Deutschlands größte Waffenschmiede - Vom Schmuddelkind zum Superstar – warum sich jetzt alle um Rheinmetall reißen

Geschäftsbilanz für 2023: Rekorde, Rekorde, Rekorde

Vergangenen Donnerstag, Düsseldorf, 10 Uhr. Rheinmetall legt seine Geschäftsergebnisse für 2023 vor – und präsentiert sich als Unternehmen im Rekordrausch: 

  • Der Umsatz stieg auf 7,2 Milliarden Euro, gegenüber 2022 ein sattes Plus von 12 Prozent.
  • Der Gewinn kletterte auf 918 Millionen Euro, 19 Prozent mehr als im Vorjahr.
  • Der Auftragsbestand belief sich auf 38,3 Milliarden Euro, eine Steigerung um 44 Prozent.
  • Aktionäre sollen 5,70 Euro Dividende je Aktie erhalten, im Vorjahr waren es 4,30 Euro.

Aufgeräumt und bestens gelaunt, mit nachtblauem Sakko und hellblauer Krawatte, erscheint CEO Papperger zur Bilanzpressekonferenz. Ausführlich erklärt er die „bärenstarken Zahlen“. Dann lässt er seinen Blick in die Zukunft schweifen. 

Er spricht von „Big Tickets“, von „großem Marktpotenzial“, von „sehr guten Chancen“. 

Auf einer angedeuteten Weltkarte zeigt er, wo Rheinmetall „erheblich investieren“ wird. Australien, Südafrika, Spanien, Italien, Rumänien, Ungarn, Litauen, die Ukraine und natürlich Deutschland – überall werden Fabriken neu geplant, gebaut oder erweitert. 

Das erklärte Ziel der Firma in einem Wort: Mehr. Mehr Munition, mehr Panzer, mehr Treibladungen, mehr Sprengstoff, mehr von allem.

Papperger betont, Rheinmetall sei „sehr gut unterwegs“, in zentralen Bereichen wie der Pulvertechnologie sogar „die Nummer 1 weltweit“.

Düsseldorfer Unternehmen liefert Großteil in Ukraine

Die Pläne des Unternehmens sind ambitioniert. Bei der Produktion von Pulver, das unter anderem für Treibladungen von Artilleriegeschossen benötigt wird, wolle man die Mengen „verdoppeln oder sogar verdreifachen“. 11.000 Tonnen Pulver pro Jahr gibt Papperger als Ziel aus. In den USA schafften die größten Werke gerade mal 4000 Tonnen, sagt er.

Momentan gingen die allermeisten Lieferungen in die Ukraine, erklärt der oberste Rheinmetaller. „Mehr als 200 Fahrzeuge“ wie Schützen- und Kampfpanzer seien bislang überstellt worden, „im Ringtausch und in der Direktbelieferung“. 

Außerdem habe Rheinmetall „mehrere Hunderttausend Schuss“ Artilleriemunition, also Munition für schwere Geschütze, in die Ukraine geliefert, so der CEO. Doch das soll nur der Anfang sein.

Produzierte Rheinmetall vor dem Ukraine-Krieg jährlich 70.000 Schuss Artilleriemunition, werden es dieses Jahr 700.000 Schuss sein. In spätestens drei Jahren will Rheinmetall die Produktion auf 1,1 Millionen Schuss hochfahren. Dafür sollen Fabriken in der Ukraine und in Litauen entstehen.

Das Etikett „Kriegsgewinnler“ will Papperger sich nicht anheften lassen. Allerdings weiß auch er nur allzu gut, dass der Boom bei Rheinmetall ohne den Ukraine-Krieg undenkbar wäre. Seit Putins Einmarsch und der weltweit wachsenden Unsicherheit stehen die Kunden bei ihm Schlange.

Milliarden-Aufträge erhalten, Trend geht nach oben

2023 habe er allein von der Bundesrepublik Aufträge im Wert „von 10 Milliarden Euro“ ergattert, vermeldet Papperger, so viele „wie noch nie“. Dieses Jahr sei „noch weitaus mehr“ drin. Er spricht von „20 bis 30 Milliarden Euro“.

