Autofahrern droht Abzocke mit Notruf-Batterie
Seit 2018 müssen alle Neuwagen in der EU das automatische Notrufsystem eCall an Bord haben. In der Werkstatt kann es bei einigen Herstellern nach Routineinspektionen eine teure Überraschung geben, wenn eine spezielle Batterie ausgetauscht werden muss.
Jeder Autobesitzer kennt das: Inspektionen in der Werkstatt sind oft teurer als erhofft. Vor allem dann, wenn der Wagen noch unter die Hersteller-Garantie fällt und alle Wartungsarbeiten gemäß Hersteller-Plan durchgeführt werden müssen. Als der Autor dieser Zeilen sein drei Jahre altes SUV zur Inspektion brachte, staunte er nicht schlecht: Ein Teil der saftigen Rechnung bestand aus 170 Euro für den Tausch eines chinesischen Billig-Akkus. Der Grund dafür dürfte Millionen Autofahrern, die ein neues oder noch relativ junges Auto fahren, gar nicht bewusst sein.
Notrufsystem eCall: Seit 2018 Pflicht in der EU
Seit April 2018 müssen alle Neuwagen mit dem automatischen Notrufsystem eCall ausgestattet sein. Das System nutzt Mobilfunk und Satellitenortung, um nach einem Unfall automatisch eine Telefonverbindung zur einheitlichen Notrufnummer 112 herzustellen. eCall wird zum Beispiel ausgelöst, wenn nach einem Crash die Airbags aufgehen. Man kann im Notfall den Alarm auch selbst auslösen mit der „SOS“-Taste, die sich meistens im Dachhimmel des Autos befindet (siehe Video).
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Zusätzlich zur Sprachverbindung überträgt das im Fahrzeug installierte eCall-System Informationen zum Unfallort, zur Art der Auslösung und zum Fahrzeug. Telefonanruf und Daten werden per Mobilfunkverbindung an die nächstgelegene Rettungsleitstelle übermittelt. Sinn des Ganzen: Vor allem durch die direkte Übermittlung des Unfallortes sollen Retter schneller vor Ort sein. So weit, so sinnvoll. Die Übermittlung der Daten erfolgt mit der aktuellen Technik nur dann, wenn das System ausgelöst wird; für weitere Zwecke, etwa die Erstellung von Bewegungsprofilen, kann es nicht genutzt werden.
eCall benötigt versteckte Extra-Batterie
Das eCall-System verlässt sich aber nicht auf die 12 Volt-Batterie des Autos, die bei einem Unfall theoretisch zerstört werden kann, sondern benötigt eine eigene, sogenannte Stützbatterie. „ Der 112-eCall muss möglichst zuverlässig funktionieren, auch wenn bei einem Unfall die Stromversorgung des Fahrzeugs beschädigt oder durch Treibladungen absichtlich getrennt wurde, um Kurzschlüsse zu vermeiden“, erklärt die Technik-Abteilung des ADAC gegenüber FOCUS online.
Werkstatt verlangt 110 Euro plus Einbau für eine 25-Euro-Batterie
Und hier haben einige Autohersteller und Werkstätten offenbar eine lukrative Einnahmequelle für sich entdeckt. Der Autor dieser Zeilen ließ sich nach der Inspektion die ausgetauschte Batterie von der Werkstatt mitgeben. Der in China produzierte wiederaufladbare 3,2 Volt-Lithium-Ionen-Akku ist etwas größer als eine AA-Batterie und hat einen dreipoligen Stecker. Eine kurze Suche anhand der Modellnummer des Akkus im Internet ergab, dass exakt die gleiche Batterie inklusive Stecker nicht etwa 110 Euro kostet, sondern lediglich 20 bis 25 Euro . Für die Werkstatt bedeutet das also eine satte Gewinnspanne von 400 Prozent. Neben den 110 Euro für die Batterie kommen noch die 60 Euro Einbau-Kosten, weil zum Tausch ein Teil der Mittelkonsole entfernt wird. Am Ende stehen dann 170 Euro auf der Rechnung.

Gerade wenn der Wagen noch unter die Garantie fällt, hat der Kunde gar keine Wahl: Wenn der Wartungsplan des Herstellers den Tausch vorsieht, wird sich kaum jemand dagegen sperren. Dabei, so gab es der Werkstattmeister in unserem Fall zu, ist es unerheblich, ob der Akku überhaupt schon getauscht werden müsste: Sein Zustand werde nicht überprüft. Eine Kontrolle im Testcenter der Kollegen von CHIP immerhin ergab, dass der Akku tatsächlich leer war.
Gegenüber FOCUS online bestätigt ein ADAC-Experte, dass immer mehr Autofahrer gerade mit dem Problem konfrontiert sind. „Erste Anfragen von Mitgliedern liegen uns bereits vor, viele Autofahrerinnen und Autofahrer erfahren in diesem Zusammenhang zum ersten Mal von den zusätzlichen Kosten. Da der 112-eCall erst seit dem 1. April 2018 für Fahrzeuge mit neuer Typengenehmigung obligatorisch ist, steht nun für die ersten Fahrzeuge der Batteriewechsel an“, so der Club. Im vorliegenden Fall ist der Wagen erst Baujahr 2021, der Hersteller sieht den Tausch aber schon nach drei Jahren vor. Auch im Netz beschweren sich Nutzer in einigen Hersteller-Foren über die überraschende Kostenfalle bei der Inspektion.
Akku selbst tauschen? ADAC ist skeptisch
Kann man dann wenigstens Kosten sparen und - ähnlich wie das manche Fahrer mit selbst gekauftem Öl beim Ölwechsel machen - die Batterie günstig einkaufen und selbst mitbringen? Der ADAC rät davon ab. „ Die Fehleranfälligkeit ist zu hoch - von der Verwendung ungeeigneter Batterien/Akkus über den unsachgemäßen Einbau bis hin zur Beschädigung der Notrufbaugruppe“, so der Club. Auch sei es nicht möglich, „mit vertretbarem Aufwand“ ohne Austausch zu überprüfen, ob der Akku noch genügend Saft hat. Viele Autofahrerinnen und Autofahrer werden die eCall-Kröte also schlucken müssen. Was bleibt, ist das unangenehme Gefühl, dass ein angeblich nur der Sicherheit dienendes System der EU dazu genutzt wird, die Kosten einer Inspektion in die Höhe zu treiben.