Ein Fest des Zusammenhalts: Ungarndeutsche feiern in Geretsried 75-jähriges Bestehen

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Die Trachtengruppe der Deutschen aus Ungarn begeisterte beim Siedlungsfest mit ihren Tänzen und Erinnerungen an 75 Jahre Vereinsgeschichte. © Matthias Wupper

Mit Tanz und Tradition feierte der Verein der Ungarndeutschen sein 75-jähriges Jubiläum. Im November gibt es noch einmal eine Feier.

Geretsried – Die Tracht der Ungarndeutschen ist besonders schön und aufwändig gearbeitet. Die farbigen Röcke samt vier bis fünf gestärkter Unterröcke und Schürze werden sorgsam von Hand gefältelt, damit sie sich aufbauschen und beim Tanzen mitschwingen. „Früher haben wir es immer vermieden, uns hinzusetzen, damit alles in Form bleibt“, erinnert sich Anna Kindler (89). Sie ist eines der ältesten Mitglieder der Trachtengruppe der Deutschen aus Ungarn und hat früher selbst die Blusen der Frauen genäht. Der 165 Mitglieder zählende Verein, nicht zu verwechseln mit der Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn, feiert heuer sein 75-jähriges Bestehen. Beim traditionellen Siedlungsfest am Samstag auf dem Parkplatz am Maiglöckchenweg („Wenusplatz“) zeigten die Ungarndeutschen, worauf sie sonst noch stolz sind: auf ihre Tänze, die Grillspezialitäten nach altem Rezept, den Wein aus der Heimat und – das vor allem – auf ihren Zusammenhalt und ihre Geselligkeit.

Verein Deutsche aus Ungarn Vorstand
Der Vorsitzende der Trachtengruppe der Deutschen aus Ungarn, Karl Raminger (links), mit den langjährigen Mitgliedern (v.l.) Maria Scharok, Theresia Harting, Anna Kindler, Eva Teubert und Gerhard Teubert. © Matthias Wupper

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Theresia Harting, die in wenigen Wochen 90 wird, gehört zu den ältesten Mitgliedern. Ihr verstorbener Mann Willi hob die Trachtengruppe am 2. Dezember 1950 im Gasthof Geiger zusammen mit Johann Farkasch und Willi Bahn aus der Taufe. Franz Stammler wurde zum ersten Vorsitzenden gewählt. „Früher waren wir sehr aktiv“, erinnert sich Theresia Harting: „Unser Traubenball zum Beispiel war immer so gut besucht, dass man nicht umfallen konnte.“ Auch der Kathreintanz erfreute sich großer Beliebtheit. Neben der Tanzgruppe gab es eine eigene Blaskapelle und eine Gesangsgruppe. 1960 erhielt der Verein eine immer noch bestens erhaltene Fahne. Zum 20-jährigen Jubiläum wurde zu Ehren von Jakob Bleyer, um 1920 ungarischer Minister für nationale Minderheiten, ein Gedenkstein in der „Ungarn-Siedlung“ eingeweiht.

Jedes Jahr werden bei dem Siedlungsfest um die 800 Leute bewirtet

Man wurde Patenverein der Ungarndeutschen aus Vogtareuth, pflegte die Freundschaft mit der ungarischen Heimatgemeinde Pusztavám und dem österreichischen Nickelsdorf. 1988 hatte die Vorstandschaft die Idee, zur Aufbesserung der Kasse ein Straßenfest zu organisieren. Es fand zwei Jahre lang tatsächlich auf der Straße statt und zog 1990 auf den Wenusplatz um. „Seitdem bewirten wir hier jedes Jahr um die 800 Leute“, berichtet Karl Raminger, Vorsitzender seit 21 Jahren.

Die Bälle wurden zwar mangels Besucherinteresse aufgegeben, ebenso lösten sich die Kapelle und die Singgruppe auf. Doch die Tänzerinnen und Tänzer pflegen die Tradition weiterhin. Unter anderem treten sie bei der Maifeier der Egerländer auf. Am Samstag zeigten die sieben von insgesamt neun Paaren ein „Potpourri aus Pusztavám“ und einen „Patsch-Tanz“.

Verein würde sich über Nachwuchs freuen

Andreas Ferstl ist der Enkel des langjährigen Vorsitzenden Andreas Netzkar. Er tanzt im Verein, seit er fünf Jahre alt ist, heute zusammen mit seiner Ehefrau Mirela. Mit den hohen schwarzen Stiefeln, der schwarzen Hose, der Weste und dem Hut sind die Männer nicht weniger fesch als die Frauen. „Wir würden uns über Nachwuchs freuen“, sagt Ferstl. Die Geselligkeit stehe im Vordergrund, man veranstalte jedes Jahr einen Workshop mit Pusztavám und Nickelsdorf, erfreue die Bewohner der Geretsrieder Altenheime mit Aufführungen und unternehme Ausflüge, wirbt er.

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Das Vereinsjubiläum wird am 29. November mit einem Fest in den Ratsstuben gefeiert. Die Partner aus Ungarn und Österreich sowie die befreundeten Geretsrieder Vereine werden dabei sein. „In erster Linie soll es eine Feier für unsere Mitglieder sein“, betont Karl Raminger. Wie am Siedlungsfest zu erkennen war, ist ihr Zusammenhalt riesig. 53 Helfer standen den ganzen Nachmittag und Abend am Grill, am Getränke- und am Kuchenstand. Viele weitere hatten zuvor den Krautsalat, das Fleisch und das Schmalz für die Brote vorbereitet. Ihr Fleiß zeichnet die Deutschen aus Ungarn seit jeher aus. Nach der Vertreibung 1945 in Geretsried angekommen, begannen sie ab 1948 mit dem Aufbau einer Wohnsiedlung im Blumenviertel. Aus dem Trümmerfeld, aus teilweise zerstörten Bunkern, schufen sie sich in mühevoller Arbeit ein neues Zuhause. In beispielhafter Nachbarschaftshilfe errichteten sie mit die ersten Häuser von Geretsried.

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