FOCUS-Briefing von Thomas Tuma: Was von Papst Franziskus bleibt
Ein Mensch stirbt, und seine zu Lebzeiten kultivierten Ideale werden plötzlich überlebensgroß. Man muss nicht sonderlich gläubig sein, um die geradezu österliche Botschaft zu verstehen, die der Abschied von Papst Franziskus am Wochenende bereithielt.
Es gibt ja nur noch wenige wahrhaft globale Ereignisse, bei denen man den Eindruck hat: Jetzt steht der Planet einen Moment lang still. Dabei geht’s nicht nur um die 250.000 Menschen, die sich am Samstag am Petersplatz in Rom versammelten, sondern um die Abermillionen, die daran weltweit Anteil nahmen. Und so traurig der Grund war, so froh war auch diese Botschaft: Trauer und Hoffnung sind Schwestern.
Ein scharfes Auge für Armut und Ungerechtigkeit
Zuletzt war viel die Rede von Franziskus‘ Credo, dass wir Brücken bauen sollen, keine Mauern. Von seiner Barmherzigkeit und seinem scharfen Auge für Armut und Ungerechtigkeit. Zwar hat sich die katholische Kirche auch während seines Pontifikats nicht gerade in eine Clique spendierfreudiger Bettelmönche verwandelt. Der Vatikan ist ein Milliarden-Imperium. Aber eine weitere Botschaft des Wochenendes könnte in Zeiten egomanischer Potentaten doch lauten: Wer Frieden will, bewirtschaftet keine Ideologien, sondern behält Ideale im Blick.
Die Fakten am Morgen
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Glaube und Kirche sind da nicht die schlechtesten Wege. 2,6 Milliarden Menschen zählen sich allein zum Christentum. Das ist rund ein Drittel der Weltbevölkerung. 1,4 Milliarden davon sind Katholiken. Klar, da gibt es viel zu kritisieren: von den Kreuzzügen über die Inquisition bis zu tausenden von Missbrauchsfällen, die in dieser Alt-Herren-Gesellschaft weit in die Gegenwart reichen … Aber trotz allem wächst die Zahl der Gläubigen zumindest im Rest der Welt stark weiter. Und mir ist deren zukunftsorientierte Hoffnung näher als unser bisweilen in dunkler Gestrigkeit wurzelnder Skeptizismus.
Gemeinschaft und Trost in eher trostlosen Zeiten
Hierzulande erklären einem ja mittlerweile viele: „Für meinen Glauben brauche ich keine Kirche (mehr).“ Da wage ich zu widersprechen: Erst die Kirche bietet in all ihrer Unfertigkeit auch Gemeinschaft und Trost in eher trostlosen Zeiten. Zumal diese Kirche zur eigenen Weiterentwicklung und Anpassung durchaus fähig ist. Übrigens wie die andere große, wenn auch sehr irdische Weltreligion: der Kapitalismus.
Wer also wird die katholische Kirche in die Zukunft führen? Ein konservativer Traditionalist? Ein liberaler Modernisierer? Ein pragmatischer Moderator? Klassische Links-Rechts-Schemata helfen bei der Prognose nur bedingt, zumal allzu entschiedene Positionen nur neue Zerreißproben brächten, wo eher Maß und Mitte gefragt sind. Religion ist am Ende etwas anderes als Parteipolitik. Gott sei Dank! Auch wenn Personalmanagement hier wie da durchaus wichtig ist.
Die Konklave beginnt Anfang Mai
Während seines Pontifikats hat Franziskus rekordverdächtige 163 Kardinäle aus 79 Ländern ernannt – darunter erstmals aus Papua-Neuguinea, Osttimor, Paraguay und der Mongolei. Von denen haben 107 noch nicht ihren 80. Geburtstag erreicht und sind jetzt entsprechend wahlberechtigt. Das Anfang Mai beginnende Konklave bestreiten 133 Kardinäle, ein also von Franziskus weise orchestriertes Gremium, in dem das alte Europa klar in der Minderheit ist: global, vielfältig und eher den ärmeren Teil der Welt abbildend.
Rund 2000 Jahre alt ist dieses Christentum nun. Und es wirkt gerade mal wieder frischer denn je, oder?