Nach Ende der Feuerpause: Israel bereitet sich auf die „Hamas-Hölle“ im südlichen Gazastreifen vor

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Israel will die Hamas zerschlagen. Doch dafür muss das Militär in den Süden des Gazastreifens – die Hochburg der Hamas und Zufluchtsort von Millionen Menschen.

Tel Aviv – Aktuell scheint eine bedrohliche Stille über dem Gazastreifen zu liegen. Israel hat einer vorübergehenden Feuerpause zugestimmt, um die Freilassung von 50 Geiseln zu erreichen. Doch der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu betonte bereits, dass der Krieg gegen die Hamas nicht vorbei sei, bis die Terrororganisation vollständig zerschlagen ist. Dafür muss das Militär in den Süden des Gazastreifens eindringen - laut Experten die weitaus größte Herausforderung für Israel.

Netanjahu kündigt vollständige Vernichtung der Hamas an - dafür muss Israel in den südlichen Gazastreifen

Nach der Freilassung der Geiseln „werden wir die Kämpfe fortsetzen“, sagte Netanjahu dem Sender Welt-TV in einem Interview. Die Hamas habe die schlimmsten Morde verübt und werde das wieder tun, so der konservative Regierungschef. „Wir haben überhaupt keine Wahl, als die Hamas zu vernichten.“ Dazu hatte er bereits Anfang des Monats angekündigt, dass es keinen Ort im Gazastreifen gäbe, „den wir nicht erreichen werden“.

Ein israelisches IDF-Leuchtfeuer erhellt den Himmel, während Bomben während der Kämpfe zwischen den israelischen Streitkräften im nördlichen Gazastreifen und den Hamas-Kräften explodieren.
Ein israelisches IDF-Leuchtfeuer erhellt den Himmel, während Bomben während der Kämpfe zwischen den israelischen Streitkräften im nördlichen Gazastreifen und den Hamas-Kräften explodieren. © Jim Hollander / IMAGO

Wann dieser Zeitpunkt kommen wird, ist nicht klar. US-Außenminister Antony Blinken setzt sich in Israel aktuell für eine Verlängerung der Feuerpause im Krieg gegen die Hamas ein. Laut ihm sei Netanjahu sehr wichtig, alle Geiseln nachhause zu bringen. Die seit Freitag geltende Waffenruhe im Gazastreifen wurde daher bereits um zwei Tage verlängert. Nach aktuellem Stand läuft sie Donnerstagfrüh aber aus.

Israel will nach Waffenstillstand in den Süden von Gaza - dort warten die bislang größten Herausforderungen

Wenn die israelische Regierung an dem Ziel festhält, die Hamas zu zerschlagen, wird sich das Militär bald in den Süden des Gazastreifens begeben. Doch angesichts der humanitären Lage vor Ort wächst der internationale Druck auf Israel. Die Regierung unter Biden sagte der US-Zeitung The Hill zufolge, das Militär müsse unbedingt anders als bei den bisherigen Kämpfen im Norden vorgehen und zum Beispiel „Zonen der Entschärfung“ einrichten. Israel hatte im Norden zwar Zivilisten vor großflächigen Bombardierungen gewarnt und zur Flucht aufgerufen. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums im Gazastreifen, das von der Hamas geführt wird, wurden bisher trotzdem mehr als 14.000 Menschen getötet, darunter Tausende von Kindern. Die Zahlen können nicht unabhängig bestätigt werden.

Der einzige neue Zufluchtsort im Süden ist aktuell ein Lager in der Region Al-Mawasi, einem kleinen Küstenstreifen am Mittelmeer. Ein israelischer Armee-Sprecher teilte am 17. November mit, dass in dem Gebiet die Versorgung von Zivilisten sichergestellt würde. Doch das birgt neue Risiken. Laut dem Washington Institute for Near East Policy leben viele Hamas-Kämpfer und -Führer in südlichen Städten wie Chan Yunis oder Rafah, weitere seien möglicherweise seit Beginn des Konflikts dorthin geflohen. Sollte der Vorwurf Israels wahr sein, die Hamas benutze Zivilisten als Schutzschilde gegen das Militär, könnten dadurch auch wieder zahlreiche Hamas-Kämpfer in das Flüchtlingslager kommen.

Experten besorgt über künftige Kämpfe in Gaza: Im Süden tummeln sich Hamas-Kämpfer und Zivilisten

Diese Schwierigkeit sieht auch Robert Sanders, Professor für nationale Sicherheit an der Universität von New Haven. GegenüberThe Hill äußerte er sich skeptisch darüber, ob es Israel gelingen kann, die Hamas und die Zivilbevölkerung innerhalb eines so kleinen Gebiets sicher zu trennen. Zudem sei es schwierig, so viele Menschen in einer derart kleinen Zone ausreichend zu versorgen. Israel müsse bei künftigen Angriffen im Süden viel mehr kontrolliertere und „infanterieintensivere“ Operationen durchführen. Er warnte vor den Luftangriffen, die den nördlichen Gazastreifen wochenlang vor der Bodeninvasion bombardierten.

John Hannah, Senior Defense Fellow am Jewish Institute for National Security Affairs, ist sich hingegen sicher, dass die Kämpfe im Süden blutig werden. Nach Angaben von The Hills bezweifelt der Experte, dass es machbar sei, Menschen in eine winzige humanitäre Zone zu zwängen, und sagte, dass die Kämpfe in einer städtischen Umgebung mit vielen Zivilisten intensiver werden könnten. „Es wird ein höllischer Kampf werden“, so Hannah. „Dagegen wird der Norden wie ein Spaziergang im Park aussehen.“ (nz mit afp/dpa)

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