in der Gegend um Hauptbahnhof und Fürst-Anselm-Park jeden Tag präsent. Der kommunale Ordnungsservice kontrolliert engmaschig. Büsche wurden entfernt oder beschnitten. Außerdem hat die Polizei eine große Anzahl Tatverdächtiger festgenommen – meines Wissens mehr als 30. Wir sprechen da zum Beispiel von Personen, die im Verdacht stehen, mit Drogen zu dealen, Körperverletzung, Sexualdelikte oder Raub begangen zu haben.
Dass die Situation jetzt besser im Griff ist, müssten ja auch die Regensburger merken.
Maltz-Schwarzfischer: Das tun sie. Jedenfalls sind das die Eindrücke, die ich gespiegelt bekomme. In letzter Zeit hatte ich zum Beispiel Kontakt mit besorgten Eltern, Frauen und anderen Anwohnern. Zwei ältere Damen sagten mir, sie würden sich auf dem Weg zum Bahnhof wieder wohler fühlen – und dass die Beamten, denen sie dort begegnen, sehr nett wären.
„Nachts war die Anlage noch nie ein Ort, durch den man als Frau allein schlendern sollte“
Wie gefährlich ist es denn insgesamt im Regensburger Bahnhofsviertel?
Maltz-Schwarzfischer: Um Ihre Frage zu beantworten, will ich nochmal auf die aktuellen Geschehnisse eingehen. Vor einigen Tagen hieß es, eine Frau sei mittags im Fürst-Anselm-Park vergewaltigt worden. Am helllichten Tag. Das hat bei vielen Regensburgern Ängste ausgelöst. Verständlicherweise. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass es die besagte Vergewaltigung dort nie gegeben hat.
Natürlich macht das trotzdem etwas mit dem Sicherheitsgefühl. Gerade auch, weil im Fürst-Anselm-Park schon länger ein Personenkreis unterwegs ist, der offen mit Drogen dealt und Frauen aggressiv anspricht. Das hat viele Regensburger verunsichert – zu Recht. Wir sehen, dass die Zahl der Straftaten im Bahnhofsbereich angestiegen ist. Deswegen haben wir auch so strikte Gegenmaßnahmen ergriffen.
Sie meinten zuletzt, dass Sie den Fürst-Anselm-Park als bedrohlich empfinden. Ein Schuldirektor sah sich sogar veranlasst, einen Brief an die Eltern zu schreiben, weil der Bahnhofspark ein „Kriminalitätsschwerpunkt“ sei. Können Sie beschreiben, was das für ein Ort ist und warum er so in Verruf geraten ist?
Maltz-Schwarzfischer: Genau genommen geht es um die Fürst-Anselm-Allee – das ist der offizielle Name. Sie folgt dem Verlauf der ehemaligen Stadtmauer und ist Teil des Weltkulturerbes. Nachts war die Anlage noch nie ein Ort, durch den man als Frau allein schlendern sollte. Auch nicht in meiner Jugend. Das liegt daran, dass die Allee kaum beleuchtet ist. Und in dunklen Ecken – da unterscheiden wir uns nicht von anderen Städten – kommt es immer wieder zu Drogenhandel und anderen Straftaten.
Ich würde nicht sagen, dass die Allee in Verruf geraten ist. Allerdings gibt es einen Abschnitt, den viele Menschen durchqueren, wenn sie zum Hauptbahnhof wollen. In diesem Bereich kommen verschiedene „Nutzergruppen“ zusammen – auch Obdachlose, Drogenabhängige und Kriminelle. Es war immer schon ratsam, in der Gegend um den Bahnhof die Augen offen zu halten.
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„Der Hauptbahnhof ist ein Kristallisationspunkt“
Sie sagen es selbst: Die Fürst-Anselm-Allee ist kaum ausgeleuchtet. Warum hat die Stadt Regensburg das nicht schon längst geändert? Möglicherweise wäre die Kriminalität im Bahnhofsviertel zurückgegangen.
Maltz-Schwarzfischer: Dass die Allee kaum beleuchtet wird, ist eine bewusste Entscheidung zum Schutz der Tierarten, die dort leben. Wenn wir die Anlage nachts künstlich erhellen würden, würden wir den Vögeln, den Insekten, der Tierwelt insgesamt schaden.
Dazu kommt, dass es nicht nötig ist, die gesamte Allee auszuleuchten. Direkt daneben gibt es an vielen Stellen Straße mit einem Bürgersteig. Und zentrale Bereiche sind bereits erhellt. Außerdem warne ich davor, Beleuchtung und Videoüberwachung als Allheilmittel zu sehen. Man darf nicht glauben, dass es dann keine Kriminalität in der Allee mehr gäbe.