Kommentar von Hugo Müller-Vogg - Schlimmer geht es kaum! Jetzt lobt ausgerechnet Weidel den SPD-Generalsekretär

Gerhard Schröder hat die SPD nach 16 Jahren in der Opposition wieder in die Regierung gebracht, das Land sieben Jahre lang als Bundeskanzler regiert. Doch in der SPD wurde seine Bilanz stets zwiespältig beurteilt.

Die SPD-Linke rechnet ihm bis heute hoch an, dass er die Bundesrepublik angeblich aus dem zweiten Irak-Krieg 2003 herausgehalten habe. Das ist insofern Geschichtsklitterung, als die USA die Bundesrepublik gar nicht um militärische Unterstützung gebeten hatten.

Negativ wird ihm hingegen in den eigenen Reihen die „Agenda 2010“ angekreidet. Es war die größte Arbeitsmarkt- und Sozialstaats-Reform („Fordern und Fördern“) seit Jahrzehnten. Die meisten Ökonomen hingegen rechnen Schröder als Verdienst an, auf diese Weise das Land aus einem wirtschaftlichen Tief und hoher Arbeitslosigkeit herausgeführt zu haben.

Schröder demonstriert, auf wessen Seite er steht

Zur Unperson bei den eigenen Genossen mutierte Schröder spätestens beim russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022. Schon zuvor war er in der Partei wie außerhalb wegen seiner engen privaten und geschäftlichen Kontakte zu Wladimir Putin kritisiert worden.

Auf wessen Seite Schröder stand und steht, demonstrierte er wenige Tage vor Kriegsausbruch. Er warnte vor dem „Säbelrasseln“ der Ukraine, als Moskau seine Truppen bereits in Marsch gesetzt hatte.

„Ich glaube auch nicht, dass die russische Führung ein Interesse daran haben kann und hat, in der Ukraine militärisch zu intervenieren“, gab er zu Protokoll. Wenige Tage später rollten die russischen Panzer in Richtung Kiew.

Kaum jemand in der SPD konnte und wollte verstehen, dass Schröder sich weiterhin von Putin für seine Tätigkeit im Interesse der russischen Gasindustrie fürstlich entlohnen ließ. Auch änderten Putins Kriegsverbrechen nichts an der „Männerfreundschaft“ zwischen Gerd und dem Kriegsverbrecher Wladimir.

Miersch will Lebensleistung Schröders würdigen

Das alles war der SPD zu viel „Putin-Versteherei“. Zwei Parteiausschlussverfahren scheiterten zwar, aber fortan war Schröder bei den eigenen Genossen „Persona non grata“, eine unerwünschte Person.

Diese Eiszeit will der neue SPD-Generalsekretär Matthias Miersch nun beenden. Auf die Frage des „Stern“, ob es Raum für Schröder in der deutschen Sozialdemokratie geben müsse, antwortete er: „Ja. Sonst hätte Gerhard Schröder aus der Partei ausgeschlossen werden müssen“.

Miersch, ein Vertreter der SPD-Linken, plädiert dafür, die „Lebensleistung“ Schröders zu würdigen, auch wenn „ich eine fundamental andere Auffassung in Sachen Putin und Angriff auf die Ukraine habe“.

Nun gibt es gute Gründe, zwischen Schröders Politik als Kanzler und seinem Verhalten als Ex-Kanzler zu unterscheiden. Allerdings kann die SPD auch nicht einfach hinnehmen, wenn Schröder öffentlich der Ukraine-Politik von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der Bundesregierung widerspricht. Es sei denn, die Partei rückt allmählich von Scholz ab.  

Miersch hat Tauwetter wohl kaum nebenbei eingeleitet

Zudem zeugt es von Schröders Skrupellosigkeit, sich weiterhin von Putin fürstlich entlohnen zu lassen, während der Kreml-Herrscher Kriegsverbrechen am laufenden Band begeht. Aber Geld scheint dem Altkanzler wichtiger geworden zu sein als sein Ruf.

