Erfolg für Bürgergeld-Empfänger: Klatsche für Jobcenter nach Eklat um Obdachlosenunterkunft

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In einem wegweisenden Urteil hat ein Sozialgericht das Jobcenter dafür gerügt, dass sie einem wohnungslosen Pärchen die Unterkunft nicht zahlen wollten – und auf eine Obdachlosenunterkunft verwies.

Leipzig – Das Jobcenter muss im Zweifel ein Hotel oder Hostel für Bürgergeld-Empfänger übernehmen, wenn diese trotz intensiver Suche keine andere Unterkunft finden. Das entschied das Sozialgericht Leipzig (Az: S 9 AS 1774/23 ER) in einem wegweisenden Urteil, und rügte zugleich das Jobcenter dafür, dass es als Alternative auf eine Obdachlosenunterkunft verwiesen hatte.

Wie es in der Urteilsbegründung heißt, hatte das Jobcenter auch nicht „in irgendeiner Weise bei der Wohnungssuche unterstützt“, was den Betroffenen die Suche aber durchaus geholfen hätte. Damit muss das Jobcenter die Kosten für das Hostel der Bürgergeld-Empfänger übernehmen. Das waren 70 Euro pro Nacht über mehrere Monate im Jahr 2023.

Bürgergeld-Paar war wegen Drogensucht wohnungslos

Das Bürgergeld-Paar bezieht seit Mai 2023 Leistungen vom Jobcenter, hatte aber zunächst keine Unterstützung bei den Wohnkosten erhalten, da sie obdachlos waren. Grund für die anhaltende Wohnungslosigkeit war eine Heroinabhängigkeit beider Betroffenen, die laut Gericht seit einem Jahr erfolgreich therapiert wird. Das Paar lebt seitdem abstinent – tut sich aber aufgrund massiver Stigmatisierung gegenüber Drogenabhängigen schwer bei der Wohnungssuche. Dass sie sich intensiv und auch mit Unterstützung von Sozialarbeitern und Sozialarbeiterinnen darum bemüht hatten, sah das Gericht als erwiesen an.

Das Jobcenter hatte argumentiert, dass sie laut Richtlinie für zwei Personen maximal 450 Euro pro Monat zahlen müsste. Die Hotelkosten seien also nicht angemessen, da die Kosten deutlich darüber liegen. Dem Pärchen schlug das Jobcenter stattdessen vor, in eine Gemeinschaftsunterkunft für Obdachlose zu ziehen.

Einzelfall ist entscheidend: Gericht rügt das Jobcenter

In der Urteilsbegründung ging das Sozialgericht im Detail darauf ein, warum dies keine Option gewesen wäre. So müsse das Jobcenter bei der Angemessenheit immer auch den Einzelfall abwägen und kann nicht nur wegen hoher Kosten entscheiden. „Es liegen Umstände vor, die dafür sprechen, zumindest vorübergehen und zum Zwecke weiterer Wohnungssuche die Hostelunterkunft als konkret angemessen einzustufen“, so das Gericht. So würde eine Unterbringung in der Gemeinschaftsunterkunft die Therapie des Paares gefährden, da dort bekanntermaßen Drogen angeboten wurden, auch an Personen, die abstinent seien. Das hatte ein Zeuge dem Gericht glaubhaft bestätigt. Dass die beiden Bürgergeldempfänger ihre Therapie fortsetzen, entspräche „explizit Gesetzeszweck“, da Leistungsempfängern immer die Möglichkeit gegeben werden solle „ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht“.

Des Weiteren haben Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen bekräftigt, dass die Unterkunft im Hostel beiden Betroffenen „sichtlich gut getan“ hatte und sich „positiv auf alle Lebensbereiche ausgewirkt habe.“ Das Gericht lehnte auch das Argument des Jobcenters ab, dass das Paar auch in einem weniger angespannten Wohnungsmarkt hätte suchen können, da insbesondere im vorliegenden Fall das soziale Netzwerk von zentraler Bedeutung sei.

Zwei Menschen gehen in die Agentur für Arbeit in Hamburg.
Der Gang ins Jobcenter: (Symbolfoto) © Christian Charisius/dpa

Abschließend rügte das Gericht das Jobcenter dafür, dass es nicht bei der Wohnungssuche unterstützt hatte. Zwar sei die Behörde dafür im Normalfall nicht verpflichtet dazu. „Dass hier kein Normalfall vorliegt, ergibt sich indes aus den geschilderten Umständen“, so die Begründung. Hätte das Jobcenter geholfen, dann hätte das die Wohnungssuche des Paares erleichtern können, da Vermietern deutlich gemacht würde, dass die Kosten in jedem Fall getragen würden. „Dieses Vorgehen ist auch im Hinblick auf die Kostenersparnis angezeigt – eine Verlängerung der Hostelunterbringung wäre so eventuell vermeidbar gewesen“.

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