Nach Wurf eines Molotowcocktails auf einen Mindelheimer Balkon: Verhandlung vor Memminger Landgericht hat begonnen

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Der Fall um einen Molotowcocktail, der im vergangenen September auf einen Balkon in Mindelheim geworfen wurde, wird aktuell vor dem Memminger Landgericht verhandelt. © Mayer-Verbeek

Es war eine Polizeimeldung, die viele Fragen offenließ: Im vergangenen September warf ein Mann einen Molotowcocktail auf einen Balkon in Mindelheim und setzte diesen in Brand. Danach verschaffte er sich – mit Axt und Kettensäge – unter anderem Zutritt zu der Wohnung, deren Balkon brannte, löschte selbst das Feuer, rief die Polizei und ließ sich widerstandslos festnehmen.

Mindelheim/Memmingen - Etwas Licht in die Vorgänge, die sich vergangenen September vor und in einem Mehrfamilienhaus in der Berliner Straße abspielten, bringt der Angeklagte. Bei der Verhandlung vor dem Memminger Landgericht schildert er die Vorgänge aus seiner Sicht. Dreh- und Angelpunkt ist ein jahrelanger Streit zwischen dem Beschuldigten sowie einem Mann und seinen „selbst ernannten Brüdern“, so der 47-Jährige.

Wurf eines Molotowcocktails auf einen Mindelheimer Balkon wird vor dem Landgericht verhandelt

Den Mann bezeichnet der Angeklagte als den früheren Drogendealer seines Bruders. Nach dem Tod des Bruders habe er den Kontakt zu diesem und dessen Umfeld abgebrochen. Das hätte diesen nicht gefallen, weswegen es unter anderem zu einem Angriff auf ihn und seine Mutter auf dem Parkplatz eines Mindelheimer Supermarktes gekommen sei. Obwohl es Zeugen gegeben und er 21 Stichwunden von der Auseinandersetzung davongetragen habe, seien die Angreifer nicht wegen gefährlicher Körperverletzung belangt worden. Diese Erfahrungen hätten sein Vertrauen in Polizei und Justiz erschüttert.

Zudem gesteht der 47-jährige Beschuldigte, seit Weihnachten 2018 die Droge Kratom zu konsumieren, die in Deutschland nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fällt. Im Bezirkskrankenhaus Kaufbeuren, in dem sich der frühere Augsburger aktuell aufhält, habe er erfahren, dass Kratom auch des Öfteren mit einer anderen Droge vermischt werde. Am Tattag habe er eine deutlich höhere Dosis Kratom als üblich zu sich genommen und dazu eine Dose Whiskey-Cola getrunken. Dann machte er sich mit einem Leihwagen von Augsburg in Richtung Mindelheim auf.

Molotowcocktail auf einen Mindelheimer Balkon geworfen - Angeklagter äußert sich

Eigentlich habe er die Tat schon am Tag zuvor durchführen wollen, erklärt der Beschuldigte. Jedoch habe an diesem Tag bereits ein Haus in Mindelheim gebrannt und die Feuerwehr sei vor Ort gewesen. Das habe ihn abgeschreckt.

„Ich habe ein Gewaltpro­blem“, gesteht der 47-Jährige in der Verhandlung. Dieses müsse er in den Griff bekommen, um nicht rückfällig zu werden. Jedoch habe er niemals das Ziel gehabt, jemanden zu verletzen oder gar zu verbrennen. Sein Plan sei es gewesen, durch das in Brand setzen des Balkons dem nach seiner Aussage früheren Drogendealer seines Bruders und einem weiteren Mann, der am Angriff auf ihn und seine Mutter beteiligt gewesen sein soll, den Fluchtweg abzuschneiden. Daher warf er zuerst einen selbst gebastelten Molotowcocktail und anschließend zwei mit Benzin getränkte Socken, die er zuvor angezündet hatte, auf den Balkon.