Miersch hat das Tauwetter gegenüber Schröder wohl kaum so nebenbei eingeleitet. Zunächst einmal ist der SPD-Linke Vorsitzender des SPD-Bezirks Hannover, der Heimstatt der sozialdemokratischen Moskau-Connection. Schröders Putin-Nähe wurde dort stets verständnisvoll betrachtet und gutgeheißen.

Als Schröder im vergangenen Jahr auf 60 Jahre als SPD-Genosse zurückblicken konnte, lehnte die Bundes-SPD eine Ehrung ab. In Mierschs Verband wurde er aber dennoch geehrt und gefeiert.

Offenbar registiert Miersch, dass innerhalb der SPD ein Abrücken von der „Zeitenwende“-Politik des Bundeskanzlers und seines Verteidigungsministers Boris Pistorius (SPD) eingesetzt hat. Das betrifft ebenso die Unterstützung der Ukraine, die beispielsweise vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich nur halbherzig mitgetragen wird.

Politische Heimat für Putin-Versteher?

Unter SPD-Linken ist die geplante Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik ebenfalls höchst umstritten. Allein die Tatsache, dass der eigene Kanzler dies mit US-Präsident Joe Biden ausgehandelt hat, dämpft die innerparteiliche Kritik daran.    

Sicherlich nimmt man im Willy-Brandt-Haus zur Kenntnis, dass der Versuch der Partei, Scholz als Friedenskanzler zu inszenieren, fehlgeschlagen ist. Wähler, die sich – jenseits der realen Lage – von diffuser Friedensrhetorik angesprochen fühlen, sind beim „Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW)“ besser aufgehoben als bei der SPD.

Gut möglich, dass Miersch gar nichts dagegen hätte, wenn die SPD denen, die Moskau mehr vertrauen als Washington, mit dem „Friedenspolitiker“ Schröder ein Angebot machen könnte. Da ging dann nach dem Motto: Wir bieten auch Putin-Verstehern eine politische Heimat.

Wahrscheinlich wäre es für die SPD der GAU, wenn ein von der SPD gemiedener, wie ein Aussätziger behandelter Schröder sich positiv über Sahra Wagenknecht und deren Putin-freundliche Haltung äußern würde.

Miersch will Schröder wieder mit ins Boot nehmen

Immerhin hat sich Schröder inzwischen mit Wagenknechts Ehemann Oskar Lafontaine wieder versöhnt. Zwischen den einstigen Konkurrenten in der SPD und späteren Feinden dürfte es mit Blick auf Putin jedenfalls keine Differenzen geben. 

Miersch will Schröder also wieder mit ins Boot nehmen. Schröders Rehabilitation „ist das Vorspiel zur Rehabilitation Russlands in der SPD“, prophezeite CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen auf der Plattform „X“.

Es spricht viel dafür, dass die Moskau-Connection in der SPD gerade wiederbelebt wird. Dazu passt, dass der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) vor Wagenknecht kapituliert hat.

Um mit dem BSW in Potsdam regieren zu können, sprach sich Woidke jetzt faktisch gegen Waffenlieferungen für die Ukraine und gegen die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen aus. Ein klarer Affront gegenüber Scholz.

Ausgerechnet Weidel lobt Miersch

Was Woidke sich da von Wagenknecht diktieren ließ, unterscheidet sich nicht wesentlich von Schröders Haltung. So gesehen ist es nur konsequent, wenn Miersch dem Genossen Schröder den tiefroten Teppich ausrollt – als Geste gegenüber allen „Friedensfreunden“.

Miersch wird für seinen Kurs ausgerechnet von der AfD-Co-Vorsitzenden Alice Weidel gelobt: „Dass der neue SPD-Generalsekretär zu einem würdevolleren Umgang mit Altkanzler Gerhard Schröder aufruft, ist ein positives Zeichen“. Schlimmer kann es für einen SPD-Generalsekretär kaum kommen. Aber sowas kommt eben von sowas!