Münchner Lenbachhaus zeigt Auguste Herbin: Er treibt‘s bunt

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In Picassos Atelier am Boulevard de Clichy: Auguste Herbin im Jahr 1911. © Archiv

Das Münchner Lenbachhaus feiert Auguste Herbin mit einer Ausstellung. Er war ein Weggefährte Pablo Picassos und der Begründer der Abstraktion in Frankreich. Unser Austellungstipp.

Vielleicht kennt nicht ein jeder Günter Fruhtrunk. Aber die Einkaufstüte von Aldi Nord mit ihrem weiß-blauen Balkenmuster, die wird man schon einmal gesehen haben. Designt von eben jenem Fruhtrunk, einem deutschen Meister der abstrakten Malerei. Ein Münchner, verwaltet wird sein Nachlass von der Walter Storms Galerie, in der man die farbkontrastreichen Arbeiten erleben kann. Wer es bereits tat, der fühlt sich im Münchner Lenbachhaus sofort daran erinnert. Unverkennbar: In der dortigen neuen Ausstellung erleben wir ein Vorbild Günter Fruhtrunks – den französischen Maler Auguste Herbin. Er war einer der Begründer der Abstraktion in Frankreich.

Ein Suchender, einer, der jede Form, jede Farbe bewusst gewählt hat. Bis hin zu einem von ihm eigens ausgetüftelten komplizierten System, dem „alphabet plastique“, das jedem Buchstaben von A bis Z eine Farbe, eine Form und einen Ton zuordnet. Da hat sich Herbin von kulturgeschichtlichen Schwergewichten wie Goethes Farbenlehre oder Johann Sebastian Bachs „Kunst der Fuge“ inspirieren lassen. Klingt furchtbar theoretisch, die Schau aber ist: ein kraftvolles Spiel von Farben und Formen, das es mit einem zweiten Münchner aufnehmen könnte, dem Leucht-König Rupprecht Geiger.

Voll leuchtender Kraft: Auguste Herbins „Réalité spirituelle“ (1939).
Voll leuchtender Kraft: Auguste Herbins „Réalité spirituelle“ (1939). © Galerie Lahumière Paris, © VG Bild-Kunst Bonn, 2024

Kuratorin Susanne Böller interessiert, wie Herbin (1882-1960) von seinen spätimpressionistischen Landschaften, Porträts und Stillleben erst zum Kubismus und von dort immer kühner in die Abstraktion gefunden hat. Das zeichnet sie anhand von 46 Werken in der Ausstellung chronologisch nach, deren Wände in kräftigem Gelb und Blau für zusätzliche spannende Kontraste sorgen. Wer die Entwicklung des Künstlers abschreitet, erlebt auf wenigen Metern ein großes Stück Kunstgeschichte.

Der politische Mensch Auguste Herbin, sozial engagiert und für einige Zeit Mitglied der Kommunistischen Partei, entdeckt in der Abstraktion die Möglichkeit der stärkeren Identifizierung. Je abstrakter ein Motiv, desto eher könne sich der Betrachter in dem jeweiligen Werk wiederfinden. Das Universelle, das Kollektiv, die Gemeinschaft als Leitmotiv in Leben und künstlerischem Schaffen.

Und während man anfangs noch Figuratives durch die abstrakten Bilder schweben zu sehen meint – Augen, Münder, Beine –, sucht man nach Konkretem bei den jüngsten Werken vergeblich. Ihre Botschaften muss man sich anhand des „alphabet plastique“ schon selbst ausbuchstabieren. Wer es versucht, das auf einem der Bänke in der Schau ausgelegte Tablet mit den Zeichnungen durchschaut, die den theoretischen Unterbau der Bilder zeigen, ist möglicherweise leicht überfordert von den vogelwilden Überlegungen, die Herbin da angestellt hat. Macht gar nichts. Ipad zur Seite, vor die Bilder stellen, hinschauen. Und sie fern jeder Theorie ganz praktisch erleben: die ungeheure Kraft der Abstraktion. Bis 19. Oktober 2025; Dienstag bis Sonntag 10 bis 18, Donnerstag bis 20 Uhr.

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