Als der Balkon Feuer fing, habe sich sein Gewissen gemeldet. Daher habe er dann auch sofort die Polizei alarmiert, erklärt der Angeklagte. Dann habe er mit einer mitgebrachten Axt die Haustür des Mehrfamilienhauses eingeschlagen und sei zu der Wohnung gegangen, in der er die beiden Männer vermutete. Die Wohnungstür sägte der 47-Jährige mit einer Kettensäge, die er ebenfalls dabei hatte, auf. Dabei habe er bewusst an der Scharnierseite angesetzt, um keine Person, die innen hinter der Tür steht, zu verletzten, erinnert sich der Beschuldigte. Zuvor hatte er sich mehrere Videos dazu online angesehen.

Fataler Irrtum - Molotowcocktail auf falschen Balkon geworfen

Im Inneren der Wohnung stellte der Angeklagte jedoch recht schnell fest, dass die beiden dort vermuteten Männer hier nicht zu finden waren. Daraufhin löschte er den Brand mit einem Feuerlöscher, den er mitgebracht hatte, und machte sich auf den Weg ins nächste Stockwerk. Der Idee folgend, er hätte sich lediglich im Stockwerk geirrt, sägte der frühere Augsburger auch dort eine Wohnungstür mit der Motorsäge auf. Auch hier merkte er schnell, dass er die zwei Männer nicht finden würde. Anschließend verließ der 47-Jährige das Haus und ließ sich widerstandslos von den Polizeibeamten festnehmen.

Wäre sein Plan aufgegangen – und er hätte die zwei Männer in der Wohnung angetroffen – wollte er sie bis zum Eintreffen der Polizei dort festhalten, so der Angeklagte. Seine Hoffnung war es, dass die Beamten in der Wohnung Hinweise auf illegale Machenschaften der Männer finden würden. Er sei während der Tat wie im Wahn oder einem Rauschzustand gewesen, sagt der Angeklagte.

Ermittelnder Polizeibeamter sagt vor Landgericht aus

Vor Gericht hört man auch den Polizeibeamten an, der die Ermittlungen vor Ort leitete. Dieser bestätigt, dass sich der Angeklagte widerstandslos festnehmen ließ. Vor Ort seien bei ihm unter anderem ein kleiner Baseballschläger und ein Messer aufgefunden worden. Wie der Beamte berichtet, hätten mehrere Nachbarn mitbekommen, wie der 47-Jährige die Haustür und die Wohnungstüren mit Axt und Kettensäge bearbeitete. Eine Nachbarin sei sehr verängstigt gewesen, nennt der Polizist ein Beispiel. Mehrere von ihnen informierten per Telefon die Polizei oder setzten einen Notruf ab. Die zwei Geschädigten, deren Wohnungstüren durchgesägt wurden, befanden sich zum Tatzeitpunkt im Urlaub.

Der Angeklagte habe die Tat in zwei Mails – die er aus unbekannten Gründen an sich selbst geschrieben hatte – als „Spektakel“ beschrieben beziehungsweise angekündigt. Der Beamte spricht, bezogen auf den Beschuldigten, von einem „psychischen Leidensdruck“. Er sei bei der Mindelheimer Polizeiinspektion bekannt gewesen und auch er selbst habe bereits mit ihm zu tun gehabt.

Das sagt der Staatsanwalt

Wie der Staatsanwalt ausführt, entstand an der Hauseingangstür, an den Wohnungstüren und der Wohnung sowie dem Balkon eines der Geschädigten ein Sachschaden, der insgesamt bei mindestens 10.000 Euro liegt. Weiter wird angegeben, dass der Beschuldigte zur Tatzeit an einer anhaltend wahnhaften Störung litt und daher nicht in der Lage war, „das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.“ Unter anderem werden ihm die Tatbestände der schweren Brandstiftung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung zur Last gelegt. Die Gesamtwürdigung des Beschuldigten und seiner Taten würde ergeben, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten seien und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei.

Der nächste Verhandlungstag ist für den morgigen Freitag angesetzt.

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