Beziehungs-Trend - „Living Apart Together“ - Wieso immer weniger Paare zusammenwohnen
Die Entscheidung mit dem Partner oder der Partnerin eine Wohnung zu teilen, treffen heute immer weniger Menschen. Laut einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes sind es 2023 nur noch 60 Prozent der Paare, die zusammen einen Haushalt führen. „Living Apart Together“ wird das Beziehungsmodell auch genannt, kurz: „LAT“.
Wir führen individuellere Beziehungen
Ein Zeichen dafür, dass unsere Beziehungen schlechter werden? Weniger innig und intensiv? Ganz und gar nicht, sagt Paartherapeutin Alexandra Hartmann. Sie hält diesen Trend für eine gute und wichtige Entwicklung. „Frauen und Männer sind weniger abhängig voneinander und können unterschiedliche Lebensvorstellungen verwirklichen.“ Das gebe Paaren auch die Möglichkeit, Beziehungen individueller zu gestalten.
Denn das intensive Zusammensein auf geteiltem Raum ist nicht für jeden das Richtige. Während für manche das Bedürfnis nach Nähe und Zweisamkeit stark ausgeprägt sei, bräuchten autonomere Beziehungstypen den Freiraum getrennter Wohnungen. Solange man sich in der Partnerschaft auf ein Modell einigen kann, sieht Alexandra Hartmann keine Schwierigkeiten in dieser Entwicklung.
Probleme träten erst auf, wenn beide Partner unterschiedliche Vorstellungen vom Zusammensein haben. Hartmann rät deshalb, bei der Partnerwahl die eigenen Bedürfnisse nicht zu vergessen.
Blockade Bindungsängste
Es muss jedoch nicht unbedingt die Autonomie-Liebe sein. Manchmal seien es Bindungsängste, die ein Zusammenziehen blockieren, so Hartmann. Der Partner oder die Partnerin wird auf Distanz gehalten. „Bindungsängstliche Menschen haben aber in ihrem früheren Leben – vielleicht schon als Babys oder aber in einer vorhergehenden Beziehung – erlebt, dass sie nicht „abhängig und umsorgt“, sondern „abhängig und ausgeliefert“ waren“, sagte Autorin und Psychotherapeutin Stefanie Stahl FOCUS online.
- Mehr zum Thema lesen Sie hier: Expertin fordert - Weg mit der Bindungsangst!
Um die erlebte Verletzung nicht noch einmal zu erleben, setze man deshalb auf Unabhängigkeit. Hier sei es wichtig, mit dem Partner oder der Partnerin zu sprechen.
Generell seien getrennte Wohnungen aber kein Anzeichen von mangelnder Nähe zwischen zwei Partnern, so Hartmann. Wie intensiv eine Partnerschaft ist, hänge davon ab, wie gut die Kommunikation ist. „Sind wir noch wertschätzend und interessiert? Wie geht es uns mit sexueller Nähe? Welche verbindenden Elemente gibt es in unserer Beziehung?“, nennt Hartmann wichtige Fragen, die Sie sich in Partnerschaften immer wieder stellen sollten. Auch oder vor allem, wenn Sie in getrennten Wohnungen leben.
Ist die Ehe aus der Mode?
Doch nicht nur das Zusammenleben scheint weniger attraktiv zu sein. Auch für die Ehe entscheiden sich Paare heute seltener als noch vor 30 Jahren. Während 1996 noch neun von zehn Paaren verheiratet waren, sind es 2023 nur noch 84 Prozent. Vor allem unter Jüngeren ist die Ehe seltener eine Option. Nur sechs von zehn Paaren unter 40 Jahren geben sich noch das Ja-Wort.
Auch das gründe sich einerseits auf einer größeren Wahlfreiheit, sagt Hartmann. „Menschen probieren mehr, was zu ihnen passt.“
Andererseits werde das Sicherheitsversprechen der Ehe aufgrund der zunehmenden Scheidungsraten infrage gestellt. „Es können auch Trennungserfahrungen der Eltern sein, die Ängste vor der Eheschließung schüren.“ In diesem Fall rät Frau Hartmann, sich mit den Blockaden auseinanderzusetzen. Nur so könne man selbstbestimmt entscheiden, welches Beziehungsmodell am besten zu einem passt.
Als aus der Mode gekommen wertet Frau Hartmann die Ehe trotz der Entwicklungen nicht. „Ich glaube nicht, dass Mode der richtige Begriff ist, wenn es um Beziehungsvorstellungen geht.“ Vielmehr sei da jetzt eine Vielfalt an Konzepten, aus denen man wählen könne.