„Kommt Missachtung der Gerichte schon sehr nah“ – 100 Tage Trump könnten Demokratie für immer verändern

  1. Startseite
  2. Politik

Kommentare

Seit 100 Tagen ist Donald Trump im Amt. In dieser Zeit hat er die Welt auf den Kopf gestellt. Seine Präsidentschaft verändert die Demokratie, glaubt Transatlantik-Expertin Sudha David-Wilp.

Trump 2 ist schneller und entschlossener. In den ersten 100 Tagen seiner zweiten Amtszeit hat er mit einer Rekordzahl von 120 Dekreten innen- und außenpolitische Umwälzungen gestartet, die angesichts ihrer Schlagzahl Freund und Feind gleichermaßen hilf- und sprachlos zurücklassen.

Seine Zoll-Politik lässt Börsenkurse weltweit ausschlagen, in der Außenpolitik stößt er Freunde vor den Kopf, erhebt territoriale Ansprüche auf Grönland und baut die Vereinigten Staaten so radikal um, dass viele die Demokratie in Gefahr sehen. Über die Stimmung im Land und was uns in der restlichen Amtszeit erwartet hat IPPEN.MEDIA mit der Vize-Präsidentin des Berliner Büros der Stiftung German-Marshall-Fund gesprochen.

Nach Trumps Amtsantritt hieß es oft, die Demokratie der USA sei stabil. Sehen Sie das immer noch so?

Donald Trumps zweite Amtszeit wird in die Geschichte eingehen. Erstens, weil er nach einer verlorenen Wiederwahl im Jahr 2020 dann doch wiedergewählt wurde. Und zweitens, wegen der Geschwindigkeit, mit der er Dinge umsetzt. Die Art und Weise wie seine Regierung Grenzen überschreitet und Gesetze verändert, ist revolutionär.

Donald Trump 100 Tage im Amt: „Kommt Missachtung der Gerichte schon sehr nah“

Nennen Sie ein Beispiel.

Er hatte gesagt, dass er sich an die Rechtssprechung der Gerichte halten werde, gleichzeitig ignorieren er und seine Regierung gewisse Entscheidungen. Das spielt sich noch in einer Grauzone ab, aber es kommt einer Missachtung der Gerichte schon sehr nah. Ja, die amerikanische Demokratie ist robust und fest verankert, denn nicht alle Macht liegt in Washington. Und trotzdem erleben wir eine andere Präsidentschaft und eine Führung, die das Gesicht unserer Demokratie langfristig verändern könnte. Trump rüttelt an den letzten 80 Jahren demokratischer Traditionen in den USA.

Was war seine größte Leistung in den ersten 100 Tagen aus Sicht seiner Wähler?

Er hat sein Wahlversprechen erfüllt, die Migration zu begrenzen. Dieses Thema haben die Demokraten in der letzten Legislatur vernachlässigt.

Und wofür gibt es die schärfste Kritik?

Für die Zölle. Ich komme gerade aus den USA zurück und ich bemerke einen spürbaren Stimmungswandel in den letzten zwei Monaten. Die Zoll-Ankündigungen und der damit verbundene Börsencrash haben Trump geschadet - bei Anhängern und Kritikern. Seine Umfragewerte sind historisch schlecht im Vergleich zu anderen Präsidenten in den ersten 100 Tagen. Trotzdem steht die republikanische Partei immer noch sehr geschlossen hinter ihm. Trump und seine Regierung sind smart: sie wissen, dass sie ihre Versprechen schnell umsetzen müssen, denn die Tage bis zu den midterms sind gezählt. Jetzt ist die Zeit, Dinge umzusetzen, solange er in beiden Häusern die Mehrheit hat.

Im November 2026 stehen diese Wahlen zum Repräsentantenhaus an. Traditionell hat hier immer die Oppositionsparte gewonnen und damit die Macht der Regierung geschwächt. Droht das auch Trump?

Es wird alles vom Zustand der Wirtschaft abhängen. Der Vorsprung der Republikaner ist sehr dünn und es sollte den Demokraten möglich sein, das Repräsentantenhaus zu übernehmen. Das wäre ein harter Schlag. Denn das Repräsentantenhaus hat viel Macht - beispielsweise mit der Möglichkeit, Amtsenthebungsverfahren einzuleiten..

Kommt der Aufschwung in den USA dank Trump?

Sie sagten alles hängt an der Wirtschaft... Gibt es den versprochenen Aufschwung?

