Terrorismus-Experte Hans-Jakob Schindler - Experte warnt: Gewalt auf Anti-Israel-Demos erreicht neue Dimension
Die Gewalt auf Anti-Israel-Demonstrationen in Deutschland eskaliert zunehmend. Mit wachsender Sorge um die Sicherheit sehen sich Polizei und Behörden neuen Herausforderungen gegenüber. Terrorismus-Experte Hans-Jakob Schindler beleuchtet die Hintergründe und erklärt, wie die Sicherheitskräfte darauf reagieren.
Was sind die Ursachen für die Eskalation der Gewalt bei Anti-Israel-Demos?
Die Sicherheitslage in Deutschland ist insbesondere seit dem pogromartigen Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 angespannt. Schon Stunden nach diesem Terroranschlag mobilisierten islamistisch-extremistische Akteure ihre Anhänger und Sympathisanten in Deutschland zu Demonstrationen gegen Israel.
Weltweit bekannt wurde die Verteilung von Süßigkeiten durch Mitglieder der mittlerweile verbotenen Organisation Samidoun in Berlin noch während der Terroranschlag der Hamas ablief. Zusätzlich kam es zu einer Solidarisierung des linksextremistischen Milieus in Deutschland mit der Hamas, der Hisbollah und extremistisch-islamistischen Gruppen und Netzwerken in Deutschland.
Dies erhöht die Anzahl gewaltorientierter Personen, welche an solchen Demonstrationen teilnehmen, da nun islamistische Extremisten zusammen und in Koordinierung mit Linksextremisten agieren. Hamas- und Hisbollah-Sympathisanten und Unterstützer verbreiten weiterhin weitgehend ungehindert die Propaganda dieser beiden Terrorgruppen über verschiedene Kanäle der Sozialen Medien sowie Messenger- und Streaming-Dienste. Diese Propaganda ruft regelmäßig auch zu Gewalt im Ausland auf und hat zum Ziel, Sympathisanten zu radikalisieren und zur Gewalt zu motivieren.
Bislang haben Anbieter dieser Dienste nicht effektiv auf solche Aufrufe reagiert und deren Verbreitung nicht wesentlich eingeschränkt. Daher werden mittlerweile regelmäßig Kundgebungen, welche zum Ziel haben, legitime und berechtigte Kritik an dem Vorgehen des israelischen Militärs auszudrücken, von gewaltorientierten Extremisten sowohl aus dem islamistischen als auch dem linksextremistischen Milieu missbraucht, um offen Gewalt gegen Polizei und Sicherheitskräfte auszuüben.
Dies stellt ein Versuch dar, Macht zu demonstrieren und die Straße zu beherrschen. Deutlich kommt auch zum Ausdruck, dass das eigentliche Ziel dieser gewaltorientierten Extremisten nicht eine Kritik an Israel oder dem israelischen Militär ist, sondern dass sie eine generelle und grundlegende Ablehnung der freiheitlich demokratischen Grundordnung in Deutschland zum Ausdruck bringen. Die immer wieder geforderte Errichtung eines Kalifats in Deutschland ist nur eine konkrete Manifestation dieser Haltung.
Über Hans-Jakob Schindler

Nach einer internationalen Karriere in der Forschung, im öffentlichen Dienst, im Privatsektor und als Terrorismusberater des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen arbeitet Hans-Jakob Schindler zurzeit als Senior Director beim Counter Extremism Project in Berlin und New York und in Beiräten verschiedener internationaler Organisationen. Er studierte in Tübingen, Georgetown, St Andrews und Tel Aviv und schrieb seine PhD Arbeit zum internationalen Terrorismus in St Andrews.
Wie bereitet sich die Polizei auf gewalttätige Demonstrationen vor?
Die Bereitstellung einer entsprechenden Anzahl von Polizeikräften und deren Ausrüstung ist natürlich die Grundlage der Vorbereitung. Gerade in Großstädten wie Berlin stellt dies regelmäßig eine Herausforderung dar, da zum Beispiel an Wochenenden und Feiertagen immer mehrere Demonstrationen gleichzeitig ablaufen. Auch hat die Gewalt gegen Polizeikräfte mittlerweile ein extrem hohes Niveau erreicht. So musste ein Polizist in Berlin nach einer Attacke im Rahmen einer Demonstration trotz Schutzausrüstung stationär behandelt werden. Dies zeigt, dass auch die Ausrüstung der Polizei mittlerweile an seine Grenzen stößt.
Daneben ist, gerade bei Demonstrationen, bei welchen mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden muss, dass es zu Gewaltausbrüchen kommen wird, die Erkennung des gewaltbereiten Personenkreises zentral. Dies gelingt nur durch die genaue Beobachtung gewaltorientierter Milieus im Vorfeld der Veranstaltung. Hier wird seit Jahren von Polizei- und Sicherheitsbehörden kritisiert, dass die aktuelle Gesetzeslage nicht adäquat an die neuen Kommunikationsmittel der gewaltorientierten extremistischen Milieus angepasst ist. Diese findet mittlerweile in weiten Teilen online über die Sozialen Medien, Messenger- und Streaming-Dienste statt.
