Dobrindt will massive Reform: Bundespolizei erhält mehr Macht – „überfällig“

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Die Bundespolizei soll modernisiert werden: Geplant sind neue Überwachungsbefugnisse und finanzielle Aufstockungen – Die Reform stößt auf gemischte Reaktionen.

Berlin – Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) plant einen tiefgreifenden Kurswechsel bei der Reform des Bundespolizeigesetzes, der weitreichende Konsequenzen für die Befugnisse und die Ausstattung der Bundespolizei haben wird.

Dobrindts Polizei-Reform: Grüne Vorhaben gestrichen

Nach Informationen von der Welt am Sonntag sollen dabei zwei zentrale Vorhaben der abgewählten Ampel-Koalition, die von den Grünen vorangetrieben wurden, entfallen: die Kennzeichnungspflicht für Bundespolizisten sowie die Einführung von Kontrollquittungen bei anlasslosen Personenkontrollen. Gleichzeitig will Dobrindt der Bundespolizei umfassende neue Befugnisse gewähren, darunter die Quellen-Telekommunikationsüberwachung zur Installation von Spähsoftware auf Handys Verdächtiger und die Ermöglichung des Einsatzes künstlicher Intelligenz.

Der Entwurf des neuen Gesetzes sieht zudem vor, die rechtliche Grundlage für die Einführung von sogenannten Distanzelektroimpulsgeräten – besser bekannt als Taser – aus dem Bundespolizeigesetz herauszulösen. Dadurch würden sie als Waffen bundesweit für Bundespolizisten verfügbar werden.

Das Innenministerium strebt an, die Ressortabstimmung und die Länder- sowie Verbändebeteiligung zeitnah einzuleiten, damit das Kabinett die Reform noch vor oder kurz nach der Sommerpause beschließen kann. Bundestag und Bundesrat könnten dann in der zweiten Jahreshälfte darüber beraten. Der Gesetzentwurf ist bereits informell zwischen den Ressorts abgestimmt.

Migration: Dobrindt verfolgt bei Kontrollen einen harten Kurs

Eine Änderung des Aufenthaltsgesetzes soll Bundespolizisten in ihrem Zuständigkeitsbereich künftig befähigen, beim Aufgriff illegal eingereister Migranten „aufenthaltsbeendende Maßnahmen“ einzuleiten. Eine Aufgabe, für die derzeit ausschließlich die Länderpolizeien zuständig sind.

Die Bundespolizei soll zudem die Möglichkeit erhalten, vorübergehende Haft oder Ausreisegewahrsam zu beantragen, um die Abschiebung ausreisepflichtiger Ausländer zu sichern. In temporär eingerichteten Waffenverbotszonen sollen Bundespolizisten künftig auch anlasslose Kontrollen durchführen dürfen, was die derzeitige Rechtslage – die nur Kontrollen bei begründetem Verdacht erlaubt – erweitert.

Bundespolizei: Neue Befugnisse und 500 Millionen Euro

Neben diesen erweiterten Befugnissen will das Innenministerium die Bundespolizei auch finanziell stärken und besser ausstatten: Für die Jahre 2024 und 2025 sind jeweils 500 Millionen Euro zusätzlich über einen Nachtragshaushalt vorgesehen, flankiert von eintausend neuen Stellen. Die allgemeine Einsparvorgabe im Verwaltungsbereich soll für die Bundespolizei nicht gelten. Dadurch sollen Liegenschaften modernisiert, und Drohnen angeschafft werden können.

Weiterhin soll eine neue Einstellungsüberprüfung eingeführt werden. Diese soll sicherstellen, dass Anwärterinnen und Anwärter jederzeit zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen. Dies dient dem Schutz der Bundespolizei vor Unterwanderungsversuchen von Extremisten.

Insbesondere nach Erkenntnissen aus Ermittlungen gegen die Reichsbürger-Szene, bei der mehrere Mitglieder aktive oder ehemalige Beschäftigte bei Polizei oder Bundeswehr waren. Das Innenministerium betont, der Gesetzesentwurf werde „überfällige Umsetzungen von Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie von EU-Richtlinien enthalten“.

