Viele Bürgergeld-Beziehende wollen raus – doch eine Gruppe wird besonders benachteiligt

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Jobcenter sollen Bürgergeld-Beziehenden beim Weg aus der Arbeitslosigkeit helfen. Bei der Förderung von Langzeitarbeitslosen ist eine Gruppe jedoch besonders im Nachteil.

Berlin – Die Chancen für Langzeitarbeitslose im Bürgergeld auf einen neuen Job werden immer geringer. Immer weniger Betroffene kommen in spezifischen Förderprogrammen unter. Besonders im Nachteil: Frauen und Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Sie sind in den Maßnahmen des Teilhabechancengesetzes unterrepräsentiert, der Anteil entspricht also nicht dem Anteil der Berechtigten.

Bürgergeld-Bezieherinnen haben geringere Chance auf Förderung

Konkret zeigt sich das im Programm „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“, das es in dieser Form seit 2019 gibt. Jobcenter übernehmen dabei einen Teil des Gehalts. Berechtigt sind alle, die mindestens zwei Jahre arbeitslos sind. Nur ein Drittel der Teilnehmenden sind dabei Frauen. Der Anteil an den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beträgt dabei 52,1 Prozent. Frauen sind damit also nicht repräsentativ vertreten.

Eine Frau steht im Eingang eines Jobcenters und Blick auf ein Hinweisschild.
Frauen kommen seltener in Förderprogrammen für langzeitarbeitslose Bürgergeld-Beziehende unter. Eine Ursache sind klassische Rollenbilder. © Carsten Koall/dpa

Eine Erklärung: Wegen Erziehungszeiten würden Frauen häufig die Fördervoraussetzungen von zwei Jahren nicht erfüllen, begründete das Arbeitsministerium die Ungleichheit auf IPPEN.MEDIA-Anfrage.

Frauen landen bei geförderten Stellen häufig in Teilzeit – wegen Erziehungs- und Sorgearbeit

Nicht nur fördern Jobcenter Frauen im Rahmen des Förderprogramms für Bürgergeld-Beziehende weniger. Sie erhalten auch weniger Gehalt. Während das durchschnittliche Bruttogehalt bei 1590 Euro liegt, bekommen Frauen lediglich zwischen 1200 und 1300 Euro. Bei Männern liegt es dagegen bei 1800 bis 1900 Euro. In der Antwort auf die Linken-Anfrage begründete das Arbeitsministerium die Ungleichheit damit, dass Frauen häufiger in Teilzeit arbeiten, Männer in Vollzeit.

„Grund dafür sind oft Hürden bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, erklärte das Ministerium zudem. Ein Großteil des Gehaltsunterschieds könne mit der vertraglichen Wochenarbeitszeit erklärt werden.

Das von Hubertus Heil geführte Haus verwies auf IPPEN.MEDIA-Anfrage dabei auf „strukturelle Ungleichheiten oder fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten“. Frauen übernehmen weiterhin einen Großteil der Sorgearbeit. Teilzeitmodelle seien deshalb eine „wichtige Möglichkeit“, etwa Erziehungszeiten mit einer Erwerbstätigkeit zu vereinbaren. „Frauen sollen gezielt mit passenden Angeboten unterstützt werden und es wird insbesondere darauf geachtet, dass Mütter von kleinen Kindern früher, auch durch Angebote in Teilzeit, erreicht werden.“ Dabei würden sie von den Jobcentern beraten, um den Schritt zu einem „existenzsichernden Einkommen“ zu ermöglichen.

Traditionelles Rollenbild von Frauen vereitelt Förderung von Bürgergeld-Bezieherinnen

Traditionelle Rollenbild der für die Erziehung zuständigen Frau, ist offenbar grundsätzlich ein Grund, wieso Frauen allgemein weniger gefördert werden – nicht nur was Teilzeitmodelle angeht. „Frauen werden wegen häufiger Sorgearbeit in geringerem Umfang als Adressatinnen dieser Förderungen in den Jobcentern wahrgenommen, oder vermehrt in geförderte Teilzeitarbeitsverhältnisse zugewiesen“, erklärte ein Sprecher des Arbeitsministeriums auf IPPEN.MEDIA-Nachfrage.

Dennoch räumte das Ministerium ein, „dass die Förderung von Frauen noch verstärkter in den Fokus genommen werden muss“. Das Bundesarbeitsministerium, die Bundesagentur für Arbeit und die Länder wirken demnach „gemeinsam darauf hin, dass vor Ort die Situation von Frauen angemessen aufgegriffen wird“. Die Bundesagentur für Arbeit unterstütze die Beschäftigten, traditionellen Rollenbildern in der Beratung zu begegnen. Das Ministerium verwies jedoch auf die Zuständigkeit der Jobcenter, die „in dezentraler Verantwortung“ über die Schulungen der Mitarbeitenden entscheiden.

Förderung für langzeitarbeitslose Bürgergeld-Beziehende schläft ein

Bei Ausländerinnen und Ausländer zeigt sich ein ähnliches Bild. Sie machen lediglich ein Viertel der Geförderten aus, während ihr Anteil bei den erwerbsfähigen Bürgergeld-Berechtigten bei 47 Prozent liegt. Das liegt laut dem Arbeitsministerium häufig daran, dass auch sie nicht Fördervoraussetzungen von mindestens zwei Jahren Arbeitslosigkeit nicht erfüllen, da die Teilnahme an Sprachkursen als Unterbrechung der Arbeitslosigkeit gezählt werde.

Insgesamt geht die Zahl der geförderten Langzeitarbeitslosen in den Programmen des Teilhabechancengesetzes zurück. Eine Ursache sind laut Forschenden des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und Linken Kürzungen an den Budgets der Jobcenter.

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