Hier werden innerhalb dieser Milieus Absprachen getroffen und das Vorgehen bei der Demonstration koordiniert. Aktuell sind die entsprechenden Dienstleister nicht ausreichend zu einer pro-aktiven Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden verpflichtet. Auch ist es nach aktueller Gesetzeslage den Sicherheits- und Polizeibehörden weitgehend nicht erlaubt, solche Kommunikationswege effektiv und umfassend zu überwachen. Hier wäre insbesondere die Vorratsdatenspeicherung, also die Abspeicherung und Analyse von Verbindungsdaten notwendig, um solche Kommunikationskanäle zu erkennen und effektiv zu überwachen.
Welche Maßnahmen werden ergriffen, um die Sicherheit der Polizisten bei zukünftigen Demonstrationen zu gewährleisten?
Um einen besseren Schutz der Polizei zu gewährleisten, gibt es bedauerlicherweise keine einzelne Maßnahme deren alleinige Umsetzung dieses Ziel effektiv erreichen könnte. Da mehrere Faktoren diese Situation verursachen, müssen auch mehrere Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Zunächst muss eine konsequente und harte Strafverfolgung von Personen, welche Gewalt bei Demonstrationen ausüben, gewährleistet sein. Das Demonstrationsrecht deckt Gewalt in jedweder Form nicht ab. Da solche Gewaltausbrüche mittlerweile häufig vorkommen, bedeutet dies eine nicht unerhebliche Mehrbelastung sowohl der Polizei als auch der Staatsanwaltschaft und Justiz. Daher sollte hier in Erwägung gezogen werden, wie solche Verfahren beschleunigt werden können.
Weiterhin sollte die Effektivität der Überwachung gewaltorientierter extremistischer Netzwerke und Milieus verbessert werden. Dies bedingt Anpassungen der Gesetzeslage, insbesondere was die Möglichkeiten der Online-Kommunikationswege solcher Milieus durch die Polizei- und Sicherheitskräfte angeht, sowie die darauf basierende Anschaffung oder Entwicklung entsprechender Technologien und der Rekrutierung und Schulung des entsprechenden Personals.
Weiterhin sollte geprüft werden, inwieweit es rechtlich möglich ist, erkannten gewaltorientierten Extremisten die Teilnahme an solchen Demonstrationen zu untersagen. Es sollte in diesem Zusammenhang geprüft werden, ob und inwieweit die relativ erfolgreich umgesetzten Reise- und Zugangsbeschränkungen im Hooligan-Milieu, welche eingeführt wurden, um Gewalt bei Fußballspielen zu reduzieren, hier als Vorlage dienen können. Weiterhin sollte die Zusammenarbeit der Betreiber von Social Media Plattformen, Messenger- und Streaming-Diensten mit den Sicherheitsbehörden verbessert werden. Dies wird auch Anpassung der bestehenden Gesetzeslage notwendig machen, insbesondere eine Ergänzung der Vorgaben im neuen EU-Gesetz über Digitale Dienste.
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Ist das, was wir da sehen, eine neue Qualität?
Gewalt bei Demonstrationen ist grundsätzlich kein neues Phänomen in Deutschland. Auch in der Vergangenheit kam es immer wieder zu solchen Vorgängen. Neu ist, dass sich hier mehrere extremistische Milieus miteinander solidarisiert haben und gemeinsam und koordiniert vorgehen. Dies erhöht nicht nur die Anzahl der gewaltbereiten Personen, welche an solchen Demonstrationen teilnehmen, sondern ermöglicht auch eine Radikalisierung eines breiteren Personenkreises, als dies in der Vergangenheit der Fall war.
Zusätzlich scheint die Intensität der Gewalt zuzunehmen. Dies könnte auf eine fortschreitende Enthemmung des radikalisierten extremistischen Milieus hindeuten, was mittel- bis langfristig auch die Risiken terroristischer Aktionen erhöhen würde. Daher sollte die steigende Gewalt gegen die Polizei- und Sicherheitskräfte als signifikantes Sicherheitsproblem durch die politischen Entscheider wahrgenommen und dieser Entwicklung entschieden entgegengetreten werden.
Wie werden diese Demos organisiert mit soviel Gewalt?
Die Organisation der gewaltorientierten extremistischen Milieus findet mittlerweile nicht nur in Deutschland in weiten Teilen online statt. Das Online-Umfeld ermöglicht den Aufbau einer kostengünstigen und breite Koordinierungsinfrastruktur. Diese ermöglicht den extremistischen Milieus nicht nur ihre Anhänger, sondern auch breite Sympathisantenkreise sehr schnell und effektiv zu mobilisieren. Auch finden Gewaltaufrufe viel schneller Verbreitung, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Dabei werden neben den großen Plattformen der Sozialen Medien und Streaming-Dienste natürlich auch verschlüsselte Messenger-Dienste genutzt. Daher ist hier die Überwachung der extremistischen Online-Kommunikationskanäle und die verbesserte und verpflichtende Zusammenarbeit der Anbieter von Online-Diensten mit den Sicherheitsbehörden von grundlegender Bedeutung.
Content stammt von einem Experten des FOCUS online EXPERTS Circles. Unsere Experts verfügen über hohes Fachwissen in ihrem Bereich. Sie sind nicht Teil der Redaktion. Mehr erfahren.