Serie „So geht es Deutschland wirklich“ - Wohnungsloser Martin K. völlig frustriert: „Zuwanderer verschärfen Not bei uns“

Statt auf Bürgergeld, Flaschensammeln und etwas Essensgeld von Passanten angewiesen zu sein, kann der 42-Jährige voraussichtlich ab Januar seinen eigenen Lebensunterhalt bestreiten. „Wenn es gut läuft, bekomme ich 1100 Euro“, erzählt er mit einem Leuchten in den Augen.

Im Vergleich zu den rund 600 Euro zuvor ist das ein deutlicher Anstieg. Mit 13,50 Euro brutto die Stunde zahle ihm das Unternehmen sogar mehr als den Mindestlohn, in den kommenden Monaten dürfte der Verdienst sogar auf 15,48 Euro steigen.

„Ich fühle mich schon besser“, sagt er über seine neue Lebenssituation. Auch wenn er noch nicht weiß, ob das Einkommen dann für eine Mietwohnung reichen wird.

Lichtblick in harten Zeiten: „Der Kontakt zu meiner Tochter“

Immerhin hat Martin K. wieder ein Ziel vor Augen. „Das einzige Gute, das ich habe, ist der Kontakt zu meiner Tochter“, sagt er. Bereits vor dem Treffen mit dem FOCUS-online-Reporter weist er mehrfach darauf hin, dass er pünktlich zur S-Bahn muss. Am Nachmittag feiert der Kindergarten der Vierjährigen sein Weihnachtsfest, das will der Vater nicht versäumen.

Alle 14 Tage darf Martin K. sie sehen. Für ihn ist seine Tochter Ansporn, etwas an der eigenen Situation zu ändern: „Ich kann ihr nicht sagen, Papa lebt auf der Straße. Dafür schäme ich mich zu sehr.“ Bereits vorher habe er sich um ein gepflegtes Erscheinungsbild bemüht, um nicht sofort als Obdachloser aufzufallen.

„Ich wurde so nicht erzogen“, stellt Martin K. klar. Noch immer schäme sich seine Familie für ihn.

Dabei lief anfangs alles halbwegs glatt. Sein Elternhaus habe ihm viele Möglichkeiten geboten, sich zu entwickeln, sagt er.  Schule, Lehre, der übliche Weg. Ein Arbeitsunfall als Thermitschweißer warf ihn aus der Bahn. Noch heute habe er davon offene Beine, erzählt er. Hinzu kamen private Rückschläge wie der Tod der Zwillingsschwester nur wenige Tage nach einem Streit und weitere traurige Todesfälle im Familienkreis.

„Der Griff zur Flasche war nicht weit“, merkt der seit 15 Jahren trockene Alkoholiker an. Nur sein unterstützendes Umfeld habe ihn vor einem Rückfall bewahrt. Trotzdem verlor er 2018 seine Wohnung.

Martin K. verschweigt nicht, dass er auch vorher kein mustergültiges Leben geführt und mehrere Vorstrafen hat. Das erschwerte seine Rückkehr in ein geregeltes Leben. So musste er, nachdem ihm der Verein „Little Home“ einen Arbeitsplatz in Hannover organisiert hatte, vier Monate ins Gefängnis –

Seit Jahren gibt es Diskussionen über die Sinnhaftigkeit dieses harten juristischen Vorgehens. Köln beispielsweise verzichtet mittlerweile auf Strafanzeigen.

Die Initiative Freiheitsfonds hat seit Dezember 2021 mehr als eine Million Euro gesammelt, um für fast 1200 Menschen die Strafen zu bezahlen. Damit hat sie nach eigenen Angaben 221 Haftjahre aufgelöst und dem Staat mehr als 17 Millionen Euro Kosten gespart. 87 Prozent der Betroffenen waren arbeitslos, 15 Prozent ohne festen Wohnsitz – so wie Martin K.

Zuwanderung nach Deutschland verschärft Wohnungsnot

Statt zurück an den Arbeitsplatz ging es für ihn dann in ein Wohnheim für Wohnungslose, von wo er dann zu einer neuen Partnerin nach Krefeld zog – und vier Monate später wieder vor die Tür gesetzt wurde. Daraufhin kehrte Martin K. zurück in die Hauptstadt.

Wohl fühle er sich in seiner Situation nicht, sagt der 42-Jährige. Doch wolle er sich nicht unterkriegen lassen. „Ich will eine Perspektive finden. Mit den passenden Leuten und Hilfe geht das“, sagt Martin K.

Vom Staat verspricht er sich nach seinen Erfahrungen keine Unterstützung mehr. „Die Politik macht sowieso, was sie will. Das ist dünnes Geschwafel“, kommentiert er. Am Ende ändere sich ohnehin nichts. Wie er die Gesellschaft sieht, in die seine Tochter hineinwächst? „Jämmerlich zugrunde gehen“, kommentiert Martin K. schmallippig.