Zu geringe Rente: Sollten Gutverdiener Altersarmut fürchten?

  • VonOlivia Kowalak
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Menschen in Deutschland fürchten sich vor dem Lebensabend – denn mit stetig sinkendem Rentenniveau überkommt Bundesbürger die Angst vor Altersarmut. Doch Experten warnen vor negativen Gedankenspiralen und geben Tipps für bessere Finanzplanung.

Frankfurt – Altersarmut zählt mittlerweile zu den meist gefühlten Zukunftssorgen hierzulande. Nicht nur Geringverdiener machen sich Gedanken über die finanzielle Situation ihres Lebensabends. Wie eine Studie der R+V-Langzeitstudie „Die Ängste der Deutschen“ zeigt, zerbrechen sich inzwischen mehr und mehr den Kopf über das Leben nach deren Arbeit. Doch Psychologen machen Mut: Denn durch Angst wird negatives Denken verstärkt und kann letztendlich auch die Zukunft negativ beeinflussen.

Angst vor Altersarmut: Frauen besonders betroffen

Laut der R+V-Langzeitstudie haben 40 Prozent der Menschen in der Bundesrepublik Angst davor, ihren Lebensstandard im Alter nicht mehr halten können. Am größten ist die Sorge bei Frauen und bei 40- bis 59-Jährigen. „Mütter arbeiten vielfach Teilzeit oder steigen ganz oder zeitweise aus dem Berufsleben aus“, kommentierte Daniela Steinle, Vorsorge-Expertin der R+V Versicherung die Ergebnisse. Die 14- bis 19-Jährigen zeigen der Studie zufolge am wenigsten Ängste, weil nach Meinung von Pitters der Renteneintritt noch weit weg liege: „Werden wir dann älter, rückt die Rente näher, werden auch die Ängste viel realer“, so die Finanzpsychologin Julia Pitters gegenüber dem Handelsblatt.

Frauen verdienen laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes im Schnitt 18 Prozent weniger. Der Stepstone-Gehaltsreport 2024 ermittelte für Frauen in den ersten drei Jahren im Beruf bei Vollzeitbeschäftigung ein Bruttomediangehalt 37.500 Euro, bei Männern 40.250 Euro. Deren Alterseinkünfte liegen ein Viertel unter denen der Männer. „Damit verbunden ist ein deutlich höheres Armutsrisiko. Fast 21 Prozent der Frauen ab 65 sind armutsgefährdet. Bei den Männern derselben Altersgruppe sind es dagegen lediglich rund 16 Prozent“, erklärte Versicherungsexpertin Steinle.

Finanzpsychologin Pitters verwies im Gespräch mit dem Handelsblatt auf einen weiteren Grund: „Frauen sind im Schnitt weniger selbstbewusst und schätzen die eigene Finanzkompetenz geringer ein“. Hingegen definierten Männer ihren Selbstwert viel stärker über Finanzwissen und würden etwaige Wissenslücken nicht eingestehen. „Sie unterliegen dafür eher dem Overconfidence-Bias und überschätzen sich selbst“, fügte Pitters hinzu.

Viele Deutsche haben Angst, im Alter nicht genügend Geld zu haben – Psychologen raten allerdings zu mehr Optimismus.

Finanzplanung: Finanzpsychologin rät zu positivem Denken

Pitters rät Menschen in Deutschland davon ab, sich ausschließlich auf die negativen Zahlen zu konzentrieren: „Wenn 18 Prozent der Senioren in Deutschland armutsgefährdet sind, sind es 82 Prozent eben nicht“. Eher sollten Bundesbürger ihre Finanzsituation möglichst transparent einschätzen lernen. „Wie sehen meine Einnahmen, Ausgaben, Schulden aus? Kann ich künftig eventuell ein Erbe erwarten? Wie kann ich privat vorsorgen?“ Viele Ausgaben fielen zudem im Alter weg – durch unseren Verfügbarkeitsbias würden wir unseren Istzustand fälschlicherweise auf die Zukunft übertragen.

Wir sollten versuchen, positiv zu bleiben: Wenn 18 Prozent der Senioren in Deutschland armutsgefährdet sind, sind es 82 Prozent eben nicht.

„Wer sich in ihnen verliert, verliert sich auch in Negativität und Lethargie. Diese Hilflosigkeit lähmt und wird schlimmstenfalls zu einer Art selbsterfüllenden Prophezeiung: Was ich fürchte, tritt ein, gerade weil ich es fürchte“. Dem Handelsblatt verriet die Psychologin Pitters nützliche Tipps, um nicht in Panik zu versinken: „Mit einem Online-Rentenlückenrechner kann ich meinen Finanzbedarf im Alter errechnen – und dann anfangen, privat vorzusorgen“.

OECD fordert nationale Finanzbildungsstrategie für Deutschland

Pitters hob zudem auch die Bedeutung der Finanzbildung für die finanzielle Sicherheit heraus. Anhand einer Allianz-Studie konnte bereits erfasst werden, dass Menschen in Deutschland durch schlechte finanzielle Bildung bis zu 2.690 Euro im Jahr verlieren können. „Finanzbildung kann gar nicht früh genug beginnen“, mahnte die Psychologin.

Laut internationalem OECD-Vergleich ist das Finanzkompetenzniveau erwachsener Deutscher zwar relativ hoch. Doch lediglich 55 Prozent seien mit ihren Finanzplänen fürs Alter überzeugt. Die Finanzkompetenz von Geringverdienern sei dabei insgesamt niedriger als die der Besserverdiener. Weiterhin haben Menschen mit niedrigem Bildungsniveau der Untersuchung zufolge schlechteres Finanzwissen.

Frauen wiesen außerdem geringeres Finanzwissen als Männer auf und schätze ihre Finanzkompetenzen geringer. Die Autoren der Analyse fordern daher eine nationale Finanzbildungsstrategie für Deutschland. Diese würde auch die Entwicklung der Kapitalmärkte fördern, die wirtschaftliche Widerstandskraft würde zudem gestärkt werden.

Rubriklistenbild: © Thomas Trutschel/imago