Die Kammer des Schreckens

Die Nationalmannschaft besteht aus Weltmeistern, Champions-League-Siegern und Pokalsiegern. Doch im DFB-Trikot ist davon wenig zu sehen.

Kapitän İlkay Gündoğan wirkte ratlos, Torjäger Niclas Füllkrug tat es ihm gleich, Bundestrainer Julian Nagelsmann zum Teil auch. Ganz besonders ratlos wirkte ZDF-Moderator Jochen Breyer, der nicht aufhören konnte, seine Gesprächspartner nach dem Warum zu fragen.

Warum ist diese deutsche Mannschaft so schwach? Warum schaffen es all diese erfolgreichen und talentierten Einzelspieler nicht, in der Mannschaft zu funktionieren? Warum schafft es auch der dritte Bundestrainer in Serie (bisher) nicht, Deutschland wieder auf Erfolgskurs zu bringen?

Breyers Eindruck nach der enttäuschenden 0:2-Niederlage der DFB-Elf in Österreich ist einer, den auch viele Fans und Beobachter teilen. Irgendetwas stimmt in dieser Mannschaft nicht. Anders ist es nicht zu erklären, dass diese Stars vom FC Bayern, FC Barcelona, FC Arsenal oder Real Madrid im Kollektiv nicht funktionieren. An der viel beschriebenen "Siegermentalität" mangelt es in Anbetracht der Kaderzusammenstellung nicht.

Es gibt Champions-League-Sieger (Rüdiger, Gündoğan, Havertz, Kimmich ...), Europa-League-Sieger (Trapp), Meister in verschiedenen Ländern und Pokalsieger. Und dennoch ist von all den Erfolgen auf dem Platz nichts zu sehen, sobald diese Stars das DFB-Trikot tragen. Es ist, als wäre die Kabine der Nationalelf wie die "Kammer des Schreckens", in die erfolgreiche und formstarke Spieler hineingehen und als verunsicherte und an sich selbst zweifelnde Versionen ihrer selbst wieder herauskommen.

"Das sind super viele gute Zeichen"

Dabei ist davon abseits des Rasens nichts zu spüren, meint Julian Nagelsmann. "Wenn man durchs Hotel geht, sechs Stunden vor dem Spiel, wo die Jungs eigentlich schlafen könnten, sitzen die zusammen und sprechen darüber, was gleich passiert. Das sind super viele gute Zeichen, aber den Transfer aufs Feld bekommen wir nicht hin", sagte der Bundestrainer im ZDF.

Auch sonst betonen die Personen im DFB-Umfeld gerne, wie gut die Stimmung im Team sei. Debütanten loben das Trainingsniveau, Funktionäre schwärmen von der Arbeit des Trainerteams. Doch das Resultat ist etwas mehr als ein halbes Jahr vor dem Start der Heim-EM pure Enttäuschung.

Um eine Erklärung für die Schieflage bemühen sich viele. Eine echte Antwort finden nur wenige. Denn nach Joachim Löw und Hansi Flick ist Julian Nagelsmann bereits der dritte Bundestrainer, der mit dieser Mannschaft nicht vom Fleck kommt. Ex-Nationalspieler Toni Kroos, der viele der Nationalspieler noch gut kennt, vermutete im Sommer im Podcast "Baywatch Berlin": "Ich glaube, dass ihnen größtenteils das Selbstvertrauen fehlt und dass sie aktuell wenig Leute haben, die sie ein wenig mitziehen können. (...) So ist das so ein bisschen ein Dahin-Gekicke ohne großes Aufbäumen."

Eben jenes Aufbäumen kam auch gegen Österreich viel zu spät. Erst der Platzverweis von Leroy Sané rüttelte die Mannschaft etwas wach. "Wir haben bis zur 50. Minute nicht dagegengehalten. So kann man nicht bestehen auf höchstem Niveau", sagte ein selbstkritischer Mats Hummels im ZDF.

"Wenn wir das irgendwie schaffen ..."

Kroos' Aussagen aus dem Sommer sind aktueller denn je. Die Nationalmannschaft ist schnell verunsichert, bricht bei Rückschlägen regelmäßig ein. Auf die gute Anfangsviertelstunde gegen die Türkei am Samstag kamen nach ersten gelungenen Aktionen der Gäste, gepaart mit leidenschaftlichen Fans auf den Rängen, Zweifel auf – und schon ging die Negativspirale los.

Gegen Österreich traf Deutschland auf einen selbstbewussten Gegner mit klarer Spielidee und Zehntausenden frenetischen Fans im Rücken. Die wacklige DFB-Elf ergab sich schon fast von selbst und lief mit dem leidenschaftslosen "Standfußball", wie Julian Nagelsmann ihn nannte, ins offene Messer.