Polen löst Ungarn ab: neue EU-Ratspräsidentschaft mit Fokus auf Sicherheit und Verteidigung

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Polen löst Ungarn an der Spitze des Europäischen Rates ab und plant einen Kurswechsel. Vor allem Russland und die USA könnten dies spüren.

Brüssel – Ab Januar übernimmt Polen den EU-Ratsvorsitz von Ungarn. Nach turbulenten sechs Monaten unter der Leitung des rechtspopulistischen ungarischen Premierministers Viktor Orbán, hoffen viele EU-Länder auf eine Rückkehr zur Normalität. Denn im Gegensatz zu Orbán gilt der polnische Regierungschef Donald Tusk als Pro-Europäer. Er war bis 2019 Präsident des Europäischen Rates und leitete in dieser Funktion die Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs.

Vor allem in der Sicherheitspolitik wird ein Richtungswechsel erwartet. Polen plant, bereits im ersten Halbjahr eine klare Linie gegen Kreml-Chef Wladimir Putin zu zeigen, im Gegensatz zu Ungarn. Die polnische EU-Botschafterin Agnieszka Bartol kündigte ein 16. Sanktionspaket gegen Russland an. Diplomaten zufolge soll es kurz vor dem dritten Jahrestag des Ukraine-Kriegs am 24. Februar beschlossen werden.

EU-Ratspräsidentschaft: Donald Tusk will Europa aufrüsten und Zollstreit mit USA vermeiden

Ständiges Motiv in den Reden von Tusk ist einem Bericht der Deutschen Welle zufolge seit Monaten die Forderung, dass die Sicherheitspolitik Polens und anderer Staaten an der Ostflanke der Nato zur Politik der ganzen EU werden sollte. „Wir sollten die Beziehungen zu den USA pflegen, aber Europa muss selbstständig werden, muss auf den eigenen Beinen stehen. Die Epoche der Angst und Unsicherheit gegenüber Russland muss beendet werden“, sagte er vor dem Treffen mit den skandinavischen und baltischen Staaten Ende November.

Liegen in einem heftigen Streit: Polens Ministerpräsident Donald Tusk (l.) und Ungarns Premier Viktor Orbán (r.). © JOHN THYS / Attila KISBENEDEK / AFP

Darüber hinaus möchte Polen dazu beitragen, einen neuen Zollstreit mit Trump zu vermeiden. Bartol betonte, dass das Ziel „kein Handelskrieg, sondern gute Handelsbeziehungen“ mit den USA sei. Polen tritt jedoch mit einer Herausforderung in den Ratsvorsitz ein: Im Mai wird das Land voraussichtlich einen Nachfolger für Präsident Andrzej Duda wählen. Duda, der der früheren Regierungspartei PiS nahesteht, ist ein Rivale von Tusk und kann nach zwei Amtszeiten nicht wieder antreten. Einige Diplomaten befürchten, dass der Wahlkampf die Ratspräsidentschaft überschatten könnte, wie es bereits bei Frankreichs Ratsvorsitz im ersten Halbjahr 2022 der Fall war.

Streitthemen zwischen Polen und EU könnten Mercosur-Abkommen und Asylpakt werden

Es wird erwartet, dass es bei zwei Schlüsselthemen keine Fortschritte geben wird: Polen, wie auch Ungarn, lehnt den EU-Asylpakt ab, den die Mitgliedsländer bis 2026 in nationales Recht umsetzen sollen. Warschau kritisiert insbesondere den Solidaritätsmechanismus zur Umverteilung von Geflüchteten aus Italien oder Griechenland. Polen hat fast eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen und sieht sich überlastet.

Polen steht dem EU-Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten Südamerikas ebenfalls kritisch gegenüber. Das Agrarland fürchtet, ebenso wie Frankreich, Verluste für seine Bauern durch billigere Rindfleisch- und Geflügelimporte aus Argentinien oder Brasilien. Um die Bedeutung der Landwirtschaft hervorzuheben, hat Warschau sogar eine „offizielle Frucht“ für seinen Ratsvorsitz bestimmt: den polnischen Apfel, der als Exportschlager des Landes gilt.

„Make Europe Great Again“ und Orbáns Populismus sind bald Geschichte

Guntram Wolff, ein Mitglied der Brüsseler Denkfabrik Bruegel, erwartet laut AFP einen großen Unterschied mit Polen an der Spitze. Er weist darauf hin, dass Ungarn die Mehrheit der Mitgliedsländer stark irritiert hat – deutsche Ministerinnen und Minister seien teilweise sogar Treffen in Ungarn fernblieben.

Orbán hatte den ungarischen Ratsvorsitz unter das Motto „Make Europe Great Again“ gestellt, eine Anspielung auf den Slogan „Make America Great Again“ des designierten US-Präsidenten Donald Trump. Orbán ist nicht nur ein eingefleischter Trump-Anhänger, sondern auch einer der größten Unterstützer des Kreml-Chefs Wladimir Putin in der EU. Er verärgerte seine Partner monatelang mit unangekündigten Treffen mit Putin, Trump und anderen im Rahmen einer selbsternannten „Friedensmission“ für die Ukraine. (lm/afp)

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