Nach tödlichem Unfall in Berlin: Grüne wollen regelmäßige Tests für Senioren
Der Verkehrsunfall in Berlin-Mitte, bei dem eine Mutter und ihr vierjähriger Sohn starben, ist Anlass für eine neue Debatte um Fahrtests für Senioren.
Berlin – Die Grünen-Fraktion im Bundestag nimmt das Thema Fahrtests für Senioren wieder auf die Agenda: „Nach Fahranfängern verursachen alte Menschen – pro gefahrenem Kilometer – am häufigsten Unfälle – und das trotz ihrer langjährigen Fahrerfahrung“, sagte Stefan Gelbhaar, der verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) am Dienstag (11. März). „Viele sind zwar jahrzehntelang unfallfrei gefahren“, so Gelbhaar, „doch mit dem Alter bauen Sehkraft, Hörvermögen und Reaktionsfähigkeit langsam ab.“ Regelmäßige Tests dazu seien deshalb sinnvoll.
Eine Mehrheit der Deutschen könnte sich mit einem derartigen Test für Rentner ab einem gewissen Alter anfreunden. In einer Umfrage des Portals Verifox hatten 76 Prozent der Befragten für einen verpflichtenden Test gestimmt. Insgesamt 56 Prozent der 70- bis 79-Jährigen sprachen sich für eine derartige verpflichtende Überprüfung aus. Trauriger Anlass für die neuerliche Debatte ist der Tod zweier Menschen in Berlin: Am Wochenende waren eine Mutter und ihr vierjähriger Sohn von einem 83-Jährigen angefahren worden. Sie starben an den Folgen des Unfalls.
Testpflicht für Rentner und Senioren: Verband stemmt sich gegen Generalverdacht und „Verbote“
Dagegen spricht sich laut RND die Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO), Regina Görner aus. Wissenschaftliche Untersuchungen hätten gezeigt, dass sich altersabhängige Überprüfungen der Fahreignung in anderen europäischen Ländern, wie zum Beispiel der Schweiz, nicht positiv auf die Verkehrssicherheit ausgewirkt hätten. Sie sei gegen einen „Generalverdacht“ und vielmehr für individuelle Lösungen. Eine japanische Studie hatte dagegen schon einen Rückgang von Unfallzahlen nach der Einführung verpflichtender Tests gezeigt.
Die EU arbeitet an einer Führerscheinreform und hat im März 2023 neue Richtlinien vorgelegt. Das hatte für massive Kritik gesorgt. Im November hatten sich die EU-Pläne nochmals geändert. Viele ältere Menschen fürchten sich vor Ausgrenzung und Vereinsamung, wenn sie nicht mehr fahren dürfen. Das hatten Reaktionen auf die EU-Pläne gezeigt. „Ich bin 57. Dann bin ich mit 70 ausgegrenzt“, schrieben Nutzer auf X. Oder: „Das passt übrigens: Bis 70 arbeiten, aber eine Führerscheinnachschulung absolvieren müssen.“
SPD und FDP mit Alternative zu Grünen-Vorschlag
Verkehrspolitiker von SPD und FDP lehnten den Vorstoß zwar ab, riefen Rentner aber zu mehr freiwilligen Fahrtests auf. Der SPD-Verkehrspolitiker Mathias Stein sagte den RND-Zeitungen, er plädiere dafür, dass „alle Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer in regelmäßigen Abständen freiwillige Rückmeldefahrten absolvierten, denn Fehlverhalten im Straßenverkehr ist keine Frage des Alters“.
Gesetzesänderungen seien jedoch unnötig, da „schon jetzt Personen jeden Alters, die wegen körperlicher Einschränkungen nicht vollständig fahrtauglich sind, eine Beschränkung für ihre Autofahrten auferlegt werden kann“, sagte Stein. „Altersbedingte Extrapflichten lehnen wir deshalb ab.“ Auf mehr freiwillige Tests setzt auch Sachsens-Anhalts Verkehrsministerin Lydia Hüskens (FDP). „Solche Überprüfungen dürfen nicht am Preis scheitern“, sagte sie dem RND. „Sie müssen für alle erschwinglich sein. Darauf sollten wir hinwirken.“ (dpa/kat)