Kampf um Rohstoffe nach Assad-Sturz könnte IS-Terroristen stärken: „Mit Folgen für Deutschland“
Nach dem Assad-Sturz steht Syrien vor einer ungewissen Zukunft. Ein Terror-Experte warnt jetzt vor zwei riskanten Szenarien.
Plötzlich ging alles ganz schnell: Nach Jahrzehnten der Schreckensdiktatur endete am Sonntag das Assad-Regime. Hunderttausende waren dem fast 14 Jahre andauernden Bürgerkrieg zum Opfer gefallen, Millionen Menschen wurden vertrieben. Baschar al-Assad galt als überaus brutaler Machthaber, nach dem blitzartigen Sturz durch syrische Rebellen und seiner Flucht nach Russland keimt erstmals seit langer Zeit so etwas wie Hoffnung. Die Zukunft des Landes ist allerdings ungewiss und hängt auch davon ab, ob sich die verschiedenen Rebellengruppen schnell auf eine Verteilung der Macht einigen können oder ob ein Machtvakuum entsteht und damit neue Gewalt.
Assad-Sturz in Syrien: Gründungsmitglieder der HTS-Rebellen haben al-Qaida-Ursprung
Klar ist: Das syrische Bündnis Haiʾat Tahrir asch-Scham (HTS), das zusammen mit anderen Gruppierungen Assad gestürzt hat, ist kein einfacher Rebellenzusammenschluss, sondern eine islamistische Miliz. Einige der Hauptgründungsmitglieder von HTS haben ihren Ursprung in der Terrororganisation al-Qaida. Experten fürchten ein Wiederaufleben des religiös motivierten Terrorismus in der Region. Terrorexperte und Nahost-Kenner Hans-Jakob Schindler vom Counter Extremism Project sieht noch ein weiteres Risiko, das mittelfristig auch Europa und Deutschland betreffen könnte.

„Aus Sicht der internationalen Terrorabwehr ergibt sich eine extrem heikle Situation – aus zwei Gründen“, so Schindler im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. Erstens gehe es dabei um die islamistische Ideologie von HTS. Die Gruppe habe zwar nicht unbedingt eine Agenda, die über Syrien hinausgehe. Aber: „Sie hat auch kein Problem mit Personen in ihrem Gebiet, die auch außerhalb Syriens terroristisch aktiv werden wollen.“ Zwar war HTS vor einigen Jahren gegen die al-Quaida-Gruppierung Hurras al Din vorgegangen. „Aber dabei ging es eher um das Ausschalten interner Konkurrenz als um einen Kampf gegen radikale Ideologie“, erklärt Schindler.
Nach Assad-Sturz: Wettbewerb um Rohstoffe in Syrien
Zweitens könnte es schon im Zuge eines potenziell entstehenden Chaos nach dem Assad-Sturz sehr bald zu einer Zuspitzung der Konflikte mit den Kurden in Syrien kommen. Kurden stellen die größte Minderheit in dem Land, die meisten leben im Norden des Landes entlang der Grenze zur Türkei. Seit Jahren gelten die syrischen Kurden als Bollwerk gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS). In den Kurdengebieten leben zahlreiche ehemalige Kämpfer des Islamischen Staats in Syrien (ISIS) unter der Bewachung kurdischer Truppen. Viele werden in Lagern festgehalten – teils unter Bedingungen, die von Menschenrechtsorganisationen kritisiert werden. Am Sonntag (8. Dezember) gab es eine Offensive gegen eine kurdische kontrollierte Region in Nordsyrien. Von Ankara unterstützte pro-türkische Einheiten haben nach eigenen Angaben die umkämpfte Stadt Manbidsch in dem Gebiet eingenommen.
„Dabei geht es einerseits darum, dass die Türkei eine volle Autonomie der Kurden in Syrien verhindern will“, so Schindler. „Es geht aber auch darum, dass die Kurden einen großen Teil der Ölvorkommen in Syrien unter ihrer Kontrolle haben.“ Der Wettbewerb um die Kontrolle von Rohstoffen biete „definitiv Konfliktpotential“, schätzt der Experte. Falls die Kurden zunehmend damit beschäftigt sein sollten, ihre Gebiete zu sichern, bestehe die Gefahr, dass die von den Kurden festgehaltenen ISIS-Kämpfer nicht mehr ausreichend bewacht würden.
Islamischer Staat könnte sich neu formieren
„Und dann könnte ISIS sich neu formieren und zurückkehren. Mit allen negativen Konsequenzen auch für Europa und Deutschland“, so Schindler. Über Jahre schien es ruhig um den IS geworden zu sein. Spätestens seit Bekanntwerden von Anschlagsplänen im Jahr 2023 und tatsächlichen Terrortaten wie in Solingen aber ist klar, dass Ableger – vor allem der IS Provinz Khorasan in Afghanistan (ISPK) – Europa als Ziel klar im Fokus haben.