Italiens Süden trocknet aus – Forscher warnen: Sizilien wird zur Wüste
Italiens Süden trocknet aus. Vor allem in Sizilien leidet die Landwirtschaft unter einer Rekorddürre. Es wurde der Katastrophenfall ausgerufen. Verzweifelte Landwirte leiten Wasser aus verseuchtem See auf ihre Felder.
Palermo – Für viele Urlauber ist Sizilien ein Ferienparadies. Das idyllische Städtchen Taormina, der Vulkanriese Ätna oder türkisblaue Strände locken Touristen in Scharen nach Italien. Gleichzeitig ist die größte Insel des Mittelmeeres der Obstgarten Europas. Doch das Paradies trocknet aus. Eigentlich sollte es im Winter ausgiebige Regenfälle geben, doch die blieben weitgehend aus. Dafür steigt am Gardasee wieder der Wasserpegel.
Siziliens Regierung ruft den Katastrophenfall aus – Italiens Süden trocknet aus
Auf Drängen des Landwirtschaftsrats Luca Sammartino erklärte die Regionalregierung unter Präsident Renato Schifani auf der ganzen Insel Mitte Februar den Naturkatastrophenzustand. Aufgrund fehlender Wasserressourcen ist Sizilien die einzige Region Italiens und eine der wenigen in Europa, die in der roten Dürre-Zone liegt, berichtet das Portal gds.it. Das ist eine Wetter-Situation, wie sie in Marokko und Algerien herrscht.

Schon das vorige Jahr war sehr heiß und trocken, bis in den Spätherbst hinein loderten Waldbrände, Löschflugzeuge tankten in den ohnehin schon schrumpfenden Stauseen Wasser auf. Auf Sizilien war die zweite Hälfte des Jahres 2023 die trockenste seit über einem Jahrhundert: Von September bis Dezember fehlten rund 220 Millimeter Niederschlag.
Die trockenste Periode seit über 100 Jahren
Alleine im Dezember wurde laut greenreport.it mancherorts ein Niederschlagsdefizit von bis zu 96 Prozent verzeichnet. Der Provinz Enna im Zentrum der Insel fehlten im Ganzen 81,5 Prozent, der Provinz Catania 80 Prozent. Der Herbst und der Winter waren auf Sizilien so trocken wie noch nie seit Messbeginn im Jahre 1921. Selbst der größte Stausee Lago Pozzillo führt kaum mehr Wasser. Gerade mal zwei Prozent von möglichen 150 Millionen Kubikmetern Wasser sind dort noch vorhanden.
Vor allem Viehzüchter haben kaum noch Heu für ihre Tiere. Und Zitrusfrüchte verringern aufgrund der Hitze und geringen Niederschläge ihre Größe, die Produktionskosten steigen. „Auch die Weinlese ist betroffen, wir haben einen durchschnittlichen regionalen Produktionsrückgang von über 40 Prozent“, teilt der Landwirtschaftsverband Coldiretti Sizilien mit, in der Provinz Trapani sogar um 70 Prozent.
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Nur in Marokko und Algerien ist es so trocken wie auf Sizilien
„Aufgrund fehlender Wasserressourcen ist Sizilien die einzige Region Europas in der roten Zone. Die meteorologische Situation der letzten Monate hat zu einem deutlichen Rückgang der Wassermengen in den Stauseen geführt, sodass eine regelmäßige Bewässerung des Landes als Ersatz für den fehlenden Regen nicht mehr möglich ist“, sagt Landwirtschaftsrat Sammartino. „Wir sind uns der kritischen Probleme bewusst und entwickeln alle notwendigen Maßnahmen, um den Agrar- und Viehzuchtsektor sowie die Produkte unseres Landes zu unterstützen und zu schützen.“ Ein Krisenstab soll nun helfen, die Wasserknappheit zu bewältigen.
Coldiretti spricht „von einer der schwerwiegendsten Tragödien, die unsere Region je erlebt hat“. Und der Sprecher der italienischen Grünen, Angelo Bonelli, greift die Regierenden in Rom an: „Während die Regierung den ökologischen Wandel bekämpft, wurde im Februar auf Sizilien eine Dürrekatastrophe ausgerufen. Wenn wir keinen Frieden mit dem Klima schließen, werden wir keine Nahrung haben und Arbeitsplätze in der Landwirtschaft verlieren. Klar oder, Giorgia Meloni?“
Sizilien droht, zu fast drei Vierteln eine Wüste zu werden
Es kommt aber wohl noch schlimmer: Aus einigen Daten, die vom Greenway und Ecogest Climate Change Study Center (CSCC) in Genf gesammelt wurden, geht hervor: Bis 2050 wird ein Anstieg der Oberflächentemperatur für die Meeres- und Küstengewässer Siziliens zwischen 1,2 und 1,3 Grad Celsius sowie ein Anstieg des Meeresspiegels um etwa sieben Zentimeter erwartet. „In Sizilien ist der fortschreitende Erwärmungsprozess einer der offensichtlichsten, nicht nur in Italien“, erklärt Valerio Molinari, Präsident des CSCC. Es bestehe das Risiko der Wüstenbildung auf 70 Prozent der Fläche des Territoriums der Insel.

Eine der Maßnahmen, um den Wassermangel in der Landwirtschaft zu bekämpfen, war Mitte Februar die Erlaubnis, Wasser aus dem Arancio-Stausee für die Bewässerung der Felder zu verwenden. Voriges Jahr war die Verwendung des Wassers der Talsperre für die Landwirtschaft noch verboten worden, da sich dort Rotalgen ausgebreitet hatten, die als giftig gelten.
Verzweifelter Kampf um Wasser aus mit Giftalgen verseuchten Bewässerungsreservoir
Nachdem die Bauern förmlich darum gebettelt hatten, wurde am 15. Februar die Verwendung des Wassers wieder erlaubt – nachdem man am 21. Januar neue Proben entnommen hatte. Die Belastung sei unter die Grenzwerte gesunken, hieß es. Das Gesundheitsamt der Provinz Agrigent empfahl laut Nachrichtenagentur Ansa „die Verwendung persönlicher Schutzausrüstung, die für die Bewässerung geeignet ist, um die beteiligten Arbeiter zu schützen und eine Bewässerung durch Vernebelung zu vermeiden“.
Bei einer neuen Probeentnahme am 18. Februar wurden laut corrieredisciacca.it wieder Rotalgen festgestellt. Das potenziell giftige Cyanobakterium produziert Microcystin, das als leberschädigende und für Mensch und Tier krebserregende Substanz gilt. Die Konzentration der Rotalgen wird noch ermittelt, auch die chemischen Analysen durch die regionale Umweltschutzbehörde seien noch im Gange. „Aber die erfassten Mengen sind bereits beträchtlich“, heißt es in dem Bericht. Von einem neuen Bewässerungstopp ist noch nicht die Rede. Schon 2023 musste Sizilien zu drastischen Mitteln greifen – wegen einer Naturkatastrophe.