Mehr Selbstvertrauen: Selbstverteidigung für jedes Alter
Im Winter, wenn es früh dunkel wird, fühlen sich viele Menschen unsicher auf der Straße.
Selbstverteidigungskurse können helfen, sich mit mehr Selbstvertrauen im öffentlichen Raum zu bewegen. Das Training gibt es auch für ältere Menschen.
Hamburg. Wer im Winter aus dem Haus geht, tut das oft im Dunkeln und nicht selten mit einem mulmigen Gefühl. Eine Studie des Bundeskriminalamts aus dem Jahr 2022 ergab, dass jede zweite Frau abends bestimmte Orte meidet. Eine Unsicherheit, die gerade Frauen und ältere Menschen einschränkt. Wolfgang Petersen will mit seinem Selbstverteidigungskurs für Senioren in Hamburg etwas dagegen tun. „Damit die Menschen sich sicherer im Alltag bewegen können und keine Angst mehr haben müssen, wenn
jemand auf sie zukommt“, sagt der Trainer, der selbst schon 75 Jahre alt ist.
„Stopp!“: Laut werden ist bei der Selbstverteidigung sehr wichtig
Seit acht Jahren leitet er den Kurs, der vom Deutschen Roten Kreuz angeboten wird. Die älteste Teilnehmerin ist stolze 90 Jahre alt. Einmal in der Woche trifft sich die Gruppe. Auch Männern steht das Training offen, aktuell wird es aber von rund 15 Teilnehmerinnen besucht.
Die Frauen lernen, wie sie in bestimmten Gefahrensituationen reagieren können. „Das Tolle ist, dass der Täter ja nicht damit rechnet, dass die Frau weiß, wie sie sich zu verhalten hat“, sagt Petersen. In einer Übung kommt er bedrohlich auf einzelne Teilnehmerinnen zu. Mit den Armen nach vorn gestreckt, die Hände zur Abwehr erhoben, rufen die Frauen laut „Stopp!“. „Laut zu werden ist ganz wichtig“, erklärt der Kursleiter, auch wenn man es eigentlich nicht gewohnt ist. In der Erziehung lernen wir, eher leise zu sein,
sagt Petersen. In der Selbstverteidigung aber sollen sich die Angegriffenen bemerkbar machen. „Vielleicht sitzt ja einer um die Ecke im Café und liest Zeitung, der dann aufsteht, wenn er etwas hört.“

Gefahrensituationen frühzeitig erkennen
Selbstverteidigung für jedes Alter bieten Kampfsportvereine. Samad Azadi ist Karatetrainer und Präsident des Hamburger Karateverbands. Zu seinen Trainingseinheiten kommen Männer und Frauen, vom Teenager- bis zum Rentenalter. Sein Tipp: „Der wichtigste Grundsatz ist immer aufmerksam zu sein und Gefahrensituationen frühzeitig zu erkennen.“ Die beste Selbstverteidigung sei „der Kampf, den du nicht kämpfen musst“, erklärt Azadi.
Im Trainingsraum haben die Karateka Schlagpolster aufgenommen. Mit Knien oder Ellbogen werden Angriff und Abwehr in kurzer Distanz geübt. Bei den Übungen zu zweit wird bunt gemischt und nicht nach Größe, Gewicht oder Geschlecht getrennt. Wer Kampfsport trainiert, steigert langfristig nicht nur körperliche Fähigkeiten. Genauso wichtig sind Selbstvertrauen und Selbstbehauptung, sagt Azadi. „Ich möchte kein Opfer sein. Ich muss wissen, wann ich wo und wie auftreten muss, damit ein Täter nicht denkt, mit dem kann ich machen, was ich will.“
Wichtig, so der Karatetrainer, sei das regelmäßige Training. Wer ein einzelnes Wochenendseminar besucht, könnte sich in falscher Sicherheit wiegen, warnt Azadi. Bei regelmäßigem Training könne Selbstverteidigung aber helfen, Ängste und Unsicherheit im Alltag zu verringern. Und das egal in welchem Alter. (Hagen Grützmacher und Lukas Schienke)