Entsetzen über Millionen-Bonuszahlungen der Bahn: Weselsky rechnet mit „pervertiertem“ System ab

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Die Deutsche Bahn erlebt ein Krisen-Jahr – und der Vorstand darf sich trotzdem wohl auf Millionen-Bonuszahlungen freuen. Ein Vorgehen, das viel Kritik nach sich zieht.

Berlin – Streiks, Unpünktlichkeit, marodes Schienennetz: Man könnte meinen, die Deutsche Bahn hat ein echtes Seuchenjahr 2023 hinter sich. Die Unzufriedenheit wächst, die Ticket-Preise ebenfalls. Umso größer ist der Aufschrei darüber, dass die Bahn nun trotzdem wohl Bonuszahlungen an die Vorstände auszahlt – in Millionenhöhe.

Überraschend, da das Unternehmen besonders in den Bereichen Pünktlichkeit und Kundenzufriedenheit die Ziele weit verfehlt hat. NDR, WDR und „Süddeutsche Zeitung“ berichteten am Montag, sie hätten das langjährige Berechnungsmodell des Konzerns für die Boni einsehen können. Bereiche, in denen Ziele verfehlt worden seien, können demnach offenbar mit anderen Bereichen, in denen Ziele übertroffen werden, verrechnet werden. Die Boni kommen zum Grundgehalt von insgesamt rund vier Millionen Euro für die im Jahr 2022 neun Vorstandsmitglieder dazu. Laut Konzernbericht erhalten sie insgesamt rund neun Millionen Euro.

Deutsche Bahn zahlt Millionen-Boni an Vorstände: Warum das möglich ist

Laut Bericht übertraf die Bahn die eigenen Ziele im Bereich „Frauen in Führung und Mitarbeitenden-Zufriedenheit“ 2022 geringfügig. Der Bonus für diesen Bereich sei aber offenbar deutlich erhöht worden, auf einen Wert von 175 Prozent, heißt es weiter. Die damals neun Konzernvorstände sollen demnach allein für dieses Ziel rund 1,6 Millionen Euro erhalten. Auch beim Thema CO2-Einsparung habe die Bahn ihr selbstgestecktes Ziel den Unterlagen zufolge übererfüllt, und zwar um zwei Prozentpunkte, berichtete das Recherchebündnis. Dafür solle etwa der Vorstandsvorsitzende Richard Lutz knapp 440.000 Euro an Bonuszahlungen erhalten.

Über das Bonus-System bei der Bahn entscheidet der Aufsichtsrat, in dem Vertreter der Bundesregierung und der Gewerkschaften sitzen. Das System soll dem Bericht zufolge im kommenden Jahr umgestellt werden. Bahn-Vorstände hätten dann einen höheren Anteil ihres Gehalts als Fix-Gehalt, der Anteil der Boni solle sinken. Die Bahn erklärte gegenüber dem Recherchebündnis, zu Angelegenheiten des Aufsichtsrats äußere sich das Unternehmen nicht.

Die Deutsche Bahn zahlt trotz Krisen-Jahr 2023 Millionen-Boni aus. GDL-Chef Claus Weselsky kritisiert das.
Die Deutsche Bahn zahlt trotz Krisen-Jahr 2023 Millionen-Boni aus. GDL-Chef Claus Weselsky kritisiert das. © Bodo Marks / Christian Charisius / dpa (Montage)

Entsetzen über Millionen-Bonuszahlungen der Deutschen Bahn: Weselsky rechnet mit „pervertiertem“ System ab

Große Bonuszahlungen unter anderem wegen besserer Mitarbeiterzufriedenheit aus dem Jahr 2022 – und das ausgerechnet nach dem Streik-Jahr 2023. Erst kürzlich hatten Mitarbeitende nach einem Streik-Aufruf der Lokführergewerkschaft GDL den Verkehr in Deutschland weitgehend lahmgelegt. Die Kritik lässt daher nicht lange auf sich warten. So poltert auch Claus Weselsky, Chef der GDL, wegen der Zahlungen gegen die Bahn. Trotz schlechter Zahlen mache sich „das Management auf Kosten seiner Mitarbeiter die Taschen voll“, kritisiert Weselsky gegenüber dem Spiegel und legte noch nach: „Seit Jahren müssen wir zusehen, wie der Bahnvorstand ein System der skrupellosen Selbstbedienung immer weiter pervertiert und perfektioniert“.

Auch aus der Ampel folgte Kritik an den Millionen-Zahlungen. „Ich glaube, mit Gerechtigkeit haben sie rein gar nichts zu tun“, sagte etwa Grünen-Chefin Ricarda Lang über die Zahlungen an die Bahn-Vorstände und wertete sie als „mehr als schwieriges Signal“. Langs Parteikollege Anton Hofreiter sagte dem Spiegel, es mache den Eindruck,, „als sollten dem Vorstand durch Rechentricks Millionen zugeschustert werden, indem zentrale Kennziffern wie Pünktlichkeit nicht so wichtig sind“.

Derweil hat die Deutsche Bahn erst kürzlich, kurz nach dem neulichen GDL-Warnstreik, weitere Neuerungen eingeführt: Mit dem Fahrplanwechsel ändert sich auch einiges für Kunden bei der Deutschen Bahn. (han/dpa)

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