Bürgerversammlung Asylhalle Marienstein: „Wir stehen hinter euch“

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Großes Interesse: Ausschließlich Gemeindebürger und ortsansässige Gewerbetreibende waren zur Bürgerversammlung in der Turnhalle der Grundschule eingeladen und füllten diese nahezu komplett. © Daniela Skodacek

Einen Zulauf wie noch nie hatte die Bürgerversammlung der Gemeinde Waakirchen am Dienstag. Im Fokus stand die Asylunterkunft Marienstein II.

Waakirchen – Die Waakirchner Bürgerversammlung zur geplanten Asylunterkunft Marienstein II verlief am Dienstag (3. Dezember) geordnet, aber quasi ergebnislos. Klar geworden ist: Die Gegner des Vorhabens sind zahlreich und haben die Gemeinde gänzlich hinter sich. Diese will weiterhin mit dem „Schaftlacher Modell“ dagegen halten.

Thema Asyl: Großer Andrang bei Bürgerversammlung in Waakirchen

Die 300 platzierten Stühle in der Turnhalle reichten bei Weitem nicht aus. Rund 100 Besucher – es waren ausschließlich Gemeindebürger und ortsansässige Gewerbetreibende eingeladen – verfolgten die Zusammenkunft auf Turnhallenbänken oder stehend am Rand.

Draußen sorgte die Feuerwehr für geordnete Verkehrs- und Parkverhältnisse, während sich auch ein paar Demonstrierende von außerhalb postiert hatten. Eine Polizeistreife war ebenfalls vor Ort.

In der Turnhalle selbst waren mindestens vier Security-Kräfte präsent. Wohl um zu verhindern, dass der Abend ausarten könnte, wie die Warngauer Bürgerversammlung im Februar. Zudem waren private Foto-, Video- und Tonaufnahmen nicht gestattet. Doch Zwischenfälle blieben aus, es verlief alles ruhig.

Bedenken bei den Bürgern – Landratsamt zieht Bauantrag erneut zurück

Beruhigt aber sind viele Waakirchner nicht, im Gegenteil. Das einzige Thema der Versammlung, die vom Landratsamt geplante zweite Asylunterkunft für zusätzliche 150 Flüchtlinge in Marienstein – in der „Haslbergerhalle“, brennt der Bevölkerung deutlich auf den Nägeln.

Gegenüber, im ehemaligen Verwaltungsgebäudes auf dem alten Bergwerksgelände, hat die Behörde bereits eine Unterkunft für 40 Personen realisiert; 19 Flüchtlinge, darunter einige Kinder, sind kürzlich bereits eingezogen – auch im Vorfeld dessen gab es Bedenken, aber auch Zuversicht. Weitere zwölf bis 15 Asylsuchende sind derzeit privat in Marienstein untergebracht, berichtete Bürgermeister Norbert Kerkel.

Ursprünglich war unmittelbar vor der Bürgerversammlung eine öffentliche Gemeinderatssitzung angesetzt, die den Bauantrag des Landratsamtes zur Nutzungsänderung der Haslberger Maschinen- und Lagerhalle im Mariensteiner Gewerbegebiet behandeln sollte. Allerdings zog die Behörde ihren Antrag kurz zuvor zurück, um ihn rechtlich prüfen zu lassen. Zum zweiten Mal.

Bereits im Juli sollte über den Bauantrag in einer öffentlichen Sondersitzung entschieden werden. Damals schon hatte das Landratsamt den Antrag zurückgenommen und die Sondersitzung entfiel.

Kerkel: „Nicht bekannt, dass es ein Konzept für da hinten gibt.“

Diesmal aber zog die Gemeinde Waakirchen ihre Veranstaltung durch. „Das Thema ist einfach hochgekocht. Unsere Verhandlungen sind im Weitesten abgeschlossen“, sagte Kerkel und erläuterte den Besuchern die Entwicklungen seit diesem Sommer. „Es ist mir nicht bekannt, dass es ein Konzept für da hinten gibt“, merkte er zudem an.

Es sei relativ dürftig zu sagen, man brauche die Halle, weil‘s schnell geht. „Verhandlungsmasse“ im Tauziehen um die zweite Unterkunft in Marienstein ist und bleibt daher das „Schaftlacher Modell“.

Das „Schaftlacher Modell“

„Die Gemeinde Waakirchen verwehrt sich nicht, Asylsuchende aufzunehmen und zeigt sich solidarisch“, betonte Kerkel in der Versammlung und verwies auf die Situation 2015. Nachdem damals das Untergeschoss der Turnhalle kurzfristig für Flüchtlinge zur Verfügung gestellt wurde, beschloss der Gemeinderat noch im selben Jahr, zwei Gebäude neben dem Schaftlacher Friedhof zu errichten – die Geburtsstunde des Waakirchner Kommunalunternehmens WBW KU. Das Ergebnis ist als „Schaftlacher Modell“ momentan in aller Munde. Bürgermeister Kerkel stellte das Konzept, das zügig für geeigneteren Wohnraum (auch in anderen Kommunen) sorgen könne, in der Versammlung näher vor.