Wohl auch vor diesem Hintergrund hält sich der Rheinmetall-Chef mit Kritik an der Bundesregierung zurück. Auf die Frage, ob Rheinmetall der Ukraine schneller und mehr Munition hätte liefern können, wenn die Bundesregierung Aufträge früher ausgelöst hätte, antwortet Papperger zunächst flapsig: „Hätte, hätte, Fahrradkette.“

Dann wird er ernst: „Hätten wir vor zwei Jahren im Februar einen großen Vertrag gehabt, hätte ich an dem Tag entschieden, dass wir vier Wochen später Spatenstiche für neue Werke machen.“ 

Die Aussage bezieht sich auch auf das „Werk Niedersachsen“, das gerade für 300 Millionen Euro am Rheinmetall-Standort Unterlüß in der Lüneburger Heide aus dem Boden gestampft wird. Mitte Februar 2024 erfolgte der Spatenstich, in zwölf Monaten soll die Produktion von jährlich 200.000 Artilleriegranaten anlaufen. 

Möglich macht das Projekt ein Rahmenvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rheinmetall über 2,2 Millionen Schuss Artillerie, die innerhalb von zehn Jahren geliefert werden sollen. Auftragsvolumen: zwischen 12 und 14 Milliarden Euro. 

Papperger: „Hätte ich diesen Rahmenvertrag vor zwei Jahren gehabt, wäre das Werk ein Jahr früher fertig geworden.“

Die so logische wie brisante Konsequenz: Rheinmetall hätte der Ukraine heute schon dringend benötigte Munition im Kampf gegen Putins Truppen liefern können.

Ungarn will den neuen Superpanzer „Panther KF51“

Dennoch will Papperger „niemandem einen Vorwurf machen“. Schließlich habe sich die Bundesregierung damals das Geld „nicht aus dem Ärmel schütteln“ können.

Deutschland ist freilich nicht der einzige Abnehmer von Produkten aus dem Hause Rheinmetall. Das Unternehmen beliefert Kunden in 140 Ländern.

EU- und Nato-Mitglied Ungarn wird wohl als erstes Land den neuen Superpanzer „Panther KF51“ beschaffen. Die ungarische Regierung beauftragte Rheinmetall schon mal damit, „den modernsten Kampfpanzer der Welt“ bis zur Serienreife zu entwickeln. Volumen des Auftrags: 288 Millionen Euro.

Als der ungarische Verteidigungsminister Kristóf Szalay-Bobrovniczky eigens nach Deutschland kam, um sich den Panzer der Düsseldorfer Waffenschmiede genauer anzuschauen, lobte er Papperger in höchsten Tönen: „Ich war beeindruckt, wie er uns durch die Werkshallen geführt hat. Er kannte jedes einzelne Detail der Produktion.“

Nicht alle teilen diese Begeisterung für Papperger und Rheinmetall. 

Seit Jahren heizen Menschenrechtler und Friedensaktivisten dem Rüstungskonzern kräftig ein. Sie protestieren an den Werkstoren oder crashen die Aktionärsversammlung wie 2019 in Berlin. „Rheinmetall entwaffnen“ stand auf ihren Transparenten. Von der Bühne herunter skandierten sie „Iran, Irak, Syrien, Türkei – bei jeder Schweinerei ist Rheinmetall dabei!“

Flankiert werden solche Proteste nicht selten von juristischen Feldzügen.

Rheinmetall hat nicht nur Freunde: Demos und Klagen

Aktuell muss sich Rheinmetall mit dem Vorwurf der „Beihilfe zu Kriegsverbrechen im Jemen“ auseinandersetzen. Eine entsprechende Strafanzeige beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe hatte der Rechtsanwalt Holger Rothbauer schon Ende 2022 gestellt. Er vertritt die Kampagne „Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!“.

Mehr als 100 Organisationen aus dem Umwelt-, Friedens- und Kirchenbereich werfen Rheinmetall vor, Waffen an die Vereinigten Arabischen Emirate geliefert zu haben, die mutmaßlich bei der Seeblockade des Jemen eingesetzt wurden. Diese Blockade habe zur „größten humanitären Krise der Gegenwart“ mit Tausenden Hungertoten geführt, so Anwalt Rothbauer. 

Konzernchef Armin Papperger weist die Anschuldigungen zurück: „Wir machen das, was die Regierungen uns ermöglichen“. Eine Entscheidung aus Karlsruhe steht noch aus.

