Wirtschaftsweiser fordert Rente mit 69 – und setzt noch einen drauf: „Auch wenn es unpopulär ist“

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Die Debatte um das Renteneintrittsalter reißt nicht ab. Der Wirtschaftsweise Martin Werding fordert umfassende Reformen – unter anderem die Rente mit 69. Und er geht noch ein paar Schritte weiter.

Berlin – Nachdem Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) eine hitzige Diskussion um das Renteneintrittsalter losgetreten hat, äußert sich auch der Wirtschaftsweise Martin Werding. Er schlägt sich dabei auf Reiches Seite: „Auch wenn es unpopulär ist – wir müssen länger arbeiten“, sagte der Ökonom der Rheinischen Post. In den 1960er Jahren hätten die Menschen im Schnitt zehn Jahre lang Rente bezogen, heute liege die Dauer bei 20 Jahren. Zudem gingen nun die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer in den Ruhestand, die zugleich aber zu wenig Kinder bekommen hätten. 

Wirtschaftsweiser schlägt Rente mit 69 vor – und will der Witwenrente an den Kragen

Werding fordert deshalb, die Lebensarbeitszeit zu erhöhen: Das Renteneintrittsalter wird zwar gerade schrittweise auf 67 Jahre erhöht. Doch: „Danach darf nicht Schluss sein“, betonte das Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. „Deutschland sollte das Rentenalter regelgebunden erhöhen – zwei Drittel der zusätzlichen Lebenszeit gehen in Arbeit und ein Drittel in den Ruhestand“, schlug er vor. Das würde bedeuten, dass alle zehn Jahre die Regelaltersgrenze um sechs Monate steige. „Ab 2050 gäbe es dann die Rente mit 68 Jahren, ab 2070 mit 69 Jahren“, rechnete der Ökonom vor. 

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Der Wirtschaftsweise Martin Werding fordert umfassende Renten-Reformen. (Archivbild) © IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Um das Rentensystem zu stabilisieren, schlägt er außerdem höhere Abschläge vor, wenn jemand vor dem gesetzlichen Renteneintrittsalter Rente beziehen will. Die 3,6 Prozent Abschlag pro Jahr seien zu niedrig. „Versicherungsmathematisch korrekt wären Abschläge zwischen fünf und sieben Prozent“, sagte Werding. Und er will der Witwenrente an den Kragen. „Unter Anreizaspekten wäre es gut, wenn die Witwenrente wegfällt. Frauen können heute für sich selbst sorgen“, sagte der Wissenschaftler. Allerdings bräuchten solche Reformen viel Vorlauf, damit die Menschen sich darauf einstellen können.

Bas gegen höheres Renteneintrittsalter: „Wer 45 Jahre geackert hat, für den muss auch mal Schluss sein“

Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) ist allerdings gegen eine Anhebung des Renteneintrittsalters. Sie sehe nicht, dass die SPD dem Vorschlag von Wirtschaftsministerin Reiche zustimmen würde, sagte Bas, die auch Ko-Parteivorsitzende der SPD ist, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland in einem am Samstag veröffentlichten Interview. „Viele erreichen aus gesundheitlichen Gründen bereits das jetzige Renteneintrittsalter nicht. Für diese Menschen wäre das eine Rentenkürzung“, sagte Bas.

„Wir müssen also erstmal dafür sorgen, dass die Leute länger gesund arbeiten können“, fügte die Ministerin hinzu. Auch die Möglichkeit der Frühverrentung für langjährig Versicherte darf nach ihren Worten nicht abgeschafft werden. „Wer 45 Jahre geackert hat, für den muss auch mal Schluss sein“, sagte Bas.

Bisher plant Bas als Mitglied der Merz-Regierung eine Festsetzung des Rentenniveaus bei 48 Prozent und die Ausweitung der Mütterrente. Diese Maßnahmen erhöhen jedoch den finanziellen Druck auf die Rentenversicherung, anstatt ihn zu mindern. Auch die geplante „Aktivrente“ kann dieses Problem bestenfalls nur geringfügig reduzieren. Ob noch tiefgreifendere Reformen kommen, bleibt abzuwarten – momentan soll eine Kommission bald Vorschläge erarbeiten, wie eine „den Lebensstandard sichernde Rente über drei Säulen“ gestaltet werden könne – also gesetzliche Rente, betriebliche und private Altersvorsorge. (lma mit dpa und AFP)

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