In rund sechs Monaten könne ein Gebäude in Modulbauweise errichtet sein. Nach einer 15-jährigen Nutzung als Asylunterkunft könnte es als bezahlbarer Wohnraum für die Bevölkerung dienen. Waakirchen habe mit den beiden Häusern in Schaftlach, die 2016 bezugsfertig waren, bereits acht Jahre überwiegend gute Erfahrung gemacht. Als nächsten Gebäudestandort hat die Gemeinde ein freies Grundstück am Ortsrand an der Schaftlacher Straße im Auge (Unterdorf Waakirchen).

Kein geeigneter Standort – 800 Einwohner im Ortsteil

Allgemeiner Tenor des Abends, sowohl seitens der Gemeindevertreter als auch der Teilnehmer – darunter auch der Waakirchner Helferkreis, war: Der vom Landratsamt angepeilte Standort, die Haslberger Maschinen- und Lagerhalle im Mariensteiner Gewerbegebiet, ist der denkbar Schlechteste in der ganzen Gemeinde.

Dunkel und im Winter schneereich sowie eisig kalt sei es „da hinten“. Fehlende Infrastruktur, kaum öffentliche Anbindung sowie schlechter Handyempfang kämen dazu. Vor allem die ungünstige Lage schürt merklich Ängste, dass Konflikte vorprogrammiert sein könnten. Ebenso die Aussicht auf bis zu 150 zusätzliche Flüchtlinge in dem Ortsteil mit 800 Einwohnern. „Wir schaffen das nicht!“ ist daher einer der Slogans der frisch gegründeten Bürgerinitiative (BI) „Miteinander für unser Dahoam“.

Ärger über Fernbleiben des Landratsamtes

Dass vom Landratsamt kein einziger Vertreter in die Turnhalle gekommen war, stieß etlichen Bürgern, die ihr Rederecht nutzten, sauer auf. Viele bedankten sich in ihren Wortmeldungen auch bei Bürgermeister Kerkel und dem Gemeinderat für den Schulterschluss der Gemeinde gegen die weitere Planung der Unterkunft. Für seine Aussage „Wir stehen hinter euch“, erhielt Bürgermeister Kerkel großen Applaus.

Zumindest hatte die Behörde einen Fragenkatalog von Vertretern der BI bis kurz vor der Versammlung schriftlich beantwortet.

Landratsamt nimmt suboptimale Rahmenbedingungen in Kauf

Geschäftsleiter Markus Liebl las sämtliche Fragestellungen und Antworten in der Versammlung vor, teilweise kommentiert. Die Fragen drehten sich um die Sicherheit der Bevölkerung, die Verhältnismäßigkeit von Flüchtlingen und Einwohnern, um die Integration sowie die Option des „Schaftlacher Modells“ (siehe Infokasten oben).

Vor allem die Aussage des Landratsamtes, dass es die Herausforderungen erkenne, die mit der Unterbringung von Geflüchteten in Marienstein verbunden sind, schmeckte nicht jedem Zuhörer. „Allerdings bleibt uns in der aktuellen Situation keine andere Wahl, als pragmatische Lösungen zu finden und das Beste aus den gegebenen Umständen zu machen (...)“, heißt es in der Antwort auf die Frage, ob die Behörde den Standort als sinnvoll erachtet.

Waakirchen Plakat Asyl
Klares Statement am Ortseingang Waakirchen. © Fridolin Thanner

Dem „Schaftlacher Modell“ steht das Landratsamt generell positiv gegenüber. Doch geht es der Behörde allein damit zu langsam. Zudem biete es „nur Platz für 30 bis 40 Menschen“. Aufgrund der drängenden Situation seien auch schnelle Lösungen gefragt, die zeitnah umsetzbar sind. Es brauche daher beide Optionen.

„Wir sind weiterhin gesprächsbereit“

Allerdings, das wurde in der Versammlung deutlich, wird die Gemeinde nichts bauen, solange das Landratsamt an der Unterkunft Marienstein II festhält. „Wir sind weiterhin gesprächsbereit“, sagte Kerkel, der sich nicht vorstellen könne, dass ein Bezug der Haslbergerhalle so viel schneller geht.

Als nächstes wartet man im Rathaus auf die erneute Eingabe des Bauantrags. Ob das noch vor Weihnachten passiert, sei fraglich. Sicher ist: Trudelt er erneut ein, wird ihn der Bauausschuss ablehnen. „Wir holen uns rechtliche Schützenhilfe, um nichts zu übersehen“, sagte Kerkel. Zwei Anwälte seien bereits eingeschaltet. Auch der Klageweg stehe offen.

Nach über zweieinhalb Stunden ging die Bürgerversammlung zu Ende. Wenn der erneuerte Bauantrag da sei, werde es sicher nochmal eine Veranstaltung geben, kündigte Kerkel an.

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