Das gilt auch für eine Klage, die Rheinmetall selbst angestrengt hat – gegen die Bundesregierung! Hintergrund des Rechtsstreits: Bis 2014 belieferte Rheinmetall Russland mit Rüstungsgütern im Millionenwert. Dann nahmen Putins Truppen die Krim ein, worauf Berlin alle Rüstungsexporte nach Russland stoppte. Rheinmetall kam so um den fest eingeplanten Gewinn und verklagte die Bundesregierung.

„Nach Aktienrecht“ sei dieser Schritt zwingend gewesen, verteidigt Papperger die Klage auch noch zehn Jahre später. „Ich muss von meinen Aktionären Schaden abwenden.“ Dass er heute eng mit der Bundesregierung zusammenarbeitet, ändert an seiner Haltung nichts.

CEO Armin Papperger lobt Verteidigungsminister Pistorius

Was sich verändert hat, ist die Einstellung der verantwortlichen Politiker. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), seit gut einem Jahr im Amt, habe „eine andere Kultur“ eingeführt und hebe sich damit wohltuend von seinen drei Vorgängerinnen ab, die seit 2013 das Amt bekleideten. 

„Er ist offen, er ist transparent und er entscheidet schnell“, schwärmt Papperger. „Und wir sind sehr glücklich darüber.“ 

Tatsächlich erklärte Pistorius vor wenigen Wochen beim Besuch einer Rheinmetall-Munitionsfabrik im niedersächsischen Unterlüß: „Ich habe keine Berührungsängste mit der Rüstungsindustrie, wir sind Partner.“ 

Der neben ihm stehende Papperger sagte in die Fernsehkameras: „Jetzt müssen wir als Industrie liefern. Das ist unsere verdammte Aufgabe.“ Man müsse, so Papperger staatstragend, „Deutschland dienen“. 

Bei anderer Gelegenheit erklärte der Mann, der seit fast 35 Jahren Rheinmetaller ist: „Ich bin aus innerster Überzeugung in diese Branche gegangen, weil ich für Freiheit und Frieden kämpfen möchte.“ Letztlich arbeite er daran, „unsere Demokratie zu verteidigen“. Papperger: „Das kann nicht verwerflich sein.“ Rheinmetall müsse „gesellschaftliche Verantwortung übernehmen“. 

Große Worte für einen Mann, der selbst nie bei der Bundeswehr gedient hat – aber nicht aus ideologischen Gründen, sondern weil er einen Sportunfall hatte. 

Was die Bundeswehr und ihre Ausstattung angeht, vertritt Papperger eine klare Meinung. Das Sondervermögen zur Ertüchtigung der Streitkräfte reiche hinten und vorne nicht aus. „100 Milliarden Euro klingen nach einer riesigen Summe, aber wir bräuchten eigentlich ein 300-Milliarden-Euro-Paket, um alles zu bestellen, was benötigt wird.“

Technologie-Konzern ist auch im zivilen Bereich aktiv

Wie stark Rheinmetall von den Investitionen Deutschlands und anderer Staaten in die Landesverteidigung profitiert, machte Papperger in einem Interview mit dem firmeninternen Magazin Dimensions deutlich. 

„Unser Hauptgeschäft wird in den nächsten Jahren sicherlich im militärischen Bereich liegen, weil dieser Markt extrem wächst“, gab der Konzernlenker zu Protokoll. Er gehe davon aus, dass im Jahr 2026 „rund 80 Prozent unseres Geschäfts militärisch sein werden“.

Allerdings wolle man „kein reines Defence-Haus sein“, so Papperger. Man habe „tolle neue Technologien“ auch im zivilen Bereich. Wasserstofftechnologie, moderne Heizsysteme, autonomes Fahren oder Sensoren, die den gesundheitlichen Zustand eines Autofahrers analysieren – all das wird bei Rheinmetall entwickelt und produziert.

Als Chef eines High-Tech-Konzerns hält es Armin Papperger für unabdingbar, „sich mit den Megatrends zu beschäftigen“. Nur so könne man die Firma gut aufstellen und zukunftssicher machen. „Für mich ist letztlich nicht entscheidend, ob es ein militärisches oder ein ziviles Geschäft ist.“

Im Rampenlicht steht Rheinmetall derzeit jedoch fast ausschließlich wegen seiner Rüstungssparte. Dieser Bereich dürften wohl auch mittel- und langfristig die fettesten Gewinne abwerfen.