Wer Spitzenkandidat wird, entscheiden Parteien und Gruppierungen auch bei der Kommunalwahl innerhalb ihres Orts- oder Kreisverbands. Die ÖDP geht einen anderen Weg: Sie schreibt das Ehrenamt öffentlich aus.
Landkreis – „Wir suchen Sie!“, war in einer Anzeige in der Heimatzeitung am vergangenen Wochenende zu lesen. Verbunden mit dem Aufruf für eine „aussagekräftige Bewerbung“ zur/zum „Kreistagsspitzenkandidat/en“. Warum die ÖDP diesen Weg eingeschlagen hat und was sie sich davon erhofft, haben wir Olaf Fries (59) als amtierenden Kreisrat und Kreisvorsitzenden der Partei gefragt.
Herr Fries, die ÖDP sucht per Zeitungsanzeige nach Spitzenkandidaten für den Kreistag. Warum so ein großer Verteiler?
Ganz einfach: Weil wir sonst niemanden haben. Unser Kreisverband umfasst aktuell rund 30 Mitglieder, von denen aber nur die wenigsten noch aktiv sind. Meine einzige Fraktionskollegin im Kreistag, Kristina Roedel, wird nicht mehr antreten. Und ich selbst würde eigentlich auch gern jemand Jüngerem den Vortritt lassen.
Sie treten also auch nicht mehr an?
Doch, aber mir wäre es lieber, wenn ich mich in die zweite Reihe zurückziehen könnte.
Hat Ihnen die Arbeit im Kreistag keinen Spaß gemacht?
Ganz im Gegenteil. Die Zusammenarbeit mit den anderen Fraktionen und unserem Landrat habe ich immer als sachorientiert, kooperativ und sehr angenehm erlebt. Die Parteizugehörigkeit spielt hier keine Rolle. Nicht zuletzt dank der Ausschüsse und Arbeitsgruppen – etwa zu Mobilität und Landschaftsschutz – konnten wir auch mit nur zwei Sitzen inhaltliche Akzente setzen. Da macht das Mandat wirklich Freude.
Woran liegt es dann, dass es nicht mehr Leute gibt, die diese Freude an einem Kreistagsmandat der ÖDP auch erleben möchten?
Ich denke, dass es uns und vor allem mir als Kreisvorsitzendem nicht gelungen ist, unsere gute Arbeit nach außen zu tragen. Ein Grund dafür ist sicher, dass wir als ÖDP keinerlei Firmenspenden annehmen, um frei von Lobbyismus zu sein. Damit ist natürlich unser Werbebudget sehr klein.
Könnte es vielleicht auch daran liegen, dass Sie sich als Partei zu wenig von den Grünen abheben?
Das sehe ich anders. Uns geht es neben dem Schutz von Natur und Artenvielfalt auch um Familien, Gemeinwohl und eben vor allem von wirtschaftlicher Einflussnahme unabhängige Politik. Leider gehen diese Themen in der gesellschaftlichen Debatte aktuell völlig unter. Die Leute interessieren sich derzeit mehr für die wirtschaftliche Entwicklung, die Flüchtlingssituation und Verteidigungspolitik.
Wie sind Sie selbst denn zur ÖDP gekommen?
Das war eigentlich durch Zufall im Jahr 2018 bei der Demo „Wir haben es satt“ für eine zukunftsfähige Landwirtschaft. Da habe ich mir das Angebot verschiedener Parteien angeschaut und bin dann thematisch bei der ÖDP gelandet. Weil der Kreisverband Miesbach damals gerade nicht aktiv war, habe ich mich zunächst dem Münchner Stadtverband angeschlossen. Da hat man mich aber Anfang 2019 zur Reaktivierung des Kreisverbands motiviert, was bei der Kommunalwahl 2020 erfreulicherweise zu unseren beiden Mandaten geführt hat. Die würden wir 2026 natürlich gern wieder erobern.
Was sollten geeignete Bewerber mitbringen?
In erster Linie sollten sie die Grundwerte der ÖDP teilen. Menschlich sollte es bei so einem kleinen Kreisverband natürlich auch passen. Es muss übrigens niemand Angst haben, allein ins kalte Wasser geworfen zu werden. Ich stehe in den kommenden Jahren weiter unterstützend zur Verfügung – hoffentlich wieder mit einem Mandat im Kreistag.
Haben Sie denn schon erste Rückmeldungen erhalten?
Da die (hoffentlich Hunderten) Bewerbungen erstmal beim Landesverband gesammelt werden, kann ich in Bezug auf mögliche Interessenten noch nichts sagen. Was mich aber freut, sind die Reaktionen aus anderen Parteien und sogar von der Kreisverwaltung im Landratsamt. Deren Aussage, als sie von unseren Existenzsorgen gehört haben, war ziemlich einheitlich: „Das wäre sehr schade.“ Ein guter Grund, dafür zu kämpfen, den Themen der ÖDP weiterhin eine Stimme zu verleihen. Mit dem schönen Gefühl, etwas Sinnvolles für unsere demokratische Gesellschaft und für nachfolgende Generationen zu tun und den Bürgern eine Alternative jenseits rechtspopulistischer und extremistischer Positionen zu bieten.
Bewerbungen
Nimmt die ÖDP unter urban.mangold@oedp-bayern.de entgegen.
Weitere Informationen gibt es unter Tel. 08 51 / 20 09 19 63.