"Warum denn nicht gleich so?"
Die Umfragen für den Kanzler sind im Keller. Auf dem Parteitag der SPD gibt er den Genossen, was sie hören wollen. Harte Kritik kommt nur aus einer Richtung.
Was hatte er nicht alles ertragen müssen in letzter Zeit: eine Klatsche von den höchsten Richtern des Landes, Koalitionspartner, die ihm auf der Nase herumtanzen, persönliche Angriffe der Opposition, Macherimage angekratzt, Umfrageabsturz.
Doch als Olaf Scholz an diesem Samstag auf dem SPD-Parteitag ans Rednerpult tritt, ist von diesen vielen Niederlagen kaum etwas zu spüren. Der Kanzler wirkt souverän, gelassen, ist sogar teilweise zu Scherzen aufgelegt. Mentale Rückendeckung bekommt er von den Hunderten Delegierten im Berliner CityCube, die sich zu Standing Ovations erheben, noch bevor Scholz auch nur einen Satz gesagt hat.
Scholz gefällt das sichtlich.
Von den großen zu den ganz großen Krisen
In seiner rund 50-minütigen Rede spannt Scholz den Bogen von den großen zu den ganz großen Krisen, in denen das Land seit Beginn seiner Amtsübernahme steckt: der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, die hohen Energiepreise, die Migrationsbewegungen, die Klimakrise, eine Welt im Umbruch. Vor allem beim Thema Ukraine rief Scholz zu einem langen Atem bei der deutschen Unterstützung auf. "Dieser Krieg ist wahrscheinlich so schnell nicht vorbei", so der Kanzler.
Die Erzählung der sich stapelnden Krisen zieht sich wie ein roter Faden durch Scholz' Rede. Sie hat auch den Zweck, die Delegierten daran erinnern, wie schwer die Ausgangslage für ihn und die Ampel war und ist. Dass die schlechten Umfragewerte weniger mit der Arbeit der Regierung, sondern mit der Größe der Aufgaben zu tun hat.
Das gilt vor allem beim Thema Energiekrise, wo Scholz offenbar die Ampel als besonders verwundbar ansieht. Der Kanzler verwendet hier mehrere Minuten, um den Delegierten noch mal zu erklären, wie es zur Explosion der Gaspreise kam, den daraus resultierenden wirtschaftlichen Verwerfungen und vor allem, wer der Verursacher der ganzen Misere ist: "Putins Russland, das einen illegalen Krieg begonnen und schon vorher Gaslieferungen gedrosselt hat."
"Wird keinen Abbau des Sozialstaats geben"
Inhaltlich setzt Scholz ganz auf die Leib- und Magenthemen der SPD. Dabei tut der Kanzler etwas, was er schon seit einer Weile nicht mehr getan hat und lässt seinen inneren Sozialdemokraten sprechen. "Am allermeisten haben wir in dieser Legislatur gemacht für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit kleinen Einkommen. Das ist der Verdienst, den wir für uns reklamieren", ruft der Kanzler mit Verve in den Saal, was von den Delegierten mit tosendem Applaus quittiert wird.
Scholz geht seine persönliche Liste sozialpolitischer Errungenschaften durch: Höherer Mindestlohn, mehr Kindergeld und Kinderzuschlag, höhere Erwerbsminderungsrente – das sei alles nur mit ihm als sozialdemokratischer Kanzler möglich gewesen. "Aber wir geben nicht auf, wir kümmern uns um diejenigen, die so wenig verdienen, aber so fleißig arbeiten", so Scholz kämpferisch.
Scholz spielt gekonnt auf der sozialdemokratischen Klaviatur, wie man es schon länger nicht mehr erlebt hat. Auch beim Bürgergeld, wo etwa die Union, aber auch die FDP Einsparungen fordern, zieht Scholz eine rote Linie und sagt den Satz, den fast jeder hier im Saal hören will: "Es wird keinen Abbau des Sozialstaats in Deutschlands geben."
Worauf es wirklich ankommt
Doch der eigentliche Schwerpunkt von Scholz' Rede ist das Aufzählen der eigenen Erfolge, sind nicht die Spitzen gegen die Ampelpartner ("Manches von dem, was da passiert ist, hätte ich echt nicht gebraucht") oder die Aufrufe zur Geschlossenheit. Der Kern seiner Rede ist eine Botschaft, die nicht neu ist, aber die aus Kanzlersicht wichtiger denn je ist: Zuversicht.