„Das ist ein Treiber für AfD und Wagenknecht“: CDU-Sozialer sieht „Lücke” – „Ich zeige auf uns selbst”

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Hohe Umfragewerte für AfD und BSW bereiten Sorge. Der CDU-Sozialpolitiker Dennis Radtke warnt „die gesamte politische Mitte“ vor Versäumnissen.

Straßburg – Die Wahl- und Umfrageergebnisse von AfD und BSW sorgen in der politischen Mitte für Schmerzen und Sorge – bei der EU-Wahl, bei den kommenden Ost-Landtagswahlen und auch mit Blick auf die Bundestagswahl 2025. Doch was tun? Der CDU-Sozialpolitiker Dennis Radtke hat eine eindringliche Mahnung auch, aber nicht nur für seine Partei: Es gebe „in unserer Gesellschaft Probleme und Herausforderungen, die seit Jahren nicht korrekt adressiert werden“, sagt er IPPEN.MEDIA.

AfD und Wagenknecht profitieren: Radtke fordert Einsatz für Soziales – „zeige auf gesamte politische Mitte“

Radtke – der im September Karl-Josef Laumann als Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels beerben will – meint damit nicht die Dauerstreitfrage Migration. Jedenfalls nicht vorrangig. Migration sei „ein wichtiges Thema“, erklärte er. Noch wichtiger sei bei Wahlen in Frankreich, den Niederlanden und auch bei der Europawahl in Deutschland aber „die Frage Lebenshaltungskosten, Lebensstandardsichern, soziale Ängste, Abstiegsängste“ gewesen.

Nicht immer einer Meinung: CDU-Chef Friedrich Merz und Dennis Radtke (re.)
Nicht immer einer Meinung: CDU-Chef Friedrich Merz und Dennis Radtke (re.) © IMAGO/Frederic Kern

„Auch wenn das in meiner Partei einige nicht so gerne hören: Diese Themen sind auch einer der Treiber für AfD und Wagenknecht“, betonte der EU-Parlamentarier beim Interview in Straßburg. Das sei „ganz offenkundig“. Das BSW sei keine „klassisch linke Partei“, sondern sehe sich als „sozial-konservativ“. Vergleichbar sei das Profil mit dem der „Ruhrgebiets-SPD der 80er-Jahre“. „Ein knallhart soziales Profil bis hin zum sozialpopulistischen, ohne diese typischen linken Add-ons wie gendergerechte Sprache und ‚Zuwanderung haben wir eigentlich noch zu wenig’, überspitzt gesagt.“

„Dafür gibt es einen Markt, das verfängt. Im Osten noch stärker als im Westen“, warnte Radtke. Darauf müsse man reagieren. „Und da zeige ich jetzt gar nicht mit dem Finger auf die Ampel; damit zeige ich auf uns selbst, auf die gesamte politische Mitte.“

CDU-Streit um sozialen Kurs und Mindestlohn: „Da müssen wir noch einiges nacharbeiten“

Als konkrete Ansatzpunkte nannte er Mietpreise, den Mindestlohn, Schutz vor Ausbeutung von Arbeitnehmern und Rente für mittlere und kleine Einkommen. Er selbst wolle sich auf EU-Ebene „dahinterklemmen“, dass Regelbrüche etwa im Lkw-Fernverkehr kontrolliert und in Zusammenarbeit der Behörden unterbunden werden können. Aber auch die CDU habe vor der Bundestagswahl Nachholbedarf. „Ich finde, da müssen wir noch einiges nacharbeiten, mit Blick auf unser Wahlprogramm“, forderte Radtke: „Da müssen wir mit klaren Angeboten und mit klaren Aussagen in den Wahlkampf ziehen.“

Das „Phänomen“ Airbnb etwa erhöhe den Druck auf „ohnehin schon umkämpfte Wohnungsmärkte“. „Die Leute erwarten darauf eine Antwort“, meint der Bochumer. Die EU wiederum müsse sich mit der Frage auseinandersetzen, ob Standards und Bürokratie abgebaut werden können, um Bauen günstiger zu machen. Beim Thema Mindestlohn ging Radtke indirekt auf Konfrontation mit der CDU-Spitze um Chef Friedrich Merz. Sie hat Rufe von Kanzler Olaf Scholz nach 15 Euro Mindestlohn scharf kritisiert, will aber an der Mindestlohnkommission festhalten.

Radtke sprach sich bei IPPEN.MEDIA für feste Kriterien aus. Es gebe bereits Vorschläge, etwa die Kaufkraftentwicklung zu berücksichtigen. Seine Empfehlung sei 60 Prozent des Medianlohnes – also jenes Lohnwertes, bei dem es genauso viele Besser-, wie Geringverdiener gibt. So könne man den Mindestlohn entpolitisieren. „Das wäre eine Aufgabe, die das Statistische Bundesamt übernehmen kann.“ Radtke kritisierte allerdings auch Scholz. „Jetzt spricht die SPD von 15 Euro – und wenn wir an der Systematik nichts verändern, dann kann ich Ihnen auch schon die Wahlplakate der SPD für 2029 zeigen: Da steht dann 18 oder 19 Euro drauf. Das ist doch witzlos.“ (fn)

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