1994 fand die letzte Reform des Bundespolizeigesetzes statt. Horst Seehofer scheiterte 2021 an einer Neuen. Gelingt es jetzt Alexander Dobrindt? (Symbolbild) © Karl-Josef Hildenbrand/ picture alliance/dpa/ Fabian Sommer/picture alliance/dpa

Reform des Polizeigesetzes: SPD sieht Beratungsbedarf

Die geplanten Änderungen stoßen auf geteilte Reaktionen. In Sicherheitskreisen wird der Kurswechsel begrüßt: Eine Novellierung des Bundespolizeigesetzes wurde dort als „zwingend notwendig“ erachtet, wie die Welt am Sonntag berichtet. Die Gewerkschaft der Polizei bezeichnete die Gesetzesanpassung insgesamt als „überfällige Reform“ und warnte davor, die politische Auseinandersetzung „auf dem Rücken der Einsatzkräfte auszutragen“.

Die SPD nennt die Modernisierung des Bundespolizeigesetzes „notwendig und erforderlich“. Ihr Innenexperte Sebastian Fiedler hält die Möglichkeit zur Überwachung verschlüsselter Kommunikation bei schweren Straftaten für „richtig“. Fiedler kündigte jedoch an, dass „andere Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag“ noch „in Ruhe beraten“ werden müssen und man „bei manchen Themen noch genauer hinschauen“ werde. Insbesondere hinsichtlich der zusätzlichen Kompetenzen im Ausländerwesen kündigte er weiteren Beratungsbedarf an, da der Bundespolizei für Abschiebehaftbefehle erforderliche ausländerrechtliche Kompetenzen und Informationen fehlten: „Der Teufel steckt wie so oft im Detail“.

Dobrindts Polizeireform: Grüne, Linke und AfD üben Kritik

Irene Mihalic, Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, bewertet die Reform eher als Rückschritt: Besonders die Kontrollquittungen hätten für mehr Transparenz und gegen Racial Profiling wirken können. Die Linke-Innenexpertin Clara Bünger betonte, die Pläne seien „mit weitgehenden Grundrechtseingriffen verbunden“, während Ansätze für mehr demokratische und justizielle Kontrolle der Polizei verworfen würden.

Selbst aus der AfD kommt Gegenwind: Gottfried Curio, innenpolitischer Sprecher der AfD, sieht „ein großes Missbrauchspotenzial“ bei den geplanten Überwachungsmöglichkeiten. Er hält eine Quellen-Telekommunikationsüberwachung für die Bundespolizei nur mit strikter Einschränkung auf bestimmte Tatbestände für diskutabel.

Ein weiteres Diskussionspotenzial birgt die Einstellungsüberprüfung: Der Gesetzesentwurf sieht in seiner jetzigen Fassung keine Regelanfrage beim Bundesamt für Verfassungsschutz vor. Die Bundespolizei soll die Überprüfung eigener Verantwortung vornehmen. In Sicherheitskreisen könnte dieser Verzicht noch für Diskussionen sorgen, da wichtige Erkenntnisse des Inlandsgeheimdienstes über Anwärter unberücksichtigt blieben.

Dobrindts Polizeireform: Ein Balanceakt

Ob der Entwurf in seiner jetzigen Form tatsächlich beschlossen wird, ist noch nicht endgültig gesichert. Die angekündigten Beratungen innerhalb der SPD, bevorstehende Ressortabstimmung sowie die Beteiligung der Länder und Verbände könnten noch zu Änderungen führen.

Die letzte grundlegende Reform des Bundespolizeigesetzes liegt bereits über 30 Jahre zurück, und fand 1994 statt. Versuche, das Gesetz in der Zwischenzeit anzupassen, sind in der Vergangenheit mehrfach gescheitert.

Ein Entwurf des damaligen Bundesinnenministers Horst Seehofer (CSU) scheiterte 2021 im Bundesrat. Auch der Reformversuch der abgewählten Ampel-Koalition missglückte: Obwohl sich SPD, Grüne und FDP auf einen Entwurf einigen konnten, passierte dieser aufgrund zahlreicher Änderungswünsche nie den Bundestag vor dem Bruch der Koalition. (ko)

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