Das Ergebnis der Frankreich-Wahl ist ein Warnschuss an die SPD

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Die SPD sollte die Ergebnisse der Frankreich-Wahl analysieren, kommentiert „Münchner Merkur“-Redakteur Mike Schier. © Beautiful Sports/Imago/Klaus Haag/Montage:IPPEN.MEDIA

Ausgerechnet die Besserverdiener wählten bei der Frankreich-Wahl links. Französische Besonderheiten? Nein! Ein Kommentar von Mike Schier.

München – Das Wehklagen ist groß: In Frankreich hat der Rassemblement National im ersten Wahlgang große Erfolge eingefahren. Nun drückt sich die lange schwelende Unzufriedenheit, die sich schon in der Gelbwesten-Bewegung Bahn brach, auch an der Wahlurne aus. Die von Marine Le Pen aufgehübschte Rechte hat für viele Franzosen ihren Schrecken verloren. Und der Ärger über das Bestehende ist so groß, dass immer mehr sagen: Sollen die doch mal zeigen, ob sie es besser können.

Ergebnis der Frankreich-Wahl sollte der „Volkspartei“ SPD zu denken geben

Es lohnt sich – auch mit Blick auf Deutschland –, genauer auf die Details des Wahlergebnisses zu blicken. Laut Meinungsforschern entschieden sich 54 Prozent derer, die sich benachteiligt fühlen, für den RN. Auch bei den Arbeitern (38 Prozent) und der unteren Mittelklasse (36) schnitten die Rechten am stärksten ab. Historisch betrachtet eher kurios: Ausgerechnet die Besserverdiener und Privilegierten wählten (teils extrem) links.

Französische Besonderheiten? Nein! Der 161 Jahre alten Arbeiterpartei SPD sollte das dringend zu denken geben. Die Ansichten ihrer meist akademischen Funktionäre zu Zuwanderung, Nachhaltigkeit oder Sicherheit decken sich oft nicht mehr mit der traditionellen Klientel.

Das Grundgefühl: Während die Inflation die Lohnerhöhungen auffrisst und bis in die Mittelschicht die Sorge vor der Zukunft wächst, ringt die Ampel um ideologische Projekte. Beim Thema Migration ist das Missverhältnis besonders groß: Laut ZDF-Politbarometer meinen 70 Prozent der Befragten, dass die Asylregeln verschärft werden sollten. Das erklärt, warum die „Volkspartei“ SPD bei zwölf Prozent liegt.

Parlamentswahl in Frankreich – ein Warnsignal an deutsche Parteien

Doch Politik wäre leicht, wenn man einfach nur an ein paar Stellschrauben drehen müsste. Es geht auch um schwerer zu greifende Faktoren wie Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Wäre eine harte Linie in Sachen Migration der alleinige Schlüssel, müsste sich Rishi Sunak in London wesentlich weniger Sorgen machen als Emmanuel Macron in Paris.

Doch hier wie dort scheinen die Bürger einfach genug zu haben. Der Unterschied: Für den Machtwechsel in London steht mit Keir Starmer ein seriöser, gemäßigter Labour-Mann der Mitte bereit. In Paris dagegen hat sich das Parteiensystem binnen weniger Jahre komplett neu sortiert. Auch in Deutschland schwindet die Bindekraft der Parteien. Sie müssen aktiv daran arbeiten, wenn sie kein französisches Schicksal ereilen soll. (Mike Schier)

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