Mega-Erfolg aus China - Umweltstandards? Kinderarbeit? Schlechte Qualität ist nicht das größte Problem von Temu

Was gibt es nicht alles für Vorwürfe gegen den chinesischen Onlinehändler Temu.  Sie kommen vor allem von den Verbraucherschützern: Temu verfolge genauso wie seine heimischen Konkurrenten Shein oder Ali Express eine aggressive Preispolitik, um Aufmerksamkeit zu bekommen – zum Teil mit absurden Rabatten von bis zu über 90 Prozent. Dies werde durch „Dropshipping“ ermöglicht: Die Produkte werden direkt von den Herstellern ab Fabrik in China nach Deutschland verschickt, ohne Zwischenhändler. So sollen neue Märkte erobert und anderen Anbietern wie zum Beispiel Amazon Konkurrenz gemacht werden.

Viele Verbraucher und Behörden kritisieren die niedrigeren Qualitäts- und Sicherheitsstandards chinesischer Produkte im Vergleich zu denen, die auf westlichen Plattformen verkauft werden. Fraglich sei zudem, so meint beispielsweise die Verbraucherzentrale Niedersachen, ob grundlegende Menschenrechtsstandards, wie das Verbot von Kinderarbeit und Zwangsarbeit sowie zentrale Umweltstandards, beispielsweise das Verbot der Verunreinigung von Trinkwasser eingehalten werden.

„Die Rahmenbedingungen sind unfair“

Auch die europäische Konkurrenz ist sauer: „Wir scheuen nicht den Wettbewerb, aber die Rahmenbedingungen sind unfair. Was sich diese Anbieter leisten, ist systematischer Betrug“, wird der Chef der Otto Austria Group, Harald Gutschi, in der österreichischen Kronen-Zeitung zitiert. 65 Prozent der aus China kommenden Pakete sei falsch deklariert. Entweder sei Ware enthalten, die mehr wert ist, als bei der Behörde angegeben wird. Oder die Bestellung wird unerlaubterweise in so viele Einzelsendungen aufgeteilt, dass jede Lieferung unter der Zollfreigrenze bleibt. Gutschi prangert an, dass in der aktuellen Form kein Wettbewerb möglich sei: „Die multiplen Krisen haben im Handel voll zugeschlagen wie seit Jahrzehnten nicht.“ Und in dieser Situation komme jetzt der unfaire Wettbewerb aus China.

Kritik kommt auch aus den USA. So werfen die Autoren eines Berichts für einen Kongressausschusses sowohl Temu als auch der ebenfalls chinesischen App Shein vor, Produkte anzubieten, die mit Zwangsarbeit in der westchinesischen Region Xinjiang hergestellt wurden. Es bestehe ein „extrem hohes Risiko“, dass die Lieferketten durch Zwangsarbeit kontaminiert seien, warnen sie.

Temu-Mutter steigert Gewinn um 144 Prozent

Die Käuferinnen und Käufer weltweit kümmert das allerdings allesamt nicht. Die chinesische PDD Holding, Muttergesellschaft der Shopping-Plattform Temu, hat im zweiten Quartal ihren Gewinn um 144 Prozent auf 32 Milliarden Yuan gesteigert. Gleichzeitig stieg der Umsatz um 86 Prozent auf 97 Milliarden Yuan. PDD-Gründer und Ex-Google-Mitarbeiter Colin Huang war zwischenzeitlich mit einem Vermögen von 48,6 Milliarden US-Dollar der reichste Mann Chinas und steht laut Bloomberg auf Platz 25 der weltweit reichsten Menschen. Nach Präsentation der Ergebnisse, stürzte allerdings der Aktienkurs ab, weil Analysten mit noch höheren Gewinnen gerechnet hatten. Jetzt ist Colin Hang nur noch der zweitreichste Mann Chinas.

Er hat dazu selbst beigetragen, in dem er angesichts der Ergebnisse mitteilte: „Im letzten Quartal hat sich unser Umsatzwachstum auf Quartalsbasis verlangsamt. In Zukunft wird dieses Wachstum unweigerlich durch den zunehmenden Wettbewerb und externe Herausforderungen unter Druck geraten", fügte er hinzu, und „auch die Rentabilität wird wahrscheinlich beeinträchtigt werden, da wir weiterhin investieren." So etwas hören Aktionäre nicht gern, weswegen sie den Titel um zeitweise mehr als 30 Prozent auf Talfahrt schickten.

40 Millionen App-Downloads für Temu

Pinduoduo (PDD) erfreut sich dennoch in seinem Heimatland zunehmender Beliebtheit, da die Chinesen angesichts des wirtschaftlichen Abschwungs und der hohen Jugendarbeitslosigkeit ihre Ausgaben zügeln und auf preisgünstige Produkte zurückgreifen. Das gleiche Phänomen erlebt der Konzern in Europa. Die Einführung auf dem Europäischen Markt im Frühjahr 2023 hat die Downloads weiter angekurbelt. Ein Jahr nach Firmengründung registrierte Temu mehr als 40 Millionen weltweite Downloads. Inzwischen sind es weit mehr: Die Anzahl der Visits des Online-Versandhändlers Temu belief sich im Juli 2024 laut Statista-Angaben auf rund 668 Millionen. Damit war die Zahl der Visits im Vergleich zum Vormonat um rund 20 Prozent gestiegen.

Seit Mai steht Temu auf der EU-Liste der „sehr großen digitalen Online-Plattfromen“, die strengeren Kontrollen unterworfen sind. Der Dachverband Ecommerce Europe rief kürzlich dazu auf, die Zollbefreiung für Pakete, deren Inhalt weniger als 150 Euro kostet und die von China nach Europa gelangen, umgehend aufzuheben.