Deutschlands CO₂-Ausstoß sinkt auf Rekordtief – trotzdem schlechte Nachrichten für den Klimaschutz

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Der CO₂-Ausstoß ist in Deutschland so niedrig wie seit über 60 Jahren nicht. Allerdings liegt der Rückgang zu großen Teilen an der krisenbedingten Wirtschaftsschwäche.

Berlin – Die CO₂-Emissionen in Deutschland sind 2023 stark zurückgegangen. Der Ausstoß fiel mit 673 Millionen Tonnen um 46 Prozent niedriger aus als im Referenzjahr 1990, das teilte die Denkfabrik Agora Energiewende am 4. Januar mit.

CO₂-Ausstoß sinkt 2023 in Deutschland auf niedrigsten Stand seit den 50ern

Der CO₂-Ausstoß ist damit auf dem niedrigsten Stand seit den 1950er Jahren, 73 Millionen Tonnen weniger als 2022 und auch deutlich weniger als das Jahresziel für 2023 von 722 Millionen Tonnen, das sich aus dem Klimaschutzgesetz ergibt. Doch was zuerst wie eine sehr gute Nachricht klingt, ist bei genauerer Betrachtung doch nicht ganz so gut. Denn für das Klima werten die Experten diese vorläufige Auswertung nicht wirklich positiv. So seien nur rund 15 Prozent des reduzierten CO₂-Ausstoßes „dauerhafte“ Einsparungen. Der Großteil hingegen sei nicht nachhaltig: „Zum Beispiel könnten Emissionen konjunkturbedingt wieder steigen oder sich längerfristig Teile der Industrie ins Ausland verlagern“.

Die Entwicklung geht den Experten zufolge maßgeblich auf einen „unerwartet starken Rückgang des Kohleverbrauchs“ wegen einer stark gesunkenen Stromnachfrage zurück. Außerdem sei mehr Strom importiert worden, der zur Hälfte aus erneuerbaren Energien und zu einem Viertel aus Kernkraft stamme. „Gleichzeitig sanken die Emissionen zulasten der energieintensiven Industrie durch konjunktur- und krisenbedingte Produktionsrückgänge“, erklärte Agora.

Rückgang der CO₂-Emissionen auch auf schwächelnde Wirtschaft zurückzuführen – Habeck zeigt sich trotzdem zufrieden

„Die Energiewirtschaft verzeichnete mit dem historischen Hoch bei den Erneuerbaren Energien einen klimapolitischen Erfolg“, erklärte Simon Müller, Direktor von Agora Energiewende Deutschland. Die Schwäche der Industrie sei jedoch auch für das Klima nicht gut, wenn in der Folge der Industriestandort Deutschland leide und Emissionen lediglich verlagert würden.

Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) zeigt sich dennoch erfreut über die sinkenden CO₂-Emissionen in Deutschland. „Der Energiebereich liefert wirklich“, sagte er am Donnerstag dem BR. Er drang aber auch auf mehr Geld für Investitionen in den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft.

Robert Habeck zeigt sich erfreut über die sinkenden CO₂-Emissionen in Deutschland.
Robert Habeck zeigt sich erfreut über die sinkenden CO₂-Emissionen in Deutschland. © IMAGO/M. Popow

Habeck stimmt jedoch nicht mit der Denkfabrik überein und widersprach den Darstellungen, wonach die Fortschritte bei der Senkung der CO₂-Emissionen wieder zunichtegemacht würden, wenn es der deutschen Wirtschaft wieder besser gehe. „Die Wirtschaft selbst ist ja voll auf dem Klimaschutzpfad.“ Man könne gut produzieren und trotzdem Energie sparen, betonte der Grünen-Politiker.

Der Solarausbau „geht durch die Decke“ und auch bei Wind gingen die Genehmigungszahlen steil nach oben, erklärte der Wirtschaftsminister. Entsprechend werde nun weniger Kohle verbrannt. Besorgt äußerte sich Habeck allerdings wegen des Produktionsrückgangs der deutschen Wirtschaft. „Natürlich, ohne Frage, wir haben im letzten Jahr zu wenig produziert, beziehungsweise die Wirtschaft ist zu schwach gelaufen“, sagte der Minister.

Verkehr und Gebäude-Sektor verfehlen Klimaziele – Agora fordert Anpassungen im Verkehrsbereich

Während die Emissionen in der Wirtschaft gesunken sind, gab es in den kritischen Bereichen Verkehr und Gebäude kaum Veränderungen, betonte Agora. „Damit rissen die Sektoren ihre Klimaziele zum vierten beziehungsweise dritten Mal in Folge.“ Hier gebe es „strukturelle“ Probleme, die politisch adressiert werden müssten.

Im Gebäudesektor habe es mit dem Heizungsgesetz und dem Gesetz für die kommunale Wärmeplanung die nötige „politische Weichenstellung“ gegeben. Nun komme es „auf eine konsequente Umsetzung an“, erklärte Müller.

Beim Verkehr gebe es aber kaum Bewegung. Der Anteil von E-Autos an den Neuzulassungen sei immer noch zu gering. Es brauche Anpassungen bei „Steuern, Abgaben und Subventionen rund um den Pkw“ sowie einen stärkeren Ausbau des ÖPNV. Hier liegt eine große Chance, sollte das Deutschland-Ticket doch nicht teurer werden. Um den Klimawandel zu stoppen, muss also noch viel getan werden. (md mit AFP)

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