Gastbeitrag von Gabor Steingart - Trumps wichtigster Gegenspieler heißt derzeit weder Putin noch Xi
Der wichtigste Gegenspieler von Donald Trump heißt derzeit nicht Putin oder Xi Jinping, sondern Jerome Powell. Denn der amerikanische Notenbank-Chef hat gestern Abend 20 Uhr deutscher Zeit bekannt gegeben, dass er sich nicht von Trumps Aktivismus treiben lässt, sondern in aller Gelassenheit die Inflation bekämpft: „Wir müssen uns nicht beeilen“, sagte er, die Geldpolitiker müssten nun zunächst „abwarten und schauen“.
Der Konflikt: Jerome Powell ist die Wirtschaftspolitik des neuen Präsidenten suspekt, die auf niedrige Steuern und steigende Schulden bei fallenden Zinsen setzt.
Seine Befürchtung: Trump möchte die Politik der Geldflutung fortsetzen und die Wirtschaft mit Billionen Dollar bewässern, die er sich am Kreditmarkt, bei ausländischen Importeuren und eben bei der Notenbank besorgt.
Oder zugespitzter formuliert: Trumps Wirtschaftswunder könnte das beste Wirtschaftswunder werden, das man sich für Geld kaufen kann.
Trump will die Wirtschaft ankurbeln
Das Risiko dieser Politik heißt Inflation. Die durch Steuersenkung, Schulden und günstige Kreditbedingungen ausgelöste Geldschwemme könnte sich schnell in höheren Preisen entladen. Das ist die Sorge von Powell.
Denn einer erhöhten Geldmenge steht kein höheres Angebot gegenüber, worauf viele Firmen mit Preiserhöhungen reagieren dürften – im Discounter, im Dienstleistungsgewerbe und auch auf dem Immobilienmarkt. Zumal an der Preisfront noch keine Beruhigung eingekehrt ist.
Trump aber will jetzt die Wirtschaft ankurbeln und nicht die Preisbildung beruhigen. Er erklärte im Vorfeld der gestrigen Entscheidung: „Ich werde verlangen, dass die Zinsen sofort gesenkt werden.“
Powell blieb stur: Gestern Abend deutscher Zeit beschloss die Notenbank in Washington, die Leitzinsen unverändert in der Spanne von 4,25 bis 4,5 Prozent zu belassen. „Die Öffentlichkeit sollte sich darauf verlassen können, dass wir unsere Arbeit fortsetzen werden … und den Kopf nicht hängen lassen.“
Dabei ist Powell für seine Standfestigkeit nicht zu tadeln, sondern zu loben. Er zieht die historische Lehre aus dem Versagen von Fed-Präsident Arthur Burns, der von 1970 bis 1978 als Chef der Notenbank diente und zwei unverzeihliche Fehler machte:
Fehler 1: Politische Willfährigkeit
Der Ökonom Burns verdankte dem republikanischen Präsidenten Richard Nixon (Spitzname „Tricky Dicky“) den Job und fand nie zu wirklicher Unabhängigkeit. Als er seinen Posten antrat, lag der Leitzins bei sechs Prozent. Nixon setzte ihn unter Druck, die Zinsen zügig zu senken, um das Wirtschaftswachstum für die Präsidentschaftswahl 1972 zu stimulieren.
Gewünscht, getan: Der Leitzins fiel auf 3,5 Prozent. Nixon gewann die Wahl.
Die Inflation aber begann erneut zu steigen. Die Ölkrise brachte die Lohn-Preis-Spirale in Schwung. Ein verzweifelter Burns erhöhte den Zinssatz 1974 zuerst auf 13 Prozent, um ihn bald darauf wieder auf 4,75 Prozent zu senken. Die Geldpolitik war stets zu locker, der Inflationsdruck zu stark und Nixons Agenda, zu der auch die Finanzierung des Krieges in Vietnam gehörte, passte nicht zu den geldpolitischen Notwendigkeiten.
Fehler 2: Manipulation der Fakten
Unter Führung von Burns wurde die Berechnung des Consumer Price Index (CPI) mehrfach manipuliert. Stark steigende Preiskomponenten wie die Energie- und die Lebensmittelpreise wurden aus der Berechnung entfernt, um die Inflation offiziell niedriger erscheinen zu lassen und den politischen Druck auf die Fed zu mildern.
Die USA begannen, die „Kerninflation“ (Core Inflation) als alternative Inflationsmessung zu veröffentlichen und im Diskurs durchzusetzen. Nach den Energie- und Nahrungsmittelpreisen erfolgte die manipulierte Anpassung der Immobilienpreise. Statt tatsächlicher Immobilienpreise und Hypothekenzinsen wurde ein fiktiver Wert eingeführt, die sogenannte „Owner Equivalent Rent“ (OER), also der geschätzte Mietwert von Wohneigentum, der selbstverständlich unter den tatsächlichen Immobilienpreisen lag.
Die nach unten manipulierten Zahlen bilden bis heute die neue Normalität. Wer also das Empfinden hat, dass die Preise an der Ladentheke nicht mit den Zahlen der Regierung und der Notenbank harmonieren, weiß jetzt, warum.
Powell muss jetzt tapfer sein
Das Ende vom Lied: Burns trat nach acht Jahren als gescheiterter Notenbankpräsident ab. Erst sein Nach-Nachfolger Paul Volcker (1979-1987) bekam die Geldentwertung mit Mondzinsen (die Federal Funds Rate lag in der Spitze bei 20 Prozent) in den Griff, zu dem Preis, das die Volkswirtschaft in die Rezession stürzte. Die Erbschaft von Arthur Burns bedeutete Wohlstandsverluste, Arbeitslosigkeit und am unteren Ende der Nahrungskette auch Armut.
Diese Geschichte wiederholt sich jetzt, aber bisher nur im ersten Teil der Handlung. Der neue Nixon heißt Trump. Aber Powell ist nicht der neue Burns. Die Fragen der nächsten Monate lauten: Wie stur ist Trump und wie standfest bleibt Powell?
Fazit: Der Mann des Geldes sollte sich von den Trumpschen Schmähungen, die zwei Stunden nach Bekanntgabe der Zinspause folgten, nicht beirren lassen. „Wenn die Fed weniger Zeit mit Gender-Ideologie, ‚grüner‘ Energie und den Fake News zum Klimawandel verbracht hätte, wäre die Inflation niemals zum Problem geworden“, sagte Trump. Powell muss jetzt tapfer sein.
Oder um es mit dem französischen Literaten und Politiker Victor Hugo zu sagen: „Sie haben Feinde? Gut so. Das bedeutet doch nur, dass Sie irgendwann in Ihrem Leben für etwas gestanden haben.“