Putins Kohle-Kartenhaus bricht ein: Russlands Schlüsselindustrie im freien Fall – ein soziales Pulverfass

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Bricht die russische Kohleindustrie zusammen? China kauft weniger und die Arbeiter warten auf ihre Löhne. Die Investitionen bleiben aus.

Moskau – Die Krise der russischen Kohleindustrie verschärft sich. Die Verluste der Branche werden laut Energieministerium bis 2025 voraussichtlich umgerechnet 3,8 Milliarden Euro erreichen. Diese Summe wäre das Dreifache des ohnehin schon desaströsen Vorjahresergebnisses, wie The Insider berichtet. Demnach verzeichnet der Sektor allein zwischen Januar und Mai Verluste in Höhe von 1,2 Milliarden Euro. Die Gesamtkredite an die Kohleindustrie belaufen sich mittlerweile auf 13 Milliarden Euro. Dabei steht zu beachten, dass wegen des aktuell hohen Leitzinses der Zentralbank die Kreditaufnahme besonders kostspielig ist. Auch sinkende Weltmarktpreise führen zu großen Problemen. Auch in Russlands Wirtschaft allgemein herrscht Krisenstimmung.

Der russische Präsident Wladimir Putin, links, besucht das Unternehmen Magnitogorsk Iron and Steel Works in Magnitogorsk, Russland.
Der russische Präsident Wladimir Putin, links, besucht das Unternehmen Magnitogorsk Iron and Steel Works in Magnitogorsk, Russland. © Mikhail Sinitsin/dpa

Dabei schien der russische Angriffskrieg in der Ukraine zunächst ein Segen für die Kohleindustrie Moskaus zu sein. Die Energiekrise, die durch Europas Abkehr vom russischen Gas ausgelöst wurde, trieb die Preise in die Höhe. Und während die EU russische Kohle ab dem 10. August 2022 vollständig verbot, versprach Wladimir Putin eine „Ostwende“. Kohlelieferungen, die einst hauptsächlich nach Europa gingen, wurden nach China umgeleitet.

China kauft weniger russische Kohle

Branchenexperten jedoch prognostizierten bereits damals Probleme. Die Logistikrouten nach Europa waren über Jahrzehnte aufgebaut worden und umfassten eine gut ausgebaute Schienen- und Hafeninfrastruktur, während im Osten nur die Transsibirische Eisenbahn und die Baikal-Amur-Magistrale zur Verfügung standen. Erstere war sofort überlastet, und letztere musste rasch modernisiert und elektrifiziert werden. Spätestens jetzt sieht man, dass Putins Ost-Plan fehlschlug.

Wie das Center for Countering Disinformation berichtete, reduziert China nun seine Importe russischer Kohle. Im ersten Halbjahr 2025 sanken die Kohleexporte Russlands nach China um 25 Prozent, im zweiten Quartal sogar um 34 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. China wickelte dem nach zuvor die Hälfte aller russischen Kohleexporte ab.

Produktion für Kohle im Kusbass in Russland „unrentabel“

Der Exportrückgang geht mit steigenden Kosten für Unternehmen aufgrund teurer Kredite und logistischer Schwierigkeiten einher. Infolgedessen steht der Kohlebergbau laut dem Portal kurz vor dem Zusammenbruch – eine Tatsache, die bereits offiziell anerkannt ist: Das Energieministerium der Russischen Föderation warnte zuvor, dass 51 von 179 Kohleunternehmen von der Schließung bedroht seien. Im Mai genehmigte Präsident Wladimir Putin ein Hilfspaket des Energieministeriums zur Stabilisierung der Exporte. Analysten zufolge hält die staatliche Unterstützung die Branche zwar über Wasser, löst aber keine tieferen Probleme wie den globalen Wettbewerb oder die globale Energiewende.

„Bei den aktuellen Preisen, Wechselkursen, Finanzierungskosten sowie der Schienen- und Seelogistik ist die Produktion von Kohle im Kusbass insgesamt unrentabel“, sagte Roman Golovin, Strategiedirektor der Siberian Coal Energy Company (SUEK), Russlands größtem Kohleproduzenten, zur Moscow Times. Etwa die Hälfte der jährlichen russischen Kohleproduktion wird laut der Zeitung im Inland verbraucht. Kohle machte demnach 2023 12 bis 13 Prozent der Stromerzeugung aus und spielt in Regionen wie dem Fernen Osten und der Region Kemerowo (Kusbass) in Westsibirien eine überragende Rolle, mit teilweise 50 Prozent oder mehr.

Kohle-Krise in Russland: Bergarbeiter warten auf ihre Löhne

Auch Vize-Energieminister Dmitri Islamow erwartet, dass die Investitionen in Kohle in diesem Jahr deutlich unter den 2,7 Milliarden Euro des Vorjahres liegen werden. Das größte Problem sind jedoch ausstehende Löhne: Einige Bergwerke mussten schließen, weil sie ihre Arbeiter nicht mehr bezahlen konnten. Im Juni stellte das Bergwerk Spiridonowskaja im Kusnezki-Becken (Kusbass), in dem 900 Menschen beschäftigt waren, den Betrieb ein. Allein in dieser Mine stehen den Arbeitern rund 950 Millionen Euro zu, und es ist geplant, die meisten von ihnen einfach zu entlassen. Auch der Ökonom Vladimir Inozemtsev erklärte gegenüber der Moscow Times, dass es sich eher um ein soziales, als um ein finanzielles Problem handele.

Laut Inozemtsev „liegt die eigentliche Herausforderung darin, schnell eine neue wirtschaftliche Rolle für die Region Kemerowo zu finden, die für mehr als 50 Prozent der russischen Kohleproduktion verantwortlich ist.“ Die Regierung könne die Kosten von umgerechnet 3,3 Milliarden Euro tragen. Doch liege „die eigentliche Herausforderung darin, schnell eine neue wirtschaftliche Rolle für die Region Kemerowo zu finden, die für mehr als 50 Prozent der russischen Kohleproduktion verantwortlich ist.“ Russland verzeichnete zur Jahresmitte ein Rekord-Haushaltsdefizit umgerechnet 39,5 Milliarden Euro. (cgsc)

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