Die Benzinpreise sind gesunken, auch Preise für einige Lebensmittel wie Eier sind runtergegangen. Aber was passiert, wenn es Waren-Knappheit gibt und Fabriken deswegen gar ihre Produktion einstellen oder Personal entlassen müssen. Diesen Dominoeffekt wird die Bevölkerung spüren und ihren Missmut auf den Wahlzetteln äußern. Wirtschaftsexperten sagen eine Stagflation, also hohe Preise bei null Wachstum, voraus. Das kennen die Amerikaner nicht. Sie haben Trump gewählt, weil sie sich erinnern, wie er die Wirtschaft vor Covid angekurbelt hat. Er ist ein Businessmann und die Menschen erwarten, dass er liefert. Wenn die Wirtschaft runter geht ist das für keinen Präsidenten gut, aber für ihn noch weniger.

Wie kann man Trumps Zick-Zack-Kurs in vielen Bereichen - zuletzt in der Zoll-Politik - erklären. Ist das alles ein impulsives Experiment, das er notfalls korrigiert oder steckt dahinter ein schlauer Master-Plan, den niemand kennt und versteht?

Ich glaube das ist die große Frage, die sich alle derzeit stellen. Ich denke schon, dass es seine persönliche Überzeugung ist, dass Zölle ein geeignetes Mittel sind, um ein Ungleichgewicht im Handel auszugleichen. Trotzdem gibt es zunehmend kritische Stimmen an der Wallstreet und auch in seiner Partei, denen das zu extrem und unvorhersehbar ist. Die Experten warnen: Unsicherheit ist kein Klima für Wachstum.

In den Städten sehen wir einzelne Proteste, auf dem Land ist die Zustimmung nach wie vor groß. Spaltet Trump die Gesellschaft auch nach den Wahlen weiter?

Er konnte die Wahl im electoral und popular vote für sich entscheiden und wir haben den Großteil seiner Amtszeit noch vor uns. Die Demokraten versuchen immer noch herauszufinden, wie sie mit ihm arbeiten können. Die Opposition muss sich die Frage stellen, was ihre Botschaft sein soll und welches Gegenangebot sie machen kann. Es reicht sicher nicht, Sorgen über die Demokratie zu äußern und Anti-Trump-Reden zu schwingen, um die nächsten Wahlen zu gewinnen. Ihre Inhalte müssten Mietpreise, zukunftsfähige Arbeitsplätze, Infrastruktur sein. Hier wollen die Amerikaner greifbare Veränderungen sehen.

Seitenwechsel auf Putin-Linie: Was kommt noch im Ukraine-Konflikt?

Überraschend war für viele sein Seitenwechsel auf Putin-Linie. Was erwartet uns im Ukraine-Konflikt?

Eins ist klar: Er und auch Außenminister Marco de Rubio haben immer offen gesagt, der Ukraine-Konflikt sei Europas Problem. Sie haben kein Interesse, sich dort zu engagieren. Ich wäre sehr überrascht, wenn es im Sommer noch Verhandlungen gäbe. Sie wollen eine schnelle Lösung.

Die USA sind damit ein unsicherer Partner geworden. Das zwingt Deutschland und EU zu mehr Eigenständigkeit. Hat das auch Vorteile?

Ja, auf gewisse Weise ist es gut für Europa, seine Kapazitäten auszubauen und Entscheidungen zu treffen, die im Interesse der europäischen Sicherheit vielleicht überfällig sind. Trotzdem ist es nach wie vor wichtig für die EU und die USA bei großen Herausforderungen zu kooperieren. Wir feiern nächste Woche 80 Jahre Ende des Zweiten Weltkrieges. Die transatlantische Partnerschaft war in den vergangenen Jahrzehnten eine unverrückbare Gewissheit. Diese Verbindung ist nun im Wandel. Wir müssen sehen, wie wir nach wie vor gemeinsame und sinnvolle Ziele definieren können, ohne unsere Beziehung aufzugeben, von der beide Seiten so stark profitiert haben.

Trumps Amtszeit ist noch lang. Was kommt da noch?

Sicher ist nur, dass es mehr Unsicherheit geben wird. Mehr unvorhersehbare und unkonventionelle Politik. Alles ist im Wandel in den USA. Trump wird weiter ein Hardliner sein in der Migration und er wird daran arbeiten, das Handelsdefizit mit einigen Ländern auszugleichen – das sind seine Prioritäten.

Was kommt nach Trump 2? Eine dritte Amtszeit oder ist JD Vance sein logischer Nachfolger?

Man würde denken, dass Vance der designierte Nachfolger ist, aber in Trumps Welt weiß man nie, wie lange politische Freundschaften halten. Gerade warten alle im Pentagon was mit Verteidigungsminister Hegseth passiert. Die Amtszeit von Trump ist noch lang und wir müssen sehen, wer nach dem ersten Jahr noch fest im Sattel sitzt.

Auch interessant